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Leben und Tod: Fledermaus hat Erbgutschutz für Langlebigkeit

Ein außerordentlich nachhaltiger Typ von DNA-Schutzkappen lässt einige Fledermäuse besonders lange leben. Wie das genau klappt, ist komplizierter als gedacht.
Großes Mausohr im Flug

Im Allgemeinen leben kleine Säugetiere – wie die Maus – immer kürzer als große – wie der Elefant –, und Ausnahmen bestätigen höchstens die Regel. Einen merkwürdigen Ausreißer stellt allerdings das Große Mausohr dar: Die Fledermausart Myotis myotis ist das mit weitem Abstand langlebigste kleine Säugetier. Das gerade einmal mausgroße Tier erreicht oft rund 35 Lebensjahre. Forscher haben nun sein Erbgut untersucht und mit dem naher Verwandten verglichen. Jetzt präsentieren sie in "Science Advances" Hinweise auf die genetischen Tricks des langlebigen Flattertiers: Es ist offenbar in der Lage, besser als andere Organismen den allmählichen altersbedingten Abbau ihrer Chromosomen zu stoppen.

Ein Chromosomenverfallsschutz wird von Genetikern seit geraumer Zeit untersucht; im Jahr 2009 wurde die Forschung an ihm sogar mit einem Nobelpreis geehrt. Der am besten erforschte Mechanismus arbeitet unter anderem auch in menschlichen Zellen, und man diskutiert seit Langem, ob er auch die Lebenspanne des Menschen beeinflussen könnte. Als zentral für den Schutz gegen vorzeitige Zellalterung gilt dabei die Arbeit des Enzyms Telomerase, die den allmählichen Abbau der Chromosomenenden kontert, der Telomere. Sie werden ganz natürlich bei jeder Verdopplung der Erbsubstanz vor einer Zellteilung abgeknabbert – was schließlich nach einiger Zeit auch zum Verlust wichtiger Erbinformationen führt. Die Telomerase füllt die Lücken immer wieder auf, bevor der Schaden eintritt. Das Enzym arbeitet aber offenbar mit zunehmendem Lebensalter bei allen Organismen immer weniger effizient, was als wichtiger Auslöser für zelluläre Alterung interpretiert wird. Diese Theorie muss nun nach der neue Fledermausstudie zumindest ergänzt werden: Tatsächlich macht nicht allein eine besondere Telomerase das Große Mausohr besonders langlebig.

Dies zeigten das Forscherteam um Nicole M. Foley vom University College in Dublin mit Hilfe ihrer Erbgutvergleiche. Die Forscher hatten Gewebeproben von 500 Fledermäusen unterschiedlicher Arten aus freier Wildbahn gesammelt und analysiert – wobei sie ihr Augenmerk vor allem auf die Länge der Telomere richteten. Dabei zeigte sich, dass die Telomerschutzkappen der Fledermausspezies Rhinolophus ferrumequinum (der Großen Hufeisennase) und Miniopterus schreibersii (der Langflügelfledermaus) im Lauf der natürlichen Alterung einzelner Tiere erwartungsgemäß allmählich immer kürzer wurden. Das Große Mausohr aber fiel deutlich aus dem Rahmen: Die Telomere der Tiere scheinen mit dem Alter überhaupt nicht kürzer zu werden. Das liegt allerdings nicht an einer deutlich aktiveren Telomerase, konstatierten die Forscher verblüfft.

Stattdessen sind 21 andere, offenbar auch an der DNA-Reparatur und alternativen Telomerwartungsprozessen beteiligte Gene beim Mausohr deutlich aktiver als bei anderen, nicht auffällig langlebigen Fledermäusen. Zudem zeigte sich, dass in den Blutzellen von M. myotis – wie übrigens auch beim Menschen – gar keine Telomerase arbeitet. Offenbar ist demnach ein anderer Mechanismus am Werk, der womöglich etwas mit den hochregulierten Genen zu tun hat. Wichtig scheinen dabei besonders zwei Gene zu sein: ATM und SETX arbeiten beim Großen Mausohr deutlich emsiger als bei 52 anderen Säugetierarten.

All dies ist zwar informativ und unterstreicht ein weiteres Mal, dass die Länge von Telomeren und die Alterung des Organismus korrelieren – die Befunde zeigen aber keine eindeutige Ursache für die Langlebigkeit von Mausohren. Ganz offenbar spielen neben bis dato unbekannten Telomerschutzprogrammen auch besondere Kniffe in der DNA-Reparatur eine Rolle, die unter anderem auch das Krebsrisiko bei älteren Tieren verringert – ein weiterer Grund, so die Forscher, warum es sich lohnt, die Genetik der Tiere in Zukunft noch viel genauer unter die Lupe zu nehmen.

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