Experimente zur Quantengravitation: Folgen Raum und Zeit den Gesetzen der Quantenphysik?

Im Weltbild der Physik klafft eine riesige Lücke: Keine der etablierten Theorien vermag es, die quantenmechanischen Eigenschaften der Schwerkraft zu beschreiben. Fachleute gehen jedoch davon aus, dass eine Quantengravitationstheorie unerlässlich ist, um Extremsituationen zu erklären, wie sie im jungen Universum aufgetreten sind oder die im Inneren von Schwarzen Löchern herrschen.
Die Schwerkraft wird durch Einsteins allgemeine Relativitätstheorie beschrieben. Diese hat Phänomene wie die Beugung des Lichts, die Umlaufbahn des Merkurs, Schwarze Löcher und Gravitationswellen korrekt vorhergesagt. Sie lehrt uns, dass die Geometrie von Raum und Zeit durch die Schwerkraft bestimmt ist.
Wenn über Quantengravitation gesprochen wird, ist eigentlich das quantenphysikalische Verhalten der Raumzeit gemeint. Derzeit gibt es keine etablierte Theorie der Quantengravitation – aber es gibt Anwärter. Die Schleifenquantengravitation (die Rovelli, einer der Autoren, mitentwickelt hat) und die Stringtheorie gelten als zwei der wichtigsten Kandidaten. Erstere besagt, dass die Raumzeit wie aus einem Netz winziger Schleifen gewoben ist, während Letztere davon ausgeht, dass kleine, schwingende Fäden die Grundbausteine unserer Welt sind.
Themenwoche: Die Jagd nach der Weltformel
Die Gravitation sticht als einzige der vier Grundkräfte heraus: Anders als der Elektromagnetismus und die Kernkräfte scheint sie nicht den seltsamen Regeln der Quantenphysik zu folgen. Viele Physiker sind davon überzeugt, dass eine Theorie der Quantengravitation für ein vollumfängliches Verständnis unserer Welt nötig ist. In dieser Themenwoche beleuchten wir einige Anwärter einer solchen Theorie – und erklären, wie man sie testen könnte.
Wissenschaftsgeschichte: Die 100 Jahre lange Suche nach einer Weltformel
Schleifenquantengravitation: Das Ende der Zeit
Teleparallele Gravitation: Eine neue Raumzeit für eine Weltformel
Nichtkommutative Geometrie: Eine quantenmechanische Struktur des Kosmos
Entropie: Schwarze Löcher als Schlüssel zur Weltformel
Experimente: Folgen Raum und Zeit den Gesetzen der Quantenphysik?
Gödelsche Unvollständigkeit: Ist die Frage nach einer Weltformel unentscheidbar?
Alle Inhalte zur Themenwoche »Die Jagd nach der Weltformel« finden Sie auf unserer Themenseite »Quantengravitation«.
Solche Theorien zu überprüfen, ist schwierig, da sich weder das frühe Universum noch das Innere von Schwarzen Löchern in einem Labor untersuchen lassen. Die Fachwelt ging lange davon aus, dass Technologien für Experimente, welche die Quantennatur der Gravitation testen könnten, noch viele Jahre in der Zukunft liegen.
Doch das könnte falsch sein. Jüngste Entwicklungen deuten darauf hin, dass solche Laborversuche vielleicht schon bald umsetzbar sind. Die vorgeschlagenen Experimente könnten die Vorhersagen von Quantengravitationstheorien überprüfen und deren Annahmen untermauern – oder widerlegen.
Die Experimente werden nicht preisgeben, welche spezifische Quantengravitationstheorie richtig ist
Allerdings können die Laborversuche lediglich Quantengravitationsphänomene bei niedrigen Energien testen. In diesem Bereich stimmen die Vorhersagen von Strings, Schleifen und ähnlichen Ansätzen überein. Die Experimente werden also nicht preisgeben, welche spezifische Quantengravitationstheorie richtig ist. Doch ein experimenteller Nachweis einer Quantenschwerkraft wäre bahnbrechend.
