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Infektionskrankheiten: Chikungunya auf dem Vormarsch: Die 7 wichtigsten Fragen

Das Chikungunya-Virus breitet sich aus – auch in Mitteleuropa. Woran liegt das, was bedeutet das für uns, und was kann man dagegen unternehmen?
Nahaufnahme einer schwarz-weiß-gestreiften Tigermücke vor hellem, orangefarbenem Hintergrund
Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) überträgt mehrere Viruskrankheiten, darunter auch das Chikungunyafieber.

Es begann Anfang Juli 2025 mit einem eingeschleppten Fall. Im Lauf des Augusts hatten sich bereits über 5000 Menschen in der chinesischen Stadt Foshan mit dem Chikungunya-Virus infiziert, das durch Mücken weitergegeben wird. Den Anwohnern boten sich teils bizarre Szenen: Soldaten besprühten Grünanlagen und Straßen mit Insektiziden; die Behörden setzten Drohnen ein, um mögliche Brutstätten der Mücken, sogar Gießkannen und Pflanzenkübel, zu identifizieren; die Larven von anderen »Elefantenmücken« sollten die Virusüberträger fressen, ebenso Fische, die man in den städtischen Teichen aussetzte.

Auch außerhalb der Subtropen und Tropen, in denen das Chikungunyafieber ursprünglich vorkommt, könnte es bald solche Szenen geben: Der Klimawandel schafft stetig neue Lebensräume für die Mücken, die das Virus übertragen. So gab es in Europa mit 27 Ausbrüchen in diesem Jahr »so viele wie nie zuvor«, schreibt das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Bis zum 24. September 2025 registrierten die zuständigen Stellen 573 erkrankte Personen in Frankreich und 268 in Italien – die meisten davon hatten sich lokal mit dem Virus angesteckt.

Anfang Juli meldeten die Behörden sogar einen Infektionsfall, der nicht von einer Fernreise mitgebracht wurde, sondern vor Ort in der elsässischen Region Grand Est aufgetreten war – nur einen Katzensprung von der deutschen Grenze entfernt. Damit war auch das hiesige Interesse am bisher unbekannten Chikungunyafieber geweckt.

Was ist das genau für eine Erkrankung und wie bedrohlich ist sie? Welche Mücken übertragen sie und was kann man gegen das Chikungunya-Virus tun? Wir präsentieren Antworten auf die 7 wichtigsten Fragen dazu:

1. Wie gefährlich ist das Chikungunyafieber?

Vier bis acht Tage nach dem Stich der Überträgermücke können Symptome wie Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen, Schüttelfrost und Hautausschlag auftreten. Ein Medikament gegen diese Virusinfektion gibt es nicht. Ärzte raten bei unkomplizierten Fällen vor allem zu Ruhe und empfehlen, ausreichend zu trinken sowie eventuell ein leichtes Schmerzmittel einzunehmen.

Die akute Erkrankung verläuft selten schwer. Die Sterblichkeitsrate ist gering, sie liegt bei 0,024 bis 0,8 Prozent. Das größte Risiko tragen Neugeborene und sehr alte Menschen, vor allem solche mit Herz- oder Nierenerkrankungen.

»Wir nehmen Chikungunya sehr ernst, da es bei den Betroffenen monatelang oder sogar jahrelang zu starken Schmerzen führt«Scott Weaver, Virologe

Was den Fachleuten Sorgen bereitet, sind die möglichen chronischen Folgen des Chikungunyafiebers: »Wir nehmen Chikungunya sehr ernst, da es bei den Betroffenen monatelang oder sogar jahrelang zu starken Schmerzen führt«, sagt der Virologe Scott Weaver vom Galveston National Laboratory in Texas gegenüber der »New York Times«.

