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News: Forschung mit den schnellsten 'Kameras'

Im Berliner Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) ist es gelungen, den ultraschnellen Zerfall eines optisch angeregten Wassermoleküls in ein Wasserstoffatom und ein OH-Radikal mit einer 'Laserkamera' zu verfolgen. Das MBI-Team um Prof. Wolfgang Radloff hat dabei eine Reaktionszeit von weniger als 20 Femtosekunden gemessen. Damit wurden frühere theoretische Arbeiten überzeugend bestätigt.
Wie kurz die dazu erforderlichen Belichtungszeiten sind, mag ein Vergleich verdeutlichen: Setzt man eine Femtosekunde zu einer "normalen" Sekunde in Beziehung, so entspricht das dem Verhältnis von einer Sekunde zu 32 Millionen Jahren.

Die Gruppe konnte erstmals auch eine sogenannte Harpunen-Reaktion in einem Metallatom-Molekülkomplex, ausgelöst durch einen ultraschnellen Elektronensprung, auf der Femtosekunden-Zeitskala verfolgen. Wie mit einer Harpune fängt dabei das Metallatom (Ba) mit Hilfe des Elektrons und dessen elektrischer Ladung aus einem benachbarten Molekül (FCH3) ein Fluoratom (F) heraus und bildet so eine neue Verbindung, das Bariumfluorid (BaF). Da die Reaktion erst abläuft, wenn man das Elektron mit einem extrem kurzen Lichtimpuls anregt, ist der Startzeitpunkt der Reaktion exakt definiert. Man braucht dann nur – wie mit einem Stroboskop – das Reaktionsprodukt mit einem zweiten Lichtblitz zu beleuchten, um seine Entstehung zu "filmen". Dabei zeigte sich, daß diese Harpunen-Reaktion etwa 250 Femtosekunden dauert. Dies entspricht dem 2,5 millionsten Teil einer zehnmillionstel Sekunde. (Zum Verständnis: Licht, das in einer Sekunde den Weg von der Erde bis zum Mond zurücklegt, würde in 100 Femtosekunden gerade eine Haaresbreite durchqueren.)

Entscheidend für diesen Fortschritt war die Erzeugung von extrem kurzen Laserimpulsen variabler Farbe, insbesondere im tief-ultravioletten Spektralbereich des Lichts. Im Bereich "Cluster und Grenzflächen" des Max-Born-Instituts (Leitung Prof. Dr. Ingolf Hertel) werden solche ultraschnellen Kameras zur Aufklärung von chemischen Elementarprozessen eingesetzt, die unter anderem für die Materialforschung und die Katalyse von Bedeutung sind. Dies erfolgt zumeist in Vakuumkammern, in denen die Moleküle in gasförmigen Molekularstrahlen ohne störende Einflüsse der Umgebung, etwa Stöße von anderen Partikeln, untersucht werden. Auch größere organische Moleküle, dünne Filme oder leitfähige Polymere werden so erforscht.

Über den Erkenntnisgewinn hinaus bietet diese so genannte Femtochemie auch die Chance, in den nunmehr bekannten Prozeßablauf zum geeigneten Zeitpunkt einzugreifen, um ihn in eine gewünschte Richtung zu steuern. Langfristig, so hofft man, könnten auf diese Weise komplizierte chemische Reaktionen gezielt ausgelöst werden, die auf anderem Wege nicht ablaufen. Für sehr spezielle und teure Chemikalien könnte dies zu effizienten Herstellungsverfahren führen.

Als einem der Ersten gelang es Ende der achtziger Jahre Prof. A. H. Zewail vom California Institute of Technology (Pasadena, USA), derartig schnelle Vorgänge abzubilden. Damit stieß er das Tor zur Femtochemie auf, wofür ihm der diesjährige Chemie-Nobelpreis zugesprochen wurde.

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