Die Auswirkungen der Schwerkraft auf das Verhalten von Quantenteilchen wurden bereits oft beobachtet: von der Dynamik von Sternen über die Bildung von Galaxienhaufen bis hin zu den Folgen der Erdanziehung auf Quantensysteme. Albert Einsteins Theorie funktioniert in solchen Situationen gut. Aber in diesen Szenarien verhält sich die Schwerkraft auf eine Weise, die mit der klassischen Physik vereinbar ist – ihre hypothetischen Quanteneigenschaften spielen keine Rolle. Viel schwieriger ist es, Phänomene zu beobachten, bei denen sich die Schwerkraft quantenmechanisch verhalten könnte.
Welle, Teilchen oder beides?
Während unserer beruflichen Laufbahn haben wir – Rovelli als Physiker und Huggett als Philosoph – uns immer wieder mit Quantengravitation beschäftigt. Wir möchten herausfinden, was Experimente über die Quantennatur der Schwerkraft offenbaren können und was nicht. Sollten die Versuche erfolgreich verlaufen, ließe sich zum ersten Mal nachweisen, dass Raum und Zeit den Gesetzen der Quantenphysik folgen.
Während einer Pause bei einer Konferenz in Oxford überlegten wir uns ein einfaches Gedankenexperiment, das die Quanteneigenschaften der Schwerkraft enthüllen könnte. Damit waren wir nicht die Ersten: Ähnliche Vorschläge haben schon Alejandro Perez von der Université Aix-Marseille in Frankreich sowie Netanel Lindner und Asher Peres vom Technion-Israel Institute of Technology geäußert.
Unsere Idee fußt auf dem Prinzip der »Interferenz«, einem Wellenphänomen, das bei der Enthüllung vieler quantenmechanischer Aspekte eine entscheidende Rolle gespielt hat und noch heute spielt. Alle Wellen (sowohl quantenmechanische als auch klassische) bestehen aus Bergen und Tälern. Wenn sich die Berge zweier Wellen an einem Punkt treffen, entsteht ein höherer Wellenberg, bei zwei Tälern bildet sich entsprechend ein tieferes Wellental. Diese Arten der Interferenz werden als konstruktiv bezeichnet. Destruktive Interferenz geschieht, wenn sich ein Berg und ein Tal überlagern und sich somit gegenseitig aufheben.
Im 19. Jahrhundert wies der Mathematiker Thomas Young (1773–1829) erstmals durch Interferenz nach, dass sich Licht wie eine Welle verhält. Dafür strahlte er Licht durch zwei schmale Schlitze auf einen dahinter liegenden Schirm. Licht, das den Punkt in der Mitte des Schirms erreicht, legt von beiden Spalten aus die gleiche Strecke zurück. Damit treffen also die Wellenberge beider Strahlen gleichzeitig auf diesen Punkt und interferieren konstruktiv. Dort konnte Young den hellsten Lichtpunkt auf dem Schirm beobachten. Weiter rechts muss die Lichtwelle vom linken Schlitz hingegen eine etwas längere Strecke zurücklegen als die Welle des rechten. Deshalb treffen die Berge und Täler nicht mehr direkt aufeinander und die Lichtintensität nimmt ab. Schließlich gibt es auch Punkte, an denen die Wellen vom linken und rechten Spalt so verschoben sind, dass sich die Wellenberge und -täler gegenseitig aufheben; dort ist kein Licht zu sehen. Dieses aus charakteristischen Streifen bestehende Interferenzmuster wiederholt sich entlang der Wand und beweist, dass sich Licht wie eine Welle verhält.
