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Extremwetter: Fort McMurray: Warum brennen die Wälder Kanadas?

Zehntausende mussten vor dem riesigen Feuer von Fort McMurray fliehen. Waldbrände gehören hier zum Ökosystem, aber ihre Ausmaße nehmen durch menschliche Einflüsse zu.
Waldbrand in Nordamerika (Symbolbild)

Mehrere zehntausend Menschen mussten in den vergangenen Tagen ihre Häuser in und um Fort McMurray in der kanadischen Provinz Alberta verlassen, mindestens 1600 Gebäude wurden bereits ein Raub der Flammen. Und noch immer ist der Waldbrand rund um das Erdölzentrum nicht unter Kontrolle, so die regionalen Behörden.

Begünstigt wurde das Feuer von den extremen Wetterbedingungen in diesem Frühjahr: Außergewöhnlich zeitig erreichten die Temperaturen in Alberta Höchstwerte von mehr als 30 Grad Celsius – über 20 Grad Celsius mehr als für Ende April, Anfang Mai üblich. Dazu kamen starke Winde, welche die Brände immer wieder anfachten. Das Feuer galt sogar bereits unter Kontrolle, doch drehte dann der Wind und trieb die Flammen Richtung bewohntes Gebiet.

El Niño und Klimawandel

Bereits der Winter war überdurchschnittlich mild und trocken, was mit dem mittlerweile abgeflauten El Niño zu tun hat: Er wirkt sich in diesem Teil der Erde durch verringerte Niederschläge und erhöhte Temperaturen aus. Nach dem letzten so genannten Super-Niño 1997/98 erlebte Kanadas Westen eine besonders heftige Waldbrandsaison, was dieses Jahr wenig Gutes erwarten lässt.

Die Wetteranomalie ist aber nur ein Grund, warum sich Waldbrände in Kanadas borealen Nadelwäldern häufen und heftiger werden, auch die Erderwärmung spielt eine wichtige Rolle. Steigende Durchschnittstemperaturen haben dafür gesorgt, dass sich die Feuersaison seit den 1970er Jahren verlängert hat. Sie beginnt mittlerweile einen Monat früher als vor 40 Jahren. In Alaska dauert sie sogar 40 Prozent länger als beispielsweise 1950.

Eine Studie in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" hat 2013 zudem gezeigt, dass die borealen Nadelwälder Kanadas, Alaskas und Russlands heute in so hohen Raten brennen, wie es seit Ende der letzten Eiszeit nicht der Fall war. Um eine durchschnittliche Erwärmung um ein Grad Celsius zu kompensieren, müssten in der Region die Niederschläge um 15 Prozent zunehmen, haben Wissenschaftler um Mike Flannigan von der University of Alberta kalkuliert. Diese Zunahme hat aber noch nicht stattgefunden.

Kontraproduktive Feuerpolitik

Wetter und Klima sind jedoch nicht die einzigen Faktoren, welche Waldbrände in den Nadelwäldern der Region beeinflussen. Feuer bilden hier einen natürlichen Bestandteil des Ökosystems und kehren regelmäßig wieder. Früher wurden sie vor allem durch Blitze ausgelöst, und sie verwandelten totes Pflanzenmaterial in erneut verfügbare Nährstoffe um. Zugleich schaffen die Flammen Platz für junge Bäume, die den abgebrannten Altbestand ersetzen und erneuern. Viele Pflanzenarten sind daran angepasst und haben entweder Schutzmechanismen entwickelt oder setzen darauf, dass ihre Samen rasch keimen, sobald das Feuer abgeklungen ist.

In Alberta brennen die Nadelwälder im Schnitt alle 50 bis 200 Jahre. Das sorgt auch dafür, dass sich im Unterholz relativ wenig Brennstoff ansammelt, weil dieser durch die Flammen verzehrt wird. Meist fegen dann nur leichte Oberflächenbrände durchs Unterholz, die durch ihre Rinde geschützte Bäume kaum angreifen. Gleichzeitig entsteht ein Mosaik aus älteren und jüngeren Beständen, die ebenfalls wegen der unterschiedlichen Mengen an Brennmaterial auch unterschiedlich feueranfällig sind. Sie bilden natürliche Brandschneisen.

Wie in vielen Teilen Nordamerikas üblich wurden natürliche Feuer in der Provinz jedoch seit Jahrzehnten bekämpft und so auf sehr kleine Flächen konzentriert. Im normalerweise daran angepassten Ökosystem konnten sich deshalb riesige Mengen an Brennmaterial in Form von Totholz, Nadeln und Unterwuchs ansammeln. Durch Brandstiftung, versehentlich ausgelöste Feuer oder Blitzschlag entfachte Brände rasen durch das ausgetrocknete Material wie durch eine Zündholzschachtel. Es entstehen sehr heiße Feuer, die letztlich den gesamten Baum erfassen und sich als Kronenfeuer verheerend ausbreiten können.

Nur durch intensiven Einsatz von Mensch und Material und mit Hilfe vorteilhafter Wetterbedingungen – sinkender Temperaturen, abflauender Winde oder Regen – lassen sie sich noch eindämmen und ersticken. Während zahlreiche Feuerwehrleute den Brand rund um Fort McMurray bekämpfen, machen ihnen Meteorologen wenig Hoffnung: Es soll weiterhin warm bleiben und frühestens nächste Woche regnen.

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