Stratigrafie: Forscher fordern neues Erdzeitalter
Der Einfluss des Menschen auf seine Umwelt sei inzwischen so stark und unübersehbar geworden, dass mit Beginn der Industrialisierung eine neue Epoche "Anthropozän" angebrochen sei. Nobelpreisträger Paul Crutzen hatte diesen Begriff bereits 2002 geprägt, und Angehörige der Stratigrafie-Kommission der Geologischen Gesellschaft von London fordern nun, die Einteilung der Erdzeitalter entsprechend zu ändern [1].
Die Grenze zwischen Erdzeitaltern orientiert sich an markanten Veränderungen in der Gesteinsabfolge – von geochemischen Parametern bis hin zu biologischen, die beispielsweise ein Massenaussterben anzeigen. Vier Punkte sprechen nach Ansicht der Wissenschaftler um Jan Zalasiewicz von der Universität Leicester nun für einen neuen Abschnitt mit Beginn des 19. Jahrhunderts.
Unübersehbare Spuren
Zum einen habe der Mensch durch Landwirtschaft und Bautätigkeiten wie Staudammprojekte die globalen Erosionsprozesse dramatisch gesteigert, sodass sie die Sedimentation inzwischen um eine Größenordnung übertreffen und so eine eindeutige Spur in der Gesteinsabfolge hinterlassen werden. Zum zweiten seien menschliche Aktivitäten dafür verantwortlich, dass die Konzentrationen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan sowie, mit etwas Verzögerung, auch die Temperaturen innerhalb dieser Zeit so rapide wie nie zuvor angestiegen sind und weiter klettern werden. Die Veränderung übersteige die Schwankungen, wie sie während Kalt- und Warmzeiten auftreten, und beende zugleich eine Phase relativ stabiler Verhältnisse.
Als drittes führen die Forscher das durch den Menschen verursachte Aussterben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten an, das sich mit dem Klimawandel wahrscheinlich weiter verschärfen werde und womöglich ähnliche Ausmaße erreichen könnte wie an der Kreide-Tertiär-Grenze. Dazu komme die großflächige Zerstörung natürlicher Vegetation zu Gunsten von Monokulturen sowie die veränderten Verbreitungsgebiete von Spezies durch menschliche Aktivitäten und globale Erwärmung. Dies alles hinterlasse eine eindeutige Spur in den Fossilnachweisen. Mit ihrem letzten Argument verweisen die Wissenschaftler auf die Veränderungen in den Ozeanen: Hier werden sich der Anstieg der Meeresspiegel und die zunehmende Versauerung des Wassers durch anthropogene Kohlendioxid-Freisetzung dauerhaft niederschlagen.
Ein neues Zeitalter auch für Böden
Eine entsprechende Änderung der Stratigrafie hatte im Dezember auch Daniel Richter von der Duke-Universität gefordert [2]. Er argumentiert damit, dass der Mensch die Böden des Planeten so grundlegend beeinflusst und verändert, dass sich ihre Entwicklung nun von den Verhältnissen in den Jahrmilliarden zuvor charakteristisch abhebt. Da nun mehr als die Hälfte der Böden vom Menschen für Ackerbau, als Weideland oder forstwirtschaftlich genutzt werde, sei die Frage, wie sie erhalten werden können, von zentraler politischer und wissenschaftlicher Bedeutung, so Richter.
Als Paul Crutzen den Begriff "Anthropozän" ins Gespräch brachte, berief er sich selbst auf den italienischen Paläontologen Antonio Stoppani. Er hatte ihn bereits um 1873 verwendet, als er darauf hinwies, die menschlichen Aktivitäten könnten einst in Stärke und Verbreitung den natürlichen Kräften der Erde vergleichbar sein. Crutzen nannte als Gründe für ein neues Zeitalter die Explosion der Weltbevölkerung, Verstädterung und die alles prägende (Über)Nutzung und Zerstörung der Landschaft durch den Menschen, die Ausbeutung der fossilen Energieträger und den Anstieg der Treibhausgase sowie die Freisetzung allerlei toxischer Substanzen und das Ozonloch. Im Gegensatz zu dem aktuellen Vorstoß seiner britischen Kollegen, die den Beginn des 19. Jahrhunderts als Start der neuen Epoche sehen, regte er das späte 18. Jahrhundert an, da etwa mit der Erfindung der Dampfmaschine 1784 weltweit erste markante Veränderungen auftraten.
