Pflanzenzucht: C4-Pflanzen für die Welternährung

Mais wird hier zu Lande in der Regel erst Ende April ausgesät, doch schon zwei Monate später sind die Triebe und Blätter größer als bei anderen Feldfrüchten, die einen zeitlichen Vorsprung haben. Warum wächst er so schnell? Mais ist eine C4-Pflanze, während die üblichen Getreide-, Kartoffel-, Rüben-, Bohnensorten sowie viele weitere C3-Gewächse sind. C4-Pflanzen nutzen einen speziellen Fotosyntheseprozess und sind deshalb unter warmen und trockenen Bedingungen erheblich produktiver als C3-Pflanzen. Daher können sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Landwirtschaft an den fortschreitenden Klimawandel anzupassen.
Nur etwa drei Prozent aller Blütenpflanzenarten nutzen den C4-Stoffwechselweg, aber diese verhältnismäßig kleine Anzahl von Spezies ist für rund ein Viertel der weltweiten biogenen Kohlenstofffixierung verantwortlich, schätzen Fachleute. Als biogene Kohlenstofffixierung bezeichnet man die Umwandlung von atmosphärischem Kohlenstoffdioxid (CO2) zu organischer Materie in Pflanzen, Algen und Bakterien. Das CO2 reagiert dabei über die Fotosynthese mit Wasser, wobei Kohlenhydrate sowie Sauerstoff entstehen.
Zuckerrohr, Hirse und Chinaschilf gehören neben Mais zu den bekannteren C4-Pflanzen, die als Nutzpflanzen dienen. Da die Weltbevölkerung in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter wachsen wird, steigt der Bedarf an Nahrungsmitteln. C4-Pflanzen ermöglichen es, durch ihre höhere Produktivität die Ernteerträge auf landwirtschaftlichen Flächen zu verbessern. Zahlreiche Forschungsprojekte zielen deswegen darauf ab, diese Pflanzen stärker in die Agrarproduktion einzubinden.
Mehr Ertrag dank vorgeschalteter Pumpe
Der entscheidende Unterschied zwischen C3- und C4-Pflanzen findet sich ganz zu Beginn des Fotosyntheseprozesses: dann, wenn die Gewächse das CO2 aus der Luft aufnehmen. Bei C3-Pflanzen entsteht dabei als erstes stabiles Molekül eine Verbindung mit drei Kohlenstoffatomen, das so genannte D-3-Phosphoglycerat. Bei C4-Gewächsen hingegen bildet sich als erstes stabiles Produkt ein Molekül mit vier Kohlenstoffatomen, das Oxalazetat. Daraus erklären sich die Bezeichnungen dieser beiden Pflanzengruppen.
C3-Pflanzen binden CO2 mit Hilfe des Enzyms RuBisCO (Ribulose-1,5-bisphosphat-carboxylase/-oxygenase). Das Enzym heftet CO2 an einen Zucker mit fünf Kohlenstoffatomen; dabei entsteht ein instabiles Zwischenprodukt, das dann in zwei Phosphoglycerat-Moleküle mit je drei Kohlenstoffatomen zerfällt. Leider arbeitet die RuBisCO nicht besonders genau: Sie addiert manchmal auch Sauerstoff zu dem Fünffach-Zucker, wobei unter anderem 2-Phosphoglycolat entsteht, das in größeren Mengen giftig ist. Die Pflanze muss das 2-Phosphoglycolat daher entsorgen. Bei diesem Prozess wird CO2 freigesetzt. Die »unerwünschte« Nebenreaktion der RuBisCO verbraucht somit Sauerstoff und gibt CO2 ab – was man sonst von atmenden Tieren kennt. Darum wird sie als »Lichtatmung« oder fachsprachlich »Fotorespiration« bezeichnet.
»Die Lichtatmung setzt etwa ein Drittel der CO2-Menge, die eine Pflanze zunächst gebunden hat, wieder frei«, erläutert Peter Westhoff, Seniorprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der seit Jahrzehnten über Fotosyntheseprozesse forscht. Dieser Vorgang bringt dem Gewächs keinen Nutzen und gilt darum als einer der verschwenderischsten Prozesse auf der Erde. C4-Pflanzen haben einen Weg gefunden, deutlich besser zu haushalten: In ihnen ist die Lichtatmung stark reduziert. Das gelingt, indem die Pflanzen einen CO2-Fixierungsschritt vorschalten, ehe sie den Kohlenstoff an das Enzym RuBisCO weiterreichen. Bei dieser Vorfixierung entsteht Oxalazetat.