Youngs inzwischen berühmt gewordenes Doppelspaltexperiment beruht auf klassischer Physik. Einige Jahre später spielte es aber auch eine wichtige Rolle in der Quantenphysik. 1923 vermutete der Physiker Louis de Broglie, dass sich winzige Teilchen nicht wie kleine Billardkugeln verhalten, sondern wie Wellen – und damit in einem Doppelspaltexperiment ebenfalls ein Streifenmuster erzeugen. In den 1980er Jahren bewies ein Experiment mit Neutronen aus einem Kernreaktor, dass er damit Recht hatte.
Erstaunlicherweise ergibt sich das gleiche Interferenzmuster, wenn man die Neutronen einzeln durch die Schlitze schickt. Das heißt, dass individuelle Teilchen irgendwie mit sich selbst wechselwirken. Demnach verhält sich ein Neutron hinter dem Doppelspalt wie zwei Wellen, die verschiedenen Wegen folgen. Da ein klassisches Teilchen unmöglich an zwei Orten gleichzeitig sein kann, führten Physiker einen neuen Begriff ein: Quantenteilchen können »überlagert« sein; sie befinden sich dann sowohl hier als auch dort.
Erste Experimente zum Einfluss der Schwerkraft auf Quanten
Gilt diese verrückte Quanteneigenschaft ebenso für die Schwerkraft – und damit auch für Raum und Zeit? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich der allgemeinen Relativitätstheorie zuwenden, die besagt, dass Masse (oder allgemeiner Energie) die Raumzeit krümmt. Die Verformung lenkt Objekte in Richtung der Masse ab. Das erklärt ihre Anziehungskraft. Raumzeitkrümmung führt außerdem dazu, dass Uhren langsamer gehen, wenn sie sich näher an einer Masse befinden. Diesen Effekt kann man in Experimenten nutzen, welche die Quantenmechanik und die Schwerkraft zusammenbringen. Solche Versuche sind der erste Schritt, um zu zeigen, dass die Gravitation quantenmechanische Eigenschaften besitzt.
Dafür braucht man einen Spiegel, der eine quantenmechanische Welle – etwa ein Neutron – zu gleichen Teilen reflektiert und durchlässt. Die Neutronenwelle wird dabei gewissermaßen in zwei Teile gespalten, die auf unterschiedlichen Wegen auf einen Detektor zulaufen: Die eine Welle folgt einem Pfad parallel zum Boden und wird dann durch einen zweiten Spiegel nach oben abgelenkt; die andere geht erst nach oben und wird dann durch einen Spiegel parallel zum Boden reflektiert. Die beiden Pfade bilden zusammen die vier Seiten eines Rechtecks und treffen sich am Ende in einem gemeinsamen Punkt.
Wenn die Wellen den halb durchlässigen Spiegel verlassen, sind sie synchron. Entlang des unteren Wegs ist jedoch die Schwerkraft der Erde stärker ausgeprägt, weshalb die Zeit dort etwas langsamer vergeht. Daher schwingt die Welle, die dem unteren Weg folgt, mit einer geringeren Frequenz: Ihre Scheitelpunkte sind leicht zu jenen der oberen Welle versetzt. Sobald beide Wellen zusammentreffen, kommt es zu Interferenz, die allein durch die Krümmung der Raumzeit verursacht wird.
1974 schlugen die Physiker Roberto Colella und Albert Overhauser, beide an der Purdue University in West Lafayette, Indiana, ein solches Experiment vor. Im folgenden Jahr führten sie zusammen mit Samuel Werner, damals wissenschaftlicher Mitarbeiter der Ford Motor Company, den Versuch erfolgreich durch. Zur großen Begeisterung vieler Fachleute konnte das Team tatsächlich das vorhergesagte Streifenmuster beobachten, das den Einfluss der Schwerkraft auf das Quantenverhalten von Teilchen nachwies.
Über die Quantennatur der Schwerkraft sagt das beeindruckende Experiment allerdings nichts aus. Obwohl sich die Neutronen in dem Versuchsaufbau quantenmechanisch verhalten, lässt sich die Schwerkraft in diesem Fall durch die allgemeine Relativitätstheorie beschreiben – also immer noch klassisch.
