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Radioaktive Abfälle: 1000 verschollen geglaubte Atommüll-Fässer im Atlantik gefunden

Vor Jahrzehnten versenkten etliche Staaten mehr als 200 000 Fässer mit Atommüll im Atlantik – bis zu fünf Kilometer tief. Wo sie heute liegen, weiß niemand. Nun hat sich eine Expedition auf die Suche gemacht.
Gelbe Fässer mit Gefahrensymbolen, wie Biohazard und Radioaktivität, sind in einem Lagerhaus gestapelt. Die Fässer stehen auf Paletten in mehreren Reihen und bilden einen langen Gang. Das Lagerhaus hat eine hohe Decke und ein geschlossenes Rolltor im Hintergrund. Die Umgebung wirkt industriell und aufgeräumt.
Es sind nicht nur die Brennstäbe. Beim Umgang mit radioaktiven Materialien fallen große Mengen schwach und und mäßig strahlender Abfälle an.

Zwischen den 1950er und 1980er Jahren haben etliche Staaten nuklearen Abfall im Ozean entsorgt. Nun hat ein internationales Forschungsteam mehr als 1000 der einst versenkten Fässer im Nordostatlantik aufgespürt. Das teilte eine Sprecherin der französischen Forschungsorganisation CNRS mit. Die Fachleute sind Mitte Juni 2025 vom westfranzösischen Brest aus mit ihrem Schiff »L'Atalante« zu ihrem Suchareal im Westeuropäischen Becken des Atlantiks aufgebrochen. Vier Wochen lang wollen sie dort nach Atommüll-Fässern suchen und schauen, welchen Einfluss diese auf das örtliche Ökosystem haben. Mindestens 200 000 Behälter werden allein im Nordostatlantik vermutet. Die Fässer enthalten allerdings vermutlich keine stark radioaktiven Materialien oder gar ausgebrannte Brennstäbe, sondern eher kontaminierte Laborausrüstung wie Handschuhe, Kittel oder Filter.

Die radioaktiven Abfälle liegen in 3000 bis 5000 Meter Tiefe – wo genau, ist jedoch nicht bekannt, denn die Entsorgung wurde meist nicht dokumentiert. Die Tiefsee erschien zu Beginn des Atomzeitalters als günstige und einfache Lösung, um weit entfernt von der menschlichen Zivilisation Material zu entsorgen, das in der Industrieentwicklung und in Laboren anfiel. Über das Leben in den Weltmeeren wusste man damals wenig. Erst 1993 wurde die Entsorgung von Atommüll im Ozean mit einem internationalen Vertrag schließlich untersagt.

Über den Zustand der Behälter und ob sie einzeln oder in Gruppen liegen, weiß man nicht viel. 21 Forschende sind deshalb mit der »L'Atalante« in dem Gebiet unterwegs, in dem wohl die Hälfte der Abfälle landete. Einer von ihnen ist der Meeresbiologe Pedro Nogueira vom Thünen-Institut für Fischereiökologie in Bremerhaven, der auch in einem Blog über die Expedition schreibt. Er untersucht, ob radioaktives Material in Meereslebewesen nachweisbar ist. Das Team will außerdem eine Karte mit Atomfass-Funden erstellen sowie Wasser- und Bodenproben nehmen. Unterstützung bekommen sie dabei vom autonomen Tauchroboter Ulyx, der unter anderem über eine Kamera für 3-D-Bilder und ein Sonarsystem zur Ortung von Gegenständen mit Schall verfügt.

Patrick Chardon, Leiter des Projekts NODSSUM (Nuclear Ocean Dump Site Survey Monitoring) vermutet, dass schon seit Längerem radioaktive Nuklide aus den Behältern entweichen. Die Fässer seien damals so konzipiert worden, dass sie dem Druck der Tiefe standhalten, nicht aber so, dass sie die Radioaktivität zuverlässig einschließen. Die Strahlung könne von Lebewesen aufgenommen werden und sich theoretisch in der Nahrungskette anreichern. Allerdings absorbieren Tonminerale Radionuklide sehr gut, so dass vermutlich ein Teil des austretenden Materials in den Tiefseeschlämmen der näheren Umgebung der Fässer gebunden bleibt. Anders als bei ausgebrannten Brennstäben handelt es sich bei dem im Meer verklappten Atommüll zudem um ein relativ kurzfristiges Problem. Bei den allermeisten nuklearen Abfällen im Nordatlantik dürfte die Radioaktivität nach etwa 300 bis 400 Jahren nahezu verschwunden sein, vermutet Chardon.

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