In einem Pflanzenblatt sind die Leitbündel (Blattadern) von so genannten Bündelscheidenzellen umgeben. Das übrige Blattgewebe besteht überwiegend aus Mesophyllzellen, die das atmosphärische CO2 binden. Bei C4-Pflanzen bringt die CO2-Fixierung in den Mesophyllzellen Oxalazetat hervor, das anschließend in die Bündelscheidenzellen gelangt. Dort wird das gebundene CO2 wieder freigesetzt – wie genau, unterscheidet sich zwischen den verschiedenen Typen der C4-Pflanzen. Wichtig ist, dass die Vorfixierung von CO2 wie eine vorgeschaltete Pumpe wirkt, die den CO2-Gehalt in den Bündelscheidenzellen nach oben treibt, bis er mehrfach über dem der Umgebungsluft liegt. Infolgedessen bekommt das Enzym RuBisCO ein viel höheres CO2/Sauerstoff-Verhältnis angeboten und verwertet CO2 somit deutlich häufiger – mit dem Ergebnis, dass weniger Lichtatmung auftritt.
Gegen Hitze und Wassermangel gewappnet
Der Vorteil der C4-Pflanzen kommt umso mehr zum Tragen, je heißer und trockener die Umgebung ist. Denn bei Hitze und Trockenheit schließen Pflanzen ihre Spaltöffnungen in den Blättern, um nicht zu viel Wasser zu verlieren. Das schränkt aber den Gasaustausch mit der Umgebung ein und mindert daher die CO2-Aufnahme aus der Luft. Deshalb sinkt die Fotosyntheserate von C3-Pflanzen mit steigenden Umgebungstemperaturen und zunehmender Trockenheit. Bei C4-Pflanzen ist das anders: Deren Vorfixierung nutzt ein Enzym, das CO2 viel stärker bindet als RuBisCO. Darum betreiben C4-Pflanzen auch bei niedrigen CO2-Konzentrationen noch recht effektiv Fotosynthese, und sie müssen ihre Spaltöffnungen dafür nicht so weit offen halten wie C3-Pflanzen. Infolgedessen kommen sie besser mit Trockenheit und Hitze zurecht. Nicht von ungefähr ist der C4-Prozess evolutionär vor allem in tropischen und subtropischen Pflanzen entstanden.
Andererseits steigt heute der CO2-Anteil in der Atmosphäre infolge menschengemachter Emissionen. Dies führt bei C3-Pflanzen zu wachsenden Fotosyntheseraten, weil die CO2-Konzentration im Pflanzengewebe immer weiter nach oben klettert und es seltener zur Lichtatmung kommt. C4-Pflanzen profitieren dagegen nicht von höheren CO2-Werten in der Luft, weil ihr Stoffwechsel auf vorindustrielle CO2-Gehalte optimiert ist, wie eine Studie von 2020 ergeben hat. Damit C3-Pflanzen unterm Strich eine höhere Produktivität als C4-Pflanzen erlangen, müsste die atmosphärische CO2-Konzentration jedoch auf mindestens das Doppelte des heutigen Werts steigen, was wiederum mit einer drastischen zusätzlichen Erwärmung samt aller negativen Folgen für das Pflanzenwachstum – deutlich häufigeren Extremwetterereignissen, kollabierenden Ökosystemen, enorm gesteigerter Bodendegradation und so weiter – einherginge.
Auf den Spuren des Wurzelwachstums
Die Merkmale von C4-Pflanzen versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu nutzen, um Feldfrüchte zu optimieren. Dies war beispielsweise ein Anliegen des kürzlich abgeschlossenen Projekts C4FUTURE. In dessen Rahmen untersuchte ein europäischer Forschungsverbund, wie sich die C4-Nutzpflanzen Mais und Hirse weiter verbessern lassen, so dass sie bei wärmerer Umgebung und vermehrtem Trockenstress höhere Erträge bringen. Einer der beteiligten Experten war Stefan Gerth vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) in Fürth. Mit Hilfe von Röntgenbildgebung verfolgte er das Wurzelwachstum von Mais- und Hirsepflanzen.
»Unsere Leitfrage lautete: Wie kann eine Wurzelarchitektur aussehen, die die beste Aufnahmeeffizienz für Wasser und Nährstoffe zeigt?«, berichtet Gerth. Mittels einer speziellen Klimakammer variierten die Forscher und Forscherinnen die Luftfeuchte, die Temperatur, den CO2-Gehalt in der Luft sowie das Wasserangebot, das den Pflanzen zur Verfügung stand. Dann verfolgten sie, wie die Gewächse darauf reagierten und welche Gene sie unter bestimmten Umgebungsbedingungen aktivierten. Die Erkenntnisse sollen langfristig helfen, einen Zuchtplan zu entwickeln, mit dem sich Feldfrüchte verbessern lassen. Als ideal sehen es die Fachleute dabei an, wenn die Pflanzen eine oder mehrere Primärwurzeln (Pfahlwurzeln) ausbilden, die in tiefere Erdschichten eindringen, zugleich aber auch ein seitlich wachsendes Wurzelwerk entwickeln, das oberflächennahes Wasser auffängt.
