Direkt zum Inhalt

Fossile Biomarker: Urfette enttarnen Lebewesen einer früheren Welt

In uralten Gesteinen wurden Steroide gefunden, die darauf hindeuten, dass Vorfahren der Eukaryoten bereits vor etwa 1,6 bis 0,8 Milliarden Jahren lebten.
Künstlerische Darstellung einer Ansammlung ursprünglicher eukaryotischer Organismen auf dem Meeresboden.
Illustration einer Ansammlung ursprünglicher eukaryotischer Organismen auf dem Meeresboden.

Bakterien, Archaeen und Eukaryoten: In diese drei Domänen teilt man traditionell das Leben auf der Erde ein. Mehrzellige Organismen wie Pflanzen, Pilze und Tiere, die komplexere Zellen mit einem echten Zellkern besitzen, zählen zu den Eukaryoten. Doch wann lebten die ersten eukaryotischen Lebewesen auf der Welt? Die ältesten Mikrofossilienfunde stammen aus etwa 1,5 Milliarden Jahre alten Gesteinen aus Australien und wurden mit mikropaläontologischen Untersuchungen als Überreste von Algen identifiziert. Biochemische Analysen gestalten sich als weitaus schwieriger. Mit ihnen konnte bislang nur nachgewiesen werden, dass Vorfahren von Eukaryoten vor rund 1000 bis 800 Millionen Jahren lebten.

Ein internationales Forscherteam hat in bis zu 1,64 Milliarden Jahre alten Gesteinsproben aus Australien und anderen Ländern der Welt nach fossilen Biomarkern gesucht und dabei Ursteroide entdeckt. Diese so genannten Protosteroide deuten auf eine ganze Reihe bisher unbekannter eukaryotischer Organismen hin, die in aquatischen Umgebungen vor 1,6 bis 0,8 Milliarden Jahren lebten, wie die Forscher in ihrer Veröffentlichung in »Nature« zeigen.

»Fast alle Eukaryoten erzeugen Steroide, wie etwa Cholesterin, das von Menschen und den meisten anderen Tieren produziert wird«, erklärt Benjamin Nettersheim von der Universität Bremen, einer der Erstautoren der Studie. »Diese Lipidmoleküle sind integraler Bestandteil der eukaryotischen Zellmembranen, wo sie eine Vielzahl physiologischer Funktionen erfüllen. Durch die Suche nach fossilen Steroiden in alten Ablagerungen können wir die Entwicklung von immer komplexerem Leben nachvollziehen«, sagt der Forscher.

Aber wie findet man solche Moleküle in alten Gesteinen? »Wir haben eine Kombination von Techniken angewandt, um verschiedene moderne Steroide zunächst in ihr fossiles Äquivalent umzuwandeln; andernfalls hätten wir gar nicht gewusst, wonach wir suchen sollten«, erklärt Jochen Brocks, Professor an der Australian National University, ebenfalls Erstautor der Veröffentlichung. Forschende hätten diese Moleküle jahrzehntelang übersehen, weil sie nicht in das typische Raster der Molekülsuche passen. »Sobald wir unser Ziel kannten, entdeckten wir, dass Dutzende anderer Gesteine, die aus Milliarden Jahre alten Gewässern auf der ganzen Welt stammen, mit ähnlichen fossilen Molekülen übersät waren«, sagt Brocks.

Die entdeckten Protosteroide deuten also darauf hin, dass Vorfahren der heutigen Eukaryoten vor viel längerer Zeit weiter verbreitet gewesen waren, als frühere biochemische Beweise vermuten ließen. Die Organismen unterschieden sich laut den Autoren von den eukaryotischen Lebewesen, wie wir sie heute kennen, durch ihren Zellaufbau und womöglich auch durch ihren Stoffwechsel. Dieser war an eine Welt angepasst, die weit weniger Sauerstoff in der Atmosphäre aufwies als heute.

Die ältesten Proben mit dem Biomarker kommen aus der Barney-Creek-Formation in Australien und sind 1,64 Milliarden Jahre alt. In den Gesteinsschichten der folgenden 800 Millionen Jahre finden sich nur fossile Moleküle von Ureukaryoten, bevor molekulare Signaturen moderner Eukaryoten erstmals in der so genannten Tonium-Periode auftreten. Laut Nettersheim »erweist sich die Tonium-Transformation als einer der tiefgreifendsten ökologischen Wendepunkte in der Geschichte unseres Planeten«. In jener Zeit wurde die Erdatmosphäre zunehmend mit Sauerstoff angereichert – einem Stoffwechselprodukt der Zyanobakterien und der ersten eukaryotischen Algen, das für viele andere Organismen giftig war. Zudem kam es später zu globalen Vereisungen und die Protosterol-Gemeinschaften starben weitgehend aus. Die Nachkommen waren wahrscheinlich besser in der Lage, Hitze und Kälte sowie UV-Strahlung zu überleben, und verdrängten ihre ursprünglichen Verwandten.

Das Besondere an der Entdeckung sei allerdings nicht nur der viel früher zu datierende molekulare Nachweis von Eukaryoten, sagt Christian Hallmann, ebenfalls Autor der Studie. »Da der letzte gemeinsame Vorfahre aller modernen Eukaryoten, einschließlich des Menschen, wahrscheinlich in der Lage war, ›normale‹ moderne Sterine zu produzieren, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Eukaryoten, die für diese seltenen Signaturen verantwortlich sind, zum Stamm des evolutionären Baums gehörten«, sagt der Forscher vom Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ.

Dieser »Stamm« stellt die gemeinsame Linie derjenigen Organismen dar, die Vorfahren aller heute lebenden Zweige der Eukaryoten waren. Ihre Vertreter sind längst ausgestorben, doch weitere Untersuchungen über ihre Natur könnten Aufschluss darüber geben, wie komplexes Leben einst entstand, so die Forscher.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.