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News: Fossile Thermometer

Treibhausgase wie das Kohlendioxid haben in der Erdgeschichte mehrfach zu extrem warmen Zeiten geführt - das lässt sich insbesondere anhand der Sauerstoffisotopen rekonstruieren. Allerdings zeigt sich dabei, dass sich das Klima in den hohen Breiten offenbar viel kräftiger erwärmte als in den Tropen. Irrtum, meinen Forscher jetzt und verweisen auf die nachträgliche Veränderung der Proben.
Globoquadrina
In den kommenden Jahrzehnten wird es auf der Erde deutlich wärmer werden, wofür vor allem der Kohlendioxidanstieg in der Atmosphäre verantwortlich ist. Forscher schätzen, dass sich die CO2-Konzentrationen wohl versechsfachen werden. Extreme Treibhausbedingungen herrschten beispielsweise auch während der oberen Kreide und dem Eozän, weshalb die Gesteine aus diesen Zeiten für die Klimaforscher besonders interessant sind.

Die besten Hinweise auf die Temperaturen früherer Zeiten finden sich in den kalkigen Schalen winzigen Planktons. Die Foraminiferen leben in den oberflächennahen Schichten der Meere und konservieren in ihren Carbonatgehäusen die Zusammensetzung der Sauerstoffisotope in ihrer Umgebung. Und diese Zusammensetzung ist überaus temperaturabhängig. Je nachdem, wie warm es ist, verändert sich das Verhältniss des schweren 18O-Isotops zu dem leichten 16O; ein Zusammenhang, der sich in der Sauerstoffisotopen-Verteilung des Calcits widerspiegelt, aus dem die Foraminiferen ihre Schalen bauen.

Wenngleich niemand an diesen fossilen Thermometern zweifelt, so ergab sich in der Vergangenheit dennoch regelmäßig ein merkwürdiges Bild. In der oberen Kreide und im Eozän stiegen die Temperaturen zwar kräftig an, doch taten sie dies offenbar nur in den höheren Breiten. In den Tropen wurde es indes nur wenig wärmer, oder es war im Vergleich zu heute sogar kühler. Ein solches Szenario ist jedoch kaum vorstellbar. Es gibt keinen Grund, warum sich die Erde derart unterschiedlich erwärmen sollte. Einen Ausweg aus dieser paradoxen Situation hat bislang niemand gefunden - selbst mit den ausgefeiltesten Klimamodellen nicht.

Auch Paul Pearson von der University of Bristol und seine Mitarbeiter zweifeln nicht an der Isotopenmethode, allerdings erkannten sie, wie schrecklich unpräzise die fossilen Thermometer sein können. Wenn jene Foraminiferen nämlich absterben, sinken sie aus ihrem warmen Lebensraum in die Tiefe, wo es durchaus zehn bis 30 Grad kühler sein kann. Und das hat Folgen für die Kalkschalen.

Denn kaltes Wasser löst mehr Kalk, ergo korrodieren die Schalen, was man unter dem Mirkoskop leicht erkennen kann. Dies ist an sich noch kein Problem, denn die Isotopenverhältnisse in den Gehäusen verändern sich dadurch nicht.

Doch dabei bleibt es nicht, schließlich geraten die Schalen im Laufe der Zeit in tiefere Sedimentschichten, wo sich die chemischen Gleichgewichte so verschieben, dass Calcit gebildet wird und die Isotopenzusammensetzung der Gehäuse vollkommen verändern - eine, die nun die kühleren Temperaturen in der Tiefe konserviert.

Pearson hatte mit seinen Kollegen die 70 beziehungsweise 50 Millionen Jahre alten Proben handverlesen und einige wenige, dem mikroskopischen Anschein nach bestens erhaltene Foraminiferen herausgeklaubt: ohne Anzeichen auf Korrosion oder Rekristallisation.

Und tatsächlich rückten die Sauerstoffisotopen-Verhältnisse in diesen Proben das schiefe Bild zurecht. Auch in den tropischen Ozeanen stiegen die Temperaturen, und zwar bis auf 28 bis 32 Grad Celsius - heute liegen die Temperaturen hier nur zwischen 15 und 20 Grad Celsius. Mit einem Mal ist das Bild wieder stimmig und passt auch zu anderen Beobachtungen, die auf kräftig steigende Temperaturen in den Tropen weisen - zum Beispiel die Ausbreitung der Korallen nach Norden und Süden.

Für die Klimaforscher hat dies weitreichende Folgen. Vermutlich sind nun alle bislang veröffentlichten Ergebnisse zu überdenken. Jedenfalls wird man in Zukunft bei der Anwendung des 18O/16O-Thermometers sehr viel mehr Sorgfalt walten lassen müssen. Und zahlreiche Modellierer haben sich zehn Jahre lang umsonst den Kopf zerbrochen.

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