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Fotosäuren: Treibhausgas-Entfernung mit Licht

Spezielle lichtempfindliche Moleküle könnten helfen, CO2 aus der Luft zu filtern: Dank ihnen kann eine Lösung das Gas quasi auf Knopfdruck aufnehmen oder abgeben.
Lichtstrahlen durchbrechen die Wasseroberfläche und beleuchten sie. innen schwimmen kleine Partikel
Mit Licht und bestimmten lichtempfindlichen Säuren lässt sich steuern, ob eine wässrige Lösung Kohlenstoffdioxid aufnimmt oder abgibt.

Kohlenstoffdioxid aus der Luft zu entfernen, ist gar nicht so einfach: Erst einmal muss man den Stoff von den anderen Gasen in der Atmosphäre trennen. Weil er nur einen winzigen Bruchteil der Luft ausmacht, benutzt man dazu Substanzen, die ganz gezielt nur CO2 binden. Das Problem: Anschließend muss man es aus dem festen oder flüssigen Absorber wieder herausbekommen. Und das ist ein ziemlicher Aufwand.

Weltweit gibt es deswegen bislang nur eine Einrichtung, die Kohlenstoffdioxid direkt aus der Atmosphäre entfernt. Die Anlage der Firma Climeworks im isländischen Hellisheidi saugt Luft durch große Pumpen an und leitet sie über Filter, an dem die CO2-Moleküle haften bleiben. Ist ein Filter voll mit CO2, muss man ihn jedoch auf zirka 100 Grad Celsius erhitzt, so dass das CO2 wieder gasförmig wird. Das Gas wird eingefangen und unterirdisch eingelagert. Es erfordert allerdings viel Energie, die Filter zu erhitzen, um das CO2 freizusetzen, und anschließend für den nächsten Gebrauch wieder abzukühlen. Daher sind Fachleute weltweit auf der Suche nach anderen Methoden.

Ein Forscherteam von der ETH Zürich hat nun ein Verfahren entwickelt, mit Hilfe von Licht und bestimmten Substanzen quasi auf Knopfdruck zu steuern, wann eine Flüssigkeit CO2 aufnimmt oder abgibt. Wie sich Kohlenstoffdioxid in Wasser löst, hängt nämlich unter anderem davon ab, wie sauer dieses ist: Im Sauren bleibt das CO2-Molekül unangetastet als Gas, das in die Atmosphäre entweicht; im Neutralen und leicht Alkalischen bildet es sehr gut lösliche Hydrogenkarbonate. Der Übergang von der einen in die andere Form ist umkehrbar und lässt sich herbeiführen, indem man die Lösung sauer oder alkalisch macht.

Eine Falle für Kohlenstoffdioxid

Die Züricher Fachleute verwenden dazu den Stoff Merocyanin, eine Fotosäure. Solche Moleküle ändern bei Bestrahlung mit Licht ihre Struktur und geben ein Proton (Wasserstoffion) an die Lösung ab; dadurch wird diese sauer. Schaltet man das Licht wieder aus, findet die umgekehrte Reaktion statt, und die Lösung wird wieder alkalischer. Per Knopfdruck lässt sich so entscheiden, ob die Lösung Kohlenstoffdioxid-Moleküle oder Hydrogenkarbonate enthält.

So entstand eine perfekte Falle für Kohlenstoffdioxid: Leitet man Luft im Dunkeln durch eine alkalische Lösung mit Merocyanin, dann löst sich CO2 und bildet Hydrogenkarbonat. Sobald davon viel entstanden ist, wird das Licht angeschaltet – und innerhalb von Sekunden sprudelt CO2 aus der Lösung, weil sich die Moleküle viel schlechter lösen als die Salze. Das Gas lässt sich auffangen und anschließend einlagern. Weil die Strukturänderungen der Fotosäure umkehrbar sind, lassen sich theoretisch viele solcher Zyklen nacheinander schalten.

Fotosäuren sind zwar schon lange für solche Anwendungen in der Diskussion, doch in der Praxis zeigte sich stets ein Problem: Sie zerfallen in wässriger Lösung schon innerhalb eines Tages. Durchlaufen sie dabei zudem wiederholt den Wechsel zwischen Hell und Dunkel und damit zwischen den unterschiedlichen Molekülformen, verkürzt sich ihre Lebenszeit weiter. Verschiedene Gruppen haben bereits versucht, das Molekül chemisch zu verändern und dadurch stabiler zu machen. Doch länger als 17 Stunden »Arbeitszeit« hielt bislang keine Variante durch.

Gesucht: Ein stabilisierendes Lösungsmittel

Daher gingen die Fachleute nun einen anderen Weg und suchten nach einem Lösungsmittel, in dem die Stoffe möglichst lang intakt bleiben. In wasserfreien organischen Lösungsmitteln, die keine Protonen enthalten, sind sie nämlich stabil – die Reaktion lässt sich dann allerdings nicht umkehren. In Wasser mit 15 Prozent des organischen Lösungsmittels Dimethylsulfoxid (DMSO) fanden die Forschenden jetzt ein Optimum: Darin hielten die Fotosäuren mehr als zwei Wochen lang durch, auch mit wiederholten Hell-dunkel-Zyklen.

Um zu testen, wie gut sich aufgefangenes Kohlenstoffdioxid aus dieser Mischung wieder abtrennen lässt, löste das Team eine definierte Menge Kaliumhydrogenkarbonat darin und schaltete in geplanten Abständen das Licht an und aus. Die Fotosäuren arbeiteten wie geplant; in den hellen Phasen entwich daraus sogar fünfmal so viel CO2 wie aus einer Vergleichslösung ohne DMSO.

Umschalten innerhalb von Minuten bis Sekunden

Dass man das System dazu nicht aufheizen muss, hat neben der Energieeinsparung gleich einen zweiten Effekt: »Interessant an unserem System ist zudem, dass wir innert Sekunden von alkalisch auf sauer und innert Minuten wieder auf alkalisch umschalten können. Wir können also viel schneller zwischen CO2-Abscheidung und -Freisetzung wechseln als in einem temperaturgesteuerten System«, erläutert Erstautorin Anna de Vries laut einer Pressemitteilung der ETH Zürich.

Ob und wie das System praktisch funktionieren könnte, muss sich noch zeigen. Dazu sind noch weitere Versuche nötig, außerdem müssten die Fotosäuren noch stabiler werden, sagt de Vries. Grundsätzlich sei die Umsetzung aber denkbar. Weil Sonnenlicht benötigt werde, könne sie sich Aufbauten »wie ein Fenster oder ein Solarpanel« vorstellen, schreibt de Vries an »spektrum.de«. Weil Sonnenlicht als Antriebskraft dient und die Methode mit Flüssigkeiten arbeitet, sei das Verfahren grundsätzlich sehr gut in einen größeren Maßstab zu übertragen.

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