Die neu vorgebrachten Versuchsvorschläge gehen weiter. Sie könnten zum ersten Mal zeigen, dass die Schwerkraft ebenso wie Teilchen, Licht und die übrigen Grundkräfte quantenphysikalischer Natur ist.
Eine überlagerte Raumzeit
Gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie beeinflusst Materie (egal ob Planet, Staubkorn oder ein einzelnes Neutron) die Form der Raumzeit. Die von einem kleinen Objekt verursachte Krümmung ist zwar winzig, aber es gibt sie.
Was aber, wenn sich ein Teilchen in einer Überlagerung von Orten befindet? Da jede Position eine unterschiedliche Raumzeitgeometrie erzeugt, müsste das auch eine quantenmechanische Überlagerung von Geometrien verursachen. In diesem Fall hätte die Raumzeit zwei Formen gleichzeitig.
Das Gedankenexperiment, das wir uns an jenem Tag in Oxford ausgedacht haben, soll diesen Effekt nachweisen. Die Grundidee besteht darin, einen Lichtstrahl nahe an einem überlagerten Quantenobjekt vorbeizuleuchten. Das Licht würde daher durch zwei überlagerte Raumzeitgeometrien wandern. In der einen könnte der Strahl weit vom Objekt entfernt sein – in diesem Fall wäre die Wirkung der Schwerkraft vernachlässigbar, und das Licht würde in einer geraden Linie zu einem Bildschirm wandern. In der anderen Geometrie fliegt das Licht hingegen nahe genug am Objekt vorbei, um durch dessen Schwerkraft abgelenkt zu werden. Durch diese zwei unterschiedlich langen Wege kommt es auf dem Bildschirm zu einem charakteristischen Interferenzmuster.
Entscheidend ist, dass das Interferenzmuster nur dann auftritt, wenn die Raumzeit überlagert ist – also wenn die Schwerkraft quantenmechanische Eigenschaften besitzt. Ist die Gravitation hingegen grundsätzlich klassisch, gibt es keine Interferenz.
Aber wie könnte eine klassische Schwerkraft im Fall überlagerter Teilchen überhaupt aussehen? Vielleicht, so argumentierte der Mathematiker und Nobelpreisträger Roger Penrose, wählt die Natur in diesem Fall eine der Geometrien aus und veranlasst die überlagerte Masse, einen einzigen Ort zu wählen. Oder es gibt eine bestimmte Geometrie, die einer Masse an der Position entspricht, die sie unter all den möglichen Orten im Mittel annimmt. In jedem Fall würde der Lichtstrahl lediglich einem Weg folgen und nicht mit sich selbst interferieren.
Falls in einem solchen Experiment Interferenzstreifen auftreten, wäre das ein eindeutiger Beweis für ein quantenphysikalisches Verhalten der Schwerkraft – ein extrem bedeutendes Ergebnis. Doch das hat bisher noch niemand erreicht.
Lässt sich so ein Experiment umsetzen?
Die Schwerkraft des überlagerten Teilchens – und damit sein Einfluss auf das Licht – ist umso größer, je massereicher es ist. Andererseits ist zwar jede Materie grundsätzlich quantenmechanisch, aber große und schwere Objekte wechselwirken so stark mit ihrer Umgebung, dass jede Form von Interferenz verborgen bleibt. Man nennt diesen Effekt Dekohärenz.
Für das von uns vorgeschlagene Experiment muss man also abwägen: Einerseits braucht man etwas, das groß genug ist, um Gravitationseffekte sehen zu können – aber auch klein genug, um eine Quantennatur zu besitzen. Um einen Mittelweg zu finden, kann man auf die drei Naturkonstanten zurückgreifen, welche die Quantengravitation charakterisieren: die Lichtgeschwindigkeit c, die Gravitationskonstante G und das plancksche Wirkungsquantum h. Wenn man sie geschickt miteinander verbindet, ergibt sich eine »Planck-Masse« von etwa 20 Mikrogramm. Das entspricht etwa dem Gewicht eines Haars von wenigen Millimetern Länge.
