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News: Flexibel auch im Alter

Einmal Muskelzelle, immer Muskelzelle - so ungefähr haben sich das Wissenschaftler bisher vorgestellt. Aber das stimmt nicht. Stammzellen aus Muskeln können sich auch im Knochenmark wohlfühlen und Blutzellen produzieren, haben sie nun festgestellt. Wieder einmal zeigt sich, daß auch ausgereifte Stammzellen noch neue Aufgaben übernehmen können.
Aufgrund der Beobachtungen von frühen Embryologen dachten Wissenschafter lange Zeit, daß für Zellen im Laufe ihrer Entwicklung immer weniger Differenzierungsmöglichkeiten bestehen. Sie gingen stets davon aus, daß die Zellen eines jungen Embryos am vielseitigsten sind, während in einem ausgereiften Gewebe selbst für Stammzellen nur noch einer der wenigen dort vertretenen Zelltypen übrig bleibt. Neuere Untersuchungen widerlegen diese vereinfachende Ansicht jedoch: Stammzellen aus dem Gehirn von Nagern können sich zum Beispiel in Blutzellen umwandeln, und Knochenmarkszellen können zu Muskelzellen werden.

Auch Margaret Goodell und ihre Kollegen vom Baylor College of Medicine in Houston fragten sich, ob die Muskelstammzellen, an denen sie arbeiteten, nicht noch viel mehr leisten könnten, als nur zu Muskelzellen heranzureifen. Um das zu testen, zogen sie im Labor über fünf Tage hinweg Zellkulturen aus Muskelzellen ausgewachsener Mäuse. Anschließend spritzten sie Tieren, bei denen sie durch Strahlung alle Knochenmarkszellen vernichtet hatten, eine Mischung aus Muskelzellen und deren Stammzellen zu gleichen Teilen. Außerdem erhielten die Mäuse noch eine große Dosis Knochenmarkszellen von einem anderen Mäusestamm. Nach sechs Wochen besaßen die Tiere Blutzellen aus beiden Quellen, was darauf schließen läßt, daß die Muskelstammzellen umgelernt haben und Blutzellen produzierten. Die Muskelzellen hatten sich außerdem geteilt und machten nun mehr als die Hälfte der Blutzellen in jedem Tier aus (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 7. Dezember 1999, Abstract).

Die Forscher sind sich nicht ganz sicher, welche der Muskelzellen nun so vielseitig sind. Sie nehmen aber an, daß die sogenannten Muskel-Satellitenzellen diese Fähigkeit besitzen. Diese Stammzellen beteiligen sich an der Reparatur von beschädigtem Muskelgewebe. Sie wären nach Ansicht von Goodell ursprünglich genug, um eine neue Identität anzunehmen, wenn sie im Blutkreislauf Entwicklungssignalen ausgesetzt werden. Es wäre auch möglich, daß die fünf Tage Zellkultur die Zellen 'umprogrammiert' haben, so daß sie eine neue Entwicklung durchlaufen können, meint Ihor Lemischka von der Princeton University. Wie auch immer, er hält es für an der Zeit, daß Wissenschaftler ihre Vorurteile über die Eigenschaften und Fähigkeiten von Stammzellen überdenken.

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