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Wissenschaftliche Veröffentlichungen: Forscher kritisieren sich nur selten gegenseitig

Wissenschaftler zitieren sich häufig untereinander in ihren wissenschaftlichen Arbeiten. Kritik hagelt es dabei aber vermutlich nur selten, wie eine Untersuchung nun zeigt.
Zeitschriften

Zitationen sind in der Wissenschaft eine wichtige Währung: Nicht umsonst versuchen die meisten Forscher, ihre Arbeiten in einer Fachzeitschrift mit einem möglichst hohen "Impact Factor" unterzubringen, um so die Chance zu erhöhen, von Kollegen in anderen Publikationen wiederum zitiert zu werden – im positiven Sinn natürlich! Forscher um Christian Catalini vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben sich nun die Qualität solcher Erwähnungen genauer angeschaut und untersucht, ob Wissenschaftler einander in ihren Studien tatsächlich eher sachlich oder doch eher kritisch erwähnen. Letzteres ist wohl seltener Fall, so ihr Ergebnis – zumindest, wenn man auf eine spezielle Fachrichtung blickt.

Catalini und seine Kollegen nahmen sich für ihre Untersuchung mehr als 15 000 Fachartikel aus dem "Journal of Immunology" vor. Darin stießen sie auf insgesamt 762 355 Zitationen, die sich auf 146 891 verschiedene wissenschaftliche Publikationen bezogen. Im nächsten Schritt trainierten die Forscher ein Computerprogramm anhand einzelner Beispiele darauf, die entsprechenden Textstellen als "objektiv" oder "negativ" einzustufen. Insgesamt filterten die Forscher so mehr als 18 000 kritische Erwähnungen heraus – die allerdings gerade einmal 2,4 Prozent der gesamten Zitationen ausmachten. Die meisten solcher Erwähnungen befanden sich im Ergebnis- oder Diskussionsteil der entsprechenden Arbeiten, etwa wenn Autoren auf Unstimmigkeiten der eigenen Ergebnisse im Vergleich zu denen anderer Untersuchungen hinwiesen oder aber frühere Arbeiten methodisch angriffen. Viel beachtete Paper bekamen dabei logischerweise auch mehr Kritik ab – in aller Regel von Forschern, die ebenfalls gut auf dem entsprechenden Gebiet bewandert waren. Waren zwei Wissenschaftler an Institutionen tätig, die geografisch nah beieinanderliegen, war die Chance dagegen wesentlich geringer, dass einer die Ergebnisse des anderen hinterfragte. Klar: "Man will schließlich niemanden kritisieren, dem man auf dem Uni-Campus über den Weg laufen könnte", erklärt Mitautor Alexander Oettl.

Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten wäre es sicherlich wünschenswert, dass Forscher die Ergebnisse ihrer Kollegen häufiger in ihren eigenen Arbeiten kritisch hinterfragen, meinen Catalini und seine Kollegen. Andererseits dürfe man auch nicht vergessen, dass Forscher oft auch schon im Lauf des Publikationsprozesses viel kritisches Feedback bekämen. Als Nächstes wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob sich der Trend auf dem "Journal of Immunology" auch auf andere Fachmagazine und Fachdisziplinen übertragen lässt.

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