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Schmerzbehandlung: Forscher ersticken Schmerzgedächtnis im Keim

Rückenmarksneuron

Auf dem Weg zum Gehirn durchlaufen Schmerzreize eine Anzahl von Schaltstellen im Rückenmark, wobei das Signal jedes Mal über Synapsen von Nervenbahn zu Nervenbahn springt. Forscher der Medizinischen Universität Wien haben nun eine dieser Schaltstellen ins Visier genommen und Veränderungen rückgängig gemacht, die unbehandelt zu chronischen Schmerzen führen könnten.

Dabei konzentrierten sie sich auf einen Lerneffekt, der an diesen Stellen einsetzt, sobald ein Nerv dauerhaft gereizt wird: Die ständige Stimulation steigert die Erregungsfähigkeit der nachgeschalteten Zelle, so dass sie selbst bei leichteren Reizen feuert, was dann wiederum zu einer weiteren Steigerung der Empfindlichkeit führt. Dieser Teufelskreis äußert sich schließlich in einer Überempfindlichkeit des betroffenen Körperteils.

Dem Team um Jürgen Sandkühler gelang es nun bei Rattenexperimenten, den Kreis zu durchbrechen, indem sie kurz nach Einsetzen des Lernprozesses dem Tier Opioide in hoher Dosierung verabreichten. Das dazu verwendete Medikament Remifentanil ist bereits seit Längerem in Kliniken als hochwirksames Betäubungsmittel im Einsatz.

Es bindet an einen speziellen Opioidrezeptor der nachgeschalteten Zelle und führt im Normalfall bei geringer Dosierung zu einer Abschwächung des Erregungsniveaus der Zelle – sie feuert daher mit geringerer Wahrscheinlichkeit, woraus sich der schmerzstillende Effekt des Medikaments ergibt.

Bei hoher Dosierung stößt er jedoch, wie Sandkühler und Mitarbeiter nun entdeckten, eine zelluläre Signalkaskade an, die den Lerneffekt rückgängig macht. Über mehrere Zwischenschritte werden dabei Substanzen frei, die an einem wichtigen erregenden Rezeptor (dem AMPA-Rezeptor) molekulare Anhängsel wieder abschneiden, die zuvor im Rahmen des Lernvorgangs dort angeheftet wurden. Dadurch sinkt die Erregbarkeit des Neurons, und der weitere Lernvorgang kommt zum Erliegen.

Allerdings überprüften die Forscher bislang nur die Opioidgabe innerhalb der ersten sechs Stunden nach Beginn der Schmerzreizung. In diesem Zeitfenster konsolidieren sich die innerzellulären Veränderungen, und das Medikament kann eingreifen. Ob das Mittel auch gegen bereits länger bestehenden chronischen Schmerz taugt, ist noch fraglich. Zudem wirkt es nicht gegen alle an der Schmerzwahrnehmung beteiligten Prozesse.

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