Epochale Veränderungen brauchen ihre Zeit
Ein entsprechend neues Zeitalter einzuführen, wäre Aufgabe der Internationalen Kommission für Stratigrafie. Sie arbeitet unter anderem daran, die bisherigen stratigrafischen Einheiten an ausgewählten Typusstandorten festzumachen. Letzter Vorschlag für den Beginn des Holozäns beispielsweise – der aktuellen Einheit nach den Eiszeiten – wäre ein Eisbohrkern aus Grönland, in dem sich ein Anstieg der Deuterium-Werte als Marke für steigende Temperaturen beobachten lässt. Eine Entscheidung hierüber soll noch dieses Jahr fallen.
Bis sich allerdings ein entsprechender Antrag für ein Anthropozän durchsetzen würde, kann einige Zeit vergehen. So hatte die Kommission 2004 beschlossen, angesichts der Unsicherheiten um die Grenze zwischen Tertiär und Quartär diese beiden Einheiten komplett aufzulösen und in zwei neue Perioden, Paläogen und Neogen, umzugruppieren. Das Paläogen sollte demnach die Epochen Paläozän, Eozän und Oligozän umfassen, während das Neogen von Miozän bis heute reichen sollte. Die Abschaffung des Quartärs (bestehend aus Pleistozän und Holozän) sowie seine Grenze zum Pliozän, die zwischen drei Millionen Jahren und 1,8 Millionen vor heute schwankt, bleiben jedoch umstritten – aktuell fordert ein Antrag zur Abstimmung seine Erhaltung. Auch werde sich wohl das Tertiär, immerhin seit 250 Jahren in Gebrauch, wohl kaum oder vielleicht auch nie aus dem Sprachgebrauch löschen, merkt die Kommission selbst an. (af)
Die Grenze zwischen Erdzeitaltern orientiert sich an markanten Veränderungen in der Gesteinsabfolge – von geochemischen Parametern bis hin zu biologischen, die beispielsweise ein Massenaussterben anzeigen. Vier Punkte sprechen nach Ansicht der Wissenschaftler um Jan Zalasiewicz von der Universität Leicester nun für einen neuen Abschnitt mit Beginn des 19. Jahrhunderts.
Unübersehbare Spuren
Zum einen habe der Mensch durch Landwirtschaft und Bautätigkeiten wie Staudammprojekte die globalen Erosionsprozesse dramatisch gesteigert, sodass sie die Sedimentation inzwischen um eine Größenordnung übertreffen und so eine eindeutige Spur in der Gesteinsabfolge hinterlassen werden. Zum zweiten seien menschliche Aktivitäten dafür verantwortlich, dass die Konzentrationen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan sowie, mit etwas Verzögerung, auch die Temperaturen innerhalb dieser Zeit so rapide wie nie zuvor angestiegen sind und weiter klettern werden. Die Veränderung übersteige die Schwankungen, wie sie während Kalt- und Warmzeiten auftreten, und beende zugleich eine Phase relativ stabiler Verhältnisse.
Als drittes führen die Forscher das durch den Menschen verursachte Aussterben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten an, das sich mit dem Klimawandel wahrscheinlich weiter verschärfen werde und womöglich ähnliche Ausmaße erreichen könnte wie an der Kreide-Tertiär-Grenze. Dazu komme die großflächige Zerstörung natürlicher Vegetation zu Gunsten von Monokulturen sowie die veränderten Verbreitungsgebiete von Spezies durch menschliche Aktivitäten und globale Erwärmung. Dies alles hinterlasse eine eindeutige Spur in den Fossilnachweisen. Mit ihrem letzten Argument verweisen die Wissenschaftler auf die Veränderungen in den Ozeanen: Hier werden sich der Anstieg der Meeresspiegel und die zunehmende Versauerung des Wassers durch anthropogene Kohlendioxid-Freisetzung dauerhaft niederschlagen.
