Verkappte Raubvögel: Flamingos jagen mit tödlichen Wasserstrudeln

Anders als früher angenommen filtert der Chilenische Flamingo (Phoenicopterus chilensis) seine Nahrung nicht nur einfach aus dem Wasser. Er verhält sich beim Fressen eher wie ein Raubtier, das auch flüchtende Beute nicht entkommen lässt. Ein Team um den Biologen Victor Ortega-Jiménez filmte mit Hochgeschwindigkeitskameras, wie Zooflamingos jagen: Die Vögel erzeugen mit Kopf, Schnabel und Füßen gezielt Wasserströmungen, mit denen sie Plankton sowie bewegliche Tiere wie Ruderfuß- und Salinenkrebse aufwirbeln, zusammentreiben und ansaugen.
Biomechanische Modelle von Schnäbeln und Füßen aus dem 3-D-Drucker sowie Computersimulationen halfen den Fachleuten, die Strömungsdynamik hinter der Jagdmethode zu analysieren. Die effiziente Technik der Tiere könnte laut den Forschern als Vorbild für neue Methoden zur Gewässerreinigung dienen.
Warum Flamingos in flachem Wasser stampfen
Ortega-Jiménez filmte, wie die Vögel in einem durchsichtigen Wasserbecken zunächst mit ihren Füßen die Nahrung im Bodensediment aufwirbelten. Beobachtet man einen Flamingo in flachem Wasser, kann man oft sehen, wie er auf der Stelle stampft. Seine Füße besitzen schlaffe Schwimmhäute, die beim Anheben zusammenfallen. So löst sich das Tier ohne jenen lästigen Sog vom Boden, der uns Menschen im Schlamm das Laufen erschwert. Die Fußbeschaffenheit macht die Aufwirbelung von Nahrungspartikeln und kleinen Beutetieren besonders effektiv. Das zeigte das Team unter anderem mit mechanischen Modellen von starren und flexiblen Flamingofüßen, indem es die von ihnen erzeugten unterschiedlichen Strömungsmuster verglich.
Bemerkenswert ist auch der Seihschnabel von Flamingos, nicht nur wegen der in ihm verborgenen kolbenartigen Riesenzunge und der kammartigen Lamellen am Schnabelrand. Auch die Form ist entscheidend: Der vordere Teil ist abgeknickt und stark abgeflacht. Dadurch kann der Schnabel parallel zum Boden liegen, wenn der Vogel ihn kopfüber ins Wasser taucht. Zieht das Tier den Kopf nach vorne und klappert dabei mit dem Schnabel, entstehen kleine Wasserwirbel, die auch bewegliche Beute wie Salinenkrebse einfangen. Das Schnabelklappern erhöht laut Ortega-Jiménez die Ausbeute noch einmal um das Siebenfache. Hebt der Flamingo den Kopf abrupt (mit einer gemessenen Geschwindigkeit von etwa 40 Zentimetern pro Sekunde), bildet sich ein beachtlicher vertikaler, tornadoartiger Strudel, der selbst flink flüchtende, winzige Krebstiere mitreißt.
An der jahrelangen Forschung waren neben Ortega-Jiménez von der University of California, Berkeley, mehrere Mitarbeiter des Georgia Institute of Technology in Atlanta, der Kennesaw State University in Marietta und des Zoos in Nashville beteiligt.
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