Von C3 zu C4
In den 1990er Jahren kam die Idee auf: Könnte man wichtige C3-Nutzpflanzen womöglich zu C4-Gewächsen machen? Dann wäre es theoretisch möglich, den Ertrag einer bestimmten landwirtschaftlichen Fläche um etwa 50 Prozent zu erhöhen. Einer der Vorreiter auf diesem Gebiet war John Sheehy, Leiter einer Forschungsgruppe zu angewandter Fotosynthese am International Rice Research Institute (IRRI, Los Baños, Philippinen). 1999 organisierte er eine Fachdebatte darüber, ob sich Reis, der zu den C3-Pflanzen zählt, zu einem C4-Gewächs weiterentwickeln lässt. Nachdem die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung 2008 eine Zuwendung bewilligt hatte, konnte eine einschlägige Forschungsinitiative namens C4 Rice Project starten.
»Wir dachten anfangs, dass wir an vielleicht zehn Genen etwas würden ändern müssen«, erinnert sich Jane Langdale von der University of Oxford, die das C4 Rice Project heute koordiniert. Die Überlegung dahinter: Die natürliche Evolution hat mehr als 60-mal unabhängig voneinander den C4-Fotosyntheseweg hervorgebracht, und zwar in verschiedenen Pflanzenfamilien – also ist es womöglich nicht so schwer, das nachzumachen. Zudem entdeckten die Wissenschaftler, dass alle am C4-Fotosyntheseweg beteiligten Gene auch in C3-Pflanzen vorkommen, nur dass die von ihnen codierten Proteine dort meist andere Funktionen haben.
Der Düsseldorfer Forscher Peter Westhoff, der bis 2017 am C4 Rice Project beteiligt war, nennt allerdings zwei wesentliche Schritte bei der Evolution der C4-Pflanzen, wodurch diese doch recht deutlich von C3-Pflanzen abweichen. Zum einen gab es Änderungen an den Proteinen selbst. Zum anderen – und das ist für Westhoff bedeutsamer – haben sich die Orte der Genexpression geändert, also die Zellen oder Zellorganellen, in denen ein Gen jeweils abgelesen wird. Das führte beispielsweise dazu, dass RuBisCO bei C4-Pflanzen nur noch in den Bündelscheidenzellen aktiv ist. Zum anderen wird das Enzym, das CO2 bei der vorgeschalteten Fixierung bindet, ausschließlich in den Mesophyllzellen produziert. Weiterhin trennte sich in dieser evolutionären Entwicklung die vorgeschaltete CO2-Pumpe von der nachfolgenden Weiterverarbeitung des Kohlenstoffs in C4-Pflanzen durch Veränderungen in den Promotoren der zugehörigen Gene. Promotoren sind DNA-Regionen, die in der Regel vor einem Gen liegen und dessen Aktivität steuern.
Die Anatomie entscheidet
Zwar gibt es auch in den Blättern der (C3-)Reispflanze Bündelscheidenzellen, doch sie liegen weiter auseinander als in C4-Pflanzen. Es befinden sich deutlich mehr Mesophyllzellen zwischen ihnen, überdies ordnen sie sich anders an. Für C4-Pflanzen typisch ist die so genannte Kranzanatomie, bei der Mesophyllzellen wie ein Kranz um die Bündelscheidenzellen herum liegen. Nur wenige Pflanzen können C4-Fotosynthese ohne Kranzanatomie betreiben, und in C3-Pflanzen ist diese Gewebearchitektur bisher nicht beobachtet worden, berichtet Martin Lercher von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er hält die Kranzanatomie für ein entscheidendes Merkmal von C4-Pflanzen, das den vorgeschalteten CO2-Pumpmechanismus maßgeblich ermöglicht: »Es reicht hierfür nicht aus, die Dichte der Leitbündel zu erhöhen«, fasst er den aktuellen Kenntnisstand zusammen. Wie die Kranzanatomie entsteht, sei aber noch ein Rätsel.
Beim C4 Rice Project ist man dennoch optimistisch, Reispflanzen verbessern zu können – selbst ohne Kranzanatomie. »Modelle legen nahe, dass wir auch ohne eine vollständige anatomische Spezialisierung die Fotosynthese und den Ertrag steigern können«, schrieb 2023 ein beteiligtes Team um Robert Furbank von der Australian National University (Canberra) im Fachjournal »Photosynthesis Research«. Jane Langdale berichtet zudem, dass Maisgene, die in Reispflanzen biotechnisch integriert wurden, eine Ertragssteigerung um 30 bis 40 Prozent bewirkt haben.
Ob es je eine Reispflanze geben wird, die alle typischen Merkmale einer C4-Pflanze besitzt, ist gegenwärtig nicht abzusehen. Doch der Erkenntnisfortschritt aus dem C4 Rice Project ist schon jetzt bedeutsam, weil die Vorgänge bei der Fotosynthese – sowohl bei C4- als auch bei C3-Pflanzen – nun viel detailreicher bekannt sind, als es vor dem Projekt der Fall war. Dies bietet der Forschung mehr Ansatzpunkte, diesen Prozess in Pflanzen zu optimieren.
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