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News: Forscher tricksen die Augen aus

Da unsere Augen immer nur momentane Eindrücke unserer
Umgebung aufnehmen können, ist es Aufgabe des Gehirns, diese
Einzelbilder wieder zusammen zu setzen. Wie dieser Prozess
funktioniert und welche Informationen das Gehirn dafür benötigt,
haben deutsche Wissenschaftler nun herausgefunden: Durch ihre
Experimente ist es ihnen gelungen, die Wahrnehmung zu überlisten
und dem Gehirn auf die Spur zu kommen. Es existiert eine verzerrte
Wahrnehmung durch die Blicksprünge, die unsere Augen machen,
damit der räumliche Eindruck entsteht: Der Raum erscheint
geschrumpft oder verschoben.
Ohne Augenbewegungen ist räumliches Sehen unmöglich: Auf einen Blick können wir in einem Text z. B. höchstens ein einzelnes Wort lesen. Damit ein räumlicher Eindruck entsteht, machen unsere Augen darum Blicksprünge, und zwar mehr als zwei pro Sekunde, das heißt öfter als das Herz schlägt. Dadurch entsteht eine Abfolge von Einzelbildern, die das Gehirn zu einem Gesamteindruck verbindet. Wie aber gelingt es ihm, die räumliche Position von aktuell betrachteten Objekten mit der von zuvor betrachteten zu verknüpfen?

Es muss dazu entweder genau wissen, wie die Bewegung der Augen dazwischen war, also in welche Richtung sie vorher und nachher geschaut haben und wie groß der Blicksprung war, oder es muss korrespondierende Punkte im Raum kennen, die sowohl vor als auch nach dem Sprung zu sehen sind. Da die Raumwahrnehmung normalerweise reibungslos funktioniert, haben sich die Forscher der Ruhr-Universität Bochum Tricks einfallen lassen, um die beiden Informationsquellen getrennt voneinander zu untersuchen. Markus Lappe, Holger Awater und Bart Krekelberg vom Lehrstuhl für allgemeine Zoologie und Neurobiologie der Ruhr-Universität Bochum tüftelten eine Reihe von Experimenten aus, die das ermöglichten: Ließen sie z. B. einen Punkt im Raum für nur acht Tausendstel Sekunden aufblitzen, täuscht sich das Gehirn – der Blitz scheint für den Betrachter aus einer anderen Richtung als der tatsächlichen zu kommen: Der Punkt scheint in die Richtung der Blickbewegung verschoben zu sein. Das beweist, dass sich schon kurz vor einer Augenbewegung die Positionen des Raumbildes verschieben. Lässt man mehrere Punkte nacheinander aufblitzen, scheinen sie näher aneinander zu liegen als in Wirklichkeit – der Raum erscheint geschrumpft.

Verschiebung und Schrumpfung haben unterschiedliche Ursachen: Während die Verschiebung durch eine Vorwegnahme der veränderten Augenstellung entsteht, geht die wahrgenommene Raumschrumpfung auf eine fehlerhafte Zuordnung der Blitzposition zu anderen sichtbaren Raumpunkten zurück. Die Wissenschaftler konnten dies beweisen, indem sie den Augen der Testpersonen nach einem ersten Blitz-Experiment, das komplett im Dunklen stattfand, in einem zweiten Experiment Referenzpunkte auf einem erleuchteten Bildschirm anboten. Im ersten Fall ergibt sich eine gleichmäßige Verschiebung der wahrgenommenen Blitzrichtung. Nur im zweiten Fall erscheint der Raum geschrumpft – was zeigt, dass diese optischen Anker eine wichtige Rolle für die konstante Raumwahrnehmung spielen.

Überraschend ist das Ergebnis, dass wir in der Lage sind, "rückwärts" zu sehen: Sitzt der Proband zunächst im Dunklen, und man schaltet die Referenzpunkte am Bildschirm erst während des Blicksprungs ein, tritt der Raumschrumpfungseffekt unvermindert ein. Obwohl der Blitz zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen ist, beeinflussen die Referenzpunkte seine wahrgenommene Position im Nachhinein. Referenzpunkte vor dem Blicksprung haben keine Auswirkung auf die Wahrnehmung (Nature, Ausgabe vom 24. Februar 2000).

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