Mit einer solchen Masse lässt sich arbeiten. 2023 gelang es Fachleuten, ein 16 Mikrogramm schweres Objekt in einen überlagerten Zustand von zwei Orten zu bringen, die zwei milliardstel Nanometer voneinander entfernt sind. Dieser Abstand ist allerdings noch milliardenfach zu klein, damit die von uns erdachten Tests eine sichtbare Wirkung haben.
Die Situation mag hoffnungslos erscheinen, aber für Experimentatoren stellen sie ehrgeiziges Ziel dar. Aktuell versuchen einige Forschungsgruppen, das quantenmechanische Verhalten von Körpern mit Planck-Masse besser zu kontrollieren oder die gravitative Anziehung von Materie zu beobachten, die um ein Vielfaches leichter sind als 20 Mikrogramm.
Um tatsächlich ein Interferenzmuster zu beobachten, sollte man allerdings nicht Licht auf das überlagerte Objekt scheinen. Die Änderung von dessen Bahnkurve ist selbst im Gravitationsfeld eines Objekts mit Planck-Masse zu gering. Für einen sichtbaren Effekt müsste das Licht eine Wellenlänge von 10-32 Metern haben – ein völlig unerreichbarer Wert, der nur in Extremsituationen wie dem Urknall auftrat.
Statt Licht kann man aber auch eine zweite winzige Masse – beziehungsweise ihren Wellencharakter – nutzen und sie nahe am ruhenden Objekt vorbeiführen. Je schwerer die bewegte Masse, desto größer die Gravitationskraft. Und je langsamer sie sich bewegt, desto länger wirkt diese Kraft. Wenn beide Massen etwa einem Zehntausendstel der Planck-Masse entsprechen, sollte ein sichtbares Interferenzmuster entstehen. Die Umsetzung eines solchen Experiments liegt nahe an den derzeitigen technischen Möglichkeiten.
Verschränkung statt Überlagerung
2017 sorgten zweiVeröffentlichungen für große Aufregung unter Experten. Darin schlugen Fachleute eine subtilere Strategie vor, um überlagerte Raumzeitgeometrien zu beobachten. Die Idee baut auf den jüngsten theoretischen und experimentellen Fortschritten auf, die Schwerkraft und Quantenphysik einander nähergebracht haben. Beide Arbeiten lehnen sich an eine Idee des sowjetischen Physikers Matvei Bronstein (1906–1938) an.
In diesen Gedankenexperimenten braucht man zwei Teilchen mit Planck-Masse, die sich jeweils in einer Überlagerung von zwei Orten befinden. Zusammengenommen gibt es für das Paar also vier verschiedene mögliche Zustände: einer, bei dem sie sich nahe sind, zwei Zustände mit einem mittleren Abstand voneinander und ein Zustand, bei dem sie die größtmögliche Distanz zueinander haben. Da die Geometrie der Raumzeit vom Abstand der Teilchen abhängt, stehen die verschiedenen Möglichkeiten für unterschiedliche überlagerte Geometrien.
Gemäß der Quantenphysik ist ein Teilchen auch eine Welle, die mit einer energieabhängigen Frequenz schwingt – eine Art Uhr. Die Schwerkraft beeinflusst die Geschwindigkeit, mit der diese Uhren laufen. Daher schwingen die zwei Teilchen in den vier verschiedenen Anordnungen unterschiedlich schnell; je näher sie beieinander sind, desto langsamer. Das hat zur Folge, dass die überlagerten Anordnungen aus der Phase geraten, das heißt es kommt zu Interferenz. Diese lässt sich in diesem Fall nicht durch einen Schirm nachweisen, sondern in der so genannten Verschränkung. Letzteres ist eine quantenmechanische Korrelation, welche die Zustände von Teilchen selbst über weite Distanzen hinweg miteinander verbindet.
