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England: Forscher entdecken angelsächsische Festhalle aus dem 6. Jahrhundert

Festhalle

Bis Anfang des 7. Jahrhunderts lebten die angelsächsischen Stämme in Großbritannien nach ihren eigenen religiösen Traditionen und Bräuchen. Dann konvertierten sie allmählich durch die von Papst Gregor I. eingeleitete Missionierung zum Christentum. Aus ebenjener Zeit ist britischen Forschern nun eine seltene Entdeckung geglückt: Unter einer Wiese in Lyminge in Kent stießen sie auf das Fundament einer riesigen Festhalle aus dem späten 6. Jahrhundert, die Einblicke in das Leben der angelsächsischen Herrscher kurz vor der Glaubenswende gibt.

Dieses Schmuckstück ... | ... zierte vermutlich einst ein Pferdegeschirr. Die fehlende Ecke brach bereits im 6. Jahrhundert ab.

Auf die Spur des Bauwerks brachten Gabor Thomas von der University of Reading Pfostenlöcher im Boden, an denen er und sein Team den Grundriss nachvollziehen konnten. Bei dem Gebäude handelte es sich offenbar um eine angelsächsische Festhalle, in der sich die herrschende Elite versammelte oder der König sich mit seinen treuen Gefolgsleuten traf, um rauschende Feste zu feiern. Mit einer Fläche von rund 160 Quadratmetern konnte die Halle bequem 60 Personen beherbergen, schätzen die Forscher. Gewohnt wurde in solchen Häusern allerdings nicht, erklärt Thomas. "Es waren mehr repräsentative Gebäude, die von Zeit zu Zeit aus ganz bestimmten Gründen besucht wurden."

Meist waren diese Anlässe mit viel Essen und Trinken verbunden, und kostbare Geschenke wechselten den Besitzer. Derartige Schätze konnten die Forscher in den Fundamentgräben freilegen, etwa Gefäße, Glasperlen oder verzierte Knochenkämme. Ebenso stießen sie auf ein Schmuckstück, das einst ein Pferdegeschirr zierte. Der seltene Fund gelangte bereits zerbrochen in den Boden und deutet darauf hin, dass die vorchristliche Kultur der Angelsachsen vor allem eine Kriegerkultur war, zu deren Ideal das Pferd gehörte. Ähnliche Schmuckstücke kannte man bisher nur aus Gräbern der angelsächsischen Elite. Ersten Datierungen zufolge wurde es zwischen 525 und 575 gefertigt – um diese Zeit muss auch die Festhalle errichtet worden sein.

Ein "Maniküre"-Set ... | ... fanden die Archäologen ebenfalls in den Fundamentgräben. Vielleicht wurde es einst dafür verwendet, Fingernägel und Ohren zu säubern.

Einen weiteren beeindruckenden Fund bildet ein rund 1500 Jahre altes "Maniküre"-Set, bestehend aus drei Bronzestiften an einem Drahtring. Die Forscher vermuten, dass sie als Pinzette oder zur Reinigung von Fingernägeln und Ohren benutzt wurden.

Die Festhalle von Lyminge ist das einzige Gebäude, das Wissenschaftler bisher in Kent aus der Zeit der Christianisierung kennen. Alle anderen Erkenntnisse basierten bisher auf Funden aus Gräberfeldern. Im kommenden Sommer wollen die Archäologen von der University of Reading daher nach Lyminge zurückkehren, um noch mehr Fundstücke ans Licht zu bringen.

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