Ein neues Zeitalter auch für Böden
Eine entsprechende Änderung der Stratigrafie hatte im Dezember auch Daniel Richter von der Duke-Universität gefordert [2]. Er argumentiert damit, dass der Mensch die Böden des Planeten so grundlegend beeinflusst und verändert, dass sich ihre Entwicklung nun von den Verhältnissen in den Jahrmilliarden zuvor charakteristisch abhebt. Da nun mehr als die Hälfte der Böden vom Menschen für Ackerbau, als Weideland oder forstwirtschaftlich genutzt werde, sei die Frage, wie sie erhalten werden können, von zentraler politischer und wissenschaftlicher Bedeutung, so Richter.
Als Paul Crutzen den Begriff "Anthropozän" ins Gespräch brachte, berief er sich selbst auf den italienischen Paläontologen Antonio Stoppani. Er hatte ihn bereits um 1873 verwendet, als er darauf hinwies, die menschlichen Aktivitäten könnten einst in Stärke und Verbreitung den natürlichen Kräften der Erde vergleichbar sein. Crutzen nannte als Gründe für ein neues Zeitalter die Explosion der Weltbevölkerung, Verstädterung und die alles prägende (Über)Nutzung und Zerstörung der Landschaft durch den Menschen, die Ausbeutung der fossilen Energieträger und den Anstieg der Treibhausgase sowie die Freisetzung allerlei toxischer Substanzen und das Ozonloch. Im Gegensatz zu dem aktuellen Vorstoß seiner britischen Kollegen, die den Beginn des 19. Jahrhunderts als Start der neuen Epoche sehen, regte er das späte 18. Jahrhundert an, da etwa mit der Erfindung der Dampfmaschine 1784 weltweit erste markante Veränderungen auftraten.
Epochale Veränderungen brauchen ihre Zeit
Ein entsprechend neues Zeitalter einzuführen, wäre Aufgabe der Internationalen Kommission für Stratigrafie. Sie arbeitet unter anderem daran, die bisherigen stratigrafischen Einheiten an ausgewählten Typusstandorten festzumachen. Letzter Vorschlag für den Beginn des Holozäns beispielsweise – der aktuellen Einheit nach den Eiszeiten – wäre ein Eisbohrkern aus Grönland, in dem sich ein Anstieg der Deuterium-Werte als Marke für steigende Temperaturen beobachten lässt. Eine Entscheidung hierüber soll noch dieses Jahr fallen.
Bis sich allerdings ein entsprechender Antrag für ein Anthropozän durchsetzen würde, kann einige Zeit vergehen. So hatte die Kommission 2004 beschlossen, angesichts der Unsicherheiten um die Grenze zwischen Tertiär und Quartär diese beiden Einheiten komplett aufzulösen und in zwei neue Perioden, Paläogen und Neogen, umzugruppieren. Das Paläogen sollte demnach die Epochen Paläozän, Eozän und Oligozän umfassen, während das Neogen von Miozän bis heute reichen sollte. Die Abschaffung des Quartärs (bestehend aus Pleistozän und Holozän) sowie seine Grenze zum Pliozän, die zwischen drei Millionen Jahren und 1,8 Millionen vor heute schwankt, bleiben jedoch umstritten – aktuell fordert ein Antrag zur Abstimmung seine Erhaltung. Auch werde sich wohl das Tertiär, immerhin seit 250 Jahren in Gebrauch, wohl kaum oder vielleicht auch nie aus dem Sprachgebrauch löschen, merkt die Kommission selbst an. (af)
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