Ein grundlegendes Ergebnis der Quanteninformationstheorie besagt: Die Verschränkung zweier durch die Schwerkraft wechselwirkende Teilchen lässt sich nur dann beobachten, wenn das Gravitationsfeld der Teilchen überlagert ist. Daher bietet die Verschränkung ein weiteres Mittel, um das quantenmechanische Verhalten der Schwerkraft nachzuweisen. In einer 2019 veröffentlichten Arbeit zeigten Rovelli und Marios Christodoulou vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Wien (IQOQI), dass die Messung einer solchen Verschränkung die Überlagerung der Raumzeitgeometrie belegen würde – und damit Raum und Zeit den Regeln der Quantentheorie gehorchen.
Die 2017 vorgebrachte Versuchsidee und die Verbindung der Raumzeit-Physik mit dem Bereich der Quanteninformation hat eine Reihe von experimentellen, theoretischen und philosophischen Konsequenzen nach sich gezogen. Wir sind beide Mitglieder des Forschungskonsortiums »Quantum Information Structure of Spacetime« (kurz: QISS), das diese Ideen theoretisch und experimentell vertiefen möchte. So hat eine Gruppe am IQOQI die technischen Apparaturen entwickelt, die für das Experiment erforderlich sind. Andere Forschungsteams am QISS haben die theoretische und philosophische Bedeutung des Versuchs diskutiert und Alternativen zur Messung der Verschränkung vorgeschlagen.
Dass am Konsortium auch Philosophen beteiligt sind, mag überraschend erscheinen. Aber die philosophische Erforschung von Raum und Zeit hat eine lange Tradition, die sich von der Antike über Universalgelehrte wie Sir Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz im 17. Jahrhundert bis hin zu Henri Poincaré im 19. Jahrhundert erstreckt. Wenn grundlegende Größen wie Raum und Zeit überdacht werden, braucht man Personen, die ein hohes Maß an analytischem und konzeptionellem (also philosophischem) Wissen mitbringen. So hat einer von uns (Huggett) in einem gemeinsam mit den Wissenschaftsphilosophen Niels Linnemann und Mike Schneider verfassten und im Jahr 2023 erschienenen Buch die Auswirkungen von gravitativer Verschränkung untersucht.
Es ist nicht das erste Mal, dass Forschende Laborexperimente planen, um mögliche Phänomene der Quantengravitation zu testen. Doch die bisherigen Vorschläge behandelten entweder unbeobachtbar kleine oder extrem spekulative Effekte, die von plausiblen Quantengravitationstheorien nicht vorhergesagt werden.
Bis zur Durchführung der neu konzipierten Versuche ist es noch ein weiter Weg. Doch falls sie erfolgreich durchgeführt werden, ermöglichen sie es, den niedrigen Energiebereich zu testen, über den sich fast alle Quantengravitationstheorien einig sind. Sollten die Beteiligten auf eine überlagerte Raumzeit stoßen, würden sie den ersten direkten Beweis für die grundlegenden Annahmen dieser Theorien erbringen. Damit ließe sich die Möglichkeit, dass die Schwerkraft klassisch ist, weitgehend ausschließen. Mehr noch: Endlich wäre die Physik konkret in einen Bereich der Raumzeit vorgedrungen, der bis jetzt nur als Vermutung existiert.
Die Auswirkungen eines Quantengravitationsexperiments werden gewaltig sein
Lassen sich hingegen keine Anzeichen für eine Überlagerung finden, würden die Experimente stattdessen exotischere Theorien untermauern, welche die Schwerkraft als klassisch ansehen – was einen Großteil der theoretischen Bemühungen der letzten 40 Jahre zunichtemachen würde. Ein solches Ergebnis würde unsere Vorstellung der Welt und der Verbindung zwischen Quantentheorie und Schwerkraft auf den Kopf stellen. So oder so: Die Auswirkungen eines Quantengravitationsexperiments werden gewaltig sein.

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