Klimawandel: Forschungsbericht sieht ersten Klima-Kipppunkt erreicht

Mit dem weltweiten Absterben der Warmwasser-Korallenriffe hat die Erde den ersten Klima-Kipppunkt erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt der internationale Forschungsbericht »Global Tipping Points Report 2025«. Damit sei die Welt in eine neue Realität eingetreten, heißt es in dem Bericht, den 160 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 87 Institutionen in 23 Ländern verfasst haben.
Als »Kipppunkt« (Tipping Point) gilt in der Klimaforschung ein kritischer Schwellenwert, dessen Überschreiten dazu führt, dass ein Teil des Erdsystems in einen neuen Zustand kippt – oft unumkehrbar. Zu den Klima-Kippunkten gehören der Verlust des arktischen Meereises, das Abschmelzen der grönländischen und antarktischen Eisschilde, das Absterben des Amazonasregenwalds und das großflächige Auftauen von Permafrostregionen. Fachleute warnen seit Jahrzehnten davor, solche Schwellen zu überschreiten, da gravierende und weltweite Folgen drohen.
Der »Global Tipping Points Report 2025« stellt fest, dass die Warmwasserkorallenriffe – von denen ein Viertel aller Meereslebewesen sowie fast eine Milliarde Menschen abhängen – ihren Kipppunkt erreicht haben. Diese Strukturen würden weitverbreitet absterben, heißt es. Der wichtigste Faktor dabei sind Korallenbleichen. Bei hohen Wassertemperaturen stoßen die Korallen ihre lebenswichtigen symbiotischen Algen aus, die sie mit Nährstoffen versorgen. Ein Teil der Korallen stirbt dadurch ab. Durch die immer höheren Wassertemperaturen treten diese Korallenbleichen inzwischen sehr häufig auf, zum Teil sogar jährlich; gleichzeitig überwuchern Algen abgestorbene Bereiche des Riffs und verschlechtern die Bedingungen für nachwachsende Korallen. Wasserverschmutzung und Überfischung begünstigen die Algen zusätzlich.
Ab einer Temperaturschwelle von schätzungsweise 1,2 Grad globaler Erwärmung verglichen mit dem vorindustriellen Referenzzeitraum können die Riffe diese Verluste wegen der höheren Sterblichkeit durch Korallenbleichen und geringerer Wiederbesiedelung durch neue Korallen nicht mehr wettmachen. Das Riff verwandelt sich in ein von Algen dominiertes, weit weniger artenreiches Ökosystem. Mit der bereits erreichten globalen Erwärmung von rund 1,4 Grad sehen die Fachleute die Grenze zu dieser sich selbst beschleunigenden Riffzerstörung überschritten. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich die menschengemachte Erderwärmung künftig bei 1,5 Grad stabilisieren lasse, sei ein weitreichender Verlust dieser Ökosysteme praktisch sicher.
Der Bericht warnt davor, dass die Erde sich weiteren Kipppunkten nähere. Dazu gehöre ein großflächiges Absterben des Amazonasregenwalds, der von klimabedingt veränderten Niederschlagsmustern und Abholzung bedroht ist. Die Schwelle, ab der ein weitgehender Verlust dieses Ökosystems drohe, sei niedriger als bislang angenommen. Das untere Ende des Bereichs, ab dem der Regenwald kippen könnte, liege bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad, die beinahe erreicht seien.
Die Atlantische Umwälzströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) wiederum drohe bei einer globalen Erwärmung von unter zwei Grad zusammenzubrechen. Zu den Folgen könnten härtere Winter in Nordwesteuropa und verringerte landwirtschaftliche Erträge in weiten Teilen der Welt gehören.
Seit ihrem letzten Report vor zwei Jahren sehen die Fachleute auch Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit. »In einigen Bereichen hat es eine radikale globale Beschleunigung gegeben, etwa bei der Verbreitung von Solarenergie und Elektrofahrzeugen«, sagte Tim Lenton von der University of Exeter, der Hauptautor des Reports. Auch Windkraft, Batteriespeicher und Wärmepumpen würden vermehrt genutzt. Doch die derzeitigen politischen Maßnahmen und Entscheidungsprozesse reichten nicht aus, um adäquat auf die weltweite Entwicklung zu reagieren. Die Treibhausgasemissionen müssten weltweit schneller reduziert werden, um den anthropogenen Klimawandel zu bremsen und ein Überschreiten von Kippunkten zu vermeiden. (mit Material der dpa)
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