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Astronomie: Forscher will Erde in riesiges Teleskop verwandeln

Große Teleskope sind wichtig für die Astronomie, aber sie werden immer teurer. Ein US-Astrophysiker schlägt nun eine Alternative zu immer größeren Geräten vor: Man könnte die Erde selbst als riesige Linse benutzen.
Erde als riesige Linse

Ein US-amerikanischer Forscher sorgt mit einem kühnen Vorschlag für Aufsehen: Man könne die Erdatmosphäre in eine riesige Linse verwandeln, die Licht bündelt, schreibt David Kipping in einem Online-Aufsatz. Zusammen mit einem gewöhnlichen Weltraumteleskop, das in großem Abstand von der Erde im All schwebt, ließen sich so weit entfernte Objekte extrem stark vergrößern.

Kipping ist Assistenzprofessor an der New Yorker Columbia University und hat sich unter anderem bei der Suche nach etwaigen Monden um Exoplaneten einen Namen gemacht hat. Die Forschungsdisziplin ist langfristig auf riesige Teleskope angewiesen, da nur sie das extrem schwache Streulicht erdgroßer Welten in vielen Lichtjahren Entfernung nachweisen können. Die hohen Kosten aktueller Großteleskope zeige jedoch, dass noch größere Instrumente einen schweren Stand haben werden, schreibt Kipping in seinem Paper.

Sein »Terrascope« hingegen könnte deutlich preiswerter sein. Die Idee basiert darauf, dass die Luft der Erdatmosphäre Lichtstrahlen geringfügig umlenkt. Der Effekt sorgt beispielsweise dafür, dass die untergehende Sonne in Wahrheit einen halben Winkelgrad tiefer steht, als sie am Abendhimmel erscheint. Wenn Licht die gesamte Erdatmosphäre durchlaufe, werde seine Bahn etwa doppelt so stark geknickt, also um ein Grad, rechnet Kipping vor.

Das Licht einer fernen Quelle werde somit von der ringförmigen Lufthülle der Erde leicht gebündelt und falle irgendwo weit hinter der Erde in eine stark ausgedehnte Brennebene. Kipping schätzt auf Basis von Computersimulationen, dass diese Region in 326 000 Kilometern Entfernung beginne, das entspricht 85 Prozent des Abstands Erde-Mond. Platziere man dort ein Ein-Meter-Weltraumteleskop, könne es ein sehr weit entferntes Objekt 20 000-fach vergrößern. Noch besser würde es jedoch in 1,5 Millionen Kilometern abschneiden, da dorthin nur Licht hinfällt, das die Atmosphäre in einer Höhe von mehr als 14 Kilometern, also oberhalb der Wolkendecke passiert hat.

Insgesamt könne das Terrascope so viel Licht auffangen wie ein 150-Meter-Teleskop, schätzt Kipping. Zum Vergleich: Der Spiegel des Hubble-Weltraumteleskops misst gerade einmal 2,4 Meter. Die erdgroße Linse würde allerdings deutlich weniger schöne Bilder liefern als Hubble, da die Erdatmosphäre alles andere als ein ruhiges, homogenes Medium ist – und auch Lichtteilchen aus anderen Quellen streut. Das Konzept dürfte damit in erster Linie dafür gut sein, extrem lichtschwache Objekte wie beispielsweise kleine Exoplaneten oder Asteroiden aufzuspüren.

Andere Astrophysiker nehmen die Idee bisher mit Interesse, aber auch mit Skepsis auf. Es handle sich um ein interessantes Gedankenexperiment, man müsse jedoch noch viele Details durchdenken, sagte beispielsweise Bruce Macintosh von der Stanford University dem Wissenschaftsmagazin »Science«. Ob Kippings Vorschlag wirklich realistisch und sinnvoll ist, muss sich also noch zeigen.

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