Bei knapp der Hälfte der Infizierten werden die Gelenkschmerzen chronisch. Das habe nicht nur individuelle, sondern auch gesellschaftliche Folgen und belaste das Gesundheitssystem und die Wirtschaft, weil die Betroffenen häufig arbeitsunfähig würden, so Weaver. »Es gibt Menschen, die von einem Tag auf den anderen nicht mehr auf einem Telefon tippen, einen Stift halten oder für ihre Familie kochen können«, so die Epidemiologin Diana Rojas Alvarez von der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Nach einem Ausbruch der Krankheit vor 20 Jahren auf der Insel La Réunion im Indischen Ozean, bei dem sich an die 300 000 Menschen, also rund ein Drittel der Bevölkerung, ansteckten, klagte knapp die Hälfte der bei einer Studie befragten Betroffenen neben den Gelenkschmerzen auch über Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue), rund ein Drittel über Antriebslosigkeit und jeder 20. über schwere Depressionen.

2. Was wissen wir über den Erreger?

Die Krankheit wird verursacht durch das Chikungunya-Virus, das erstmals Anfang der 1950er Jahre während eines Ausbruchs im heutigen Tansania isoliert wurde. Der Name Chikungunya leitet sich aus der Sprache der Makonde ab und bedeutet so viel wie »sich verrenken« oder »gebeugt gehen«. Damit deutet er auf die schmerzhaften Symptome der Erkrankung hin. Chikungunya-Viren sind vergleichsweise kleine, behüllte Viren, deren RNA-Erbinformation von einem stabilen Kapsid umgeben ist.

Das Virus kann sich in einer Vielzahl von Körperzellen vermehren, darunter Bindegewebszellen der Gelenke, knochenbildenden Zellen, im Knorpel, Skelettmuskel, in der Leber, Milz und in Blutgefäßzellen. Typisch ist eine starke Virusvermehrung rasch nach der Infektion, die das Blut mit neuen Viruspartikeln überschwemmt. Das erhöht die Chancen für eine Weitergabe durch die Überträgermücke.

3. Welche Mücken übertragen Chikungunya?

Zwei verschiedene Spezies übertragen das Chikungunya-Virus: die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) und die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti). Ob sich eine bestimmte Mückenart als Vektor für eine Erkrankung eignet, hängt auch davon ab, ob sich das Virus im Insekt vermehren kann. Wenn die Mücke bei ihrer Blutmahlzeit zusammen mit ihrer Nahrung die Viren aufnimmt, gelangen diese über den Darm zunächst in die Hämolymphe (eine blutähnliche Körperflüssigkeit). »Nur wenn sich das Virus schließlich in der Speicheldrüse des Insekts vermehren kann, gelingt eine Weitergabe des Virus bei den nächsten Stichen rund sieben Tage später«, erklärt Ruth Müller, Insektenforscherin am Institut für Tropenmedizin im belgischen Antwerpen. Den Mücken selbst scheint es nichts anzuhaben, wenn sich das Virus in ihnen vermehrt. Jedenfalls lässt sich bei ihnen keine verringerte Lebensdauer oder Reproduktionsrate beobachten.

Wichtig für den Transfer ist die richtige Außentemperatur. »Am wirksamsten übertragen werden Arboviren, zu denen das Chikungunya-Virus gehört, bei mittleren Temperaturen, bei denen sowohl Mücke als auch Virus optimal funktionieren«, sagt Müller. In den Mücken vermehre sich das Virus nur, wenn die Enzyme der Wirtszellen aktiv genug seien, bei Kälte gehe das kaum. Doch zu heiß darf es auch nicht sein. »Bei Hitze werden Virusproteine instabil oder die Mücke überlebt nicht lange genug«, erläutert die Insektenforscherin.

»Die Gelbfiebermücke wartet schon an den Rändern des Schwarzen Meeres und könnte sich in Europa ausbreiten, wenn die Temperaturen weiter steigen«Ruth Müller, Insektenforscherin

Die bei uns heimischen Stechmücken wie die Gemeine Stechmücke (Culex pipiens) können das Chikungunya-Virus nicht übertragen. Anders sieht es beim West-Nil-Virus aus, das ursprünglich ebenfalls nur in den Tropen verbreitet war, jetzt jedoch hierzulande inzwischen von heimischen Mücken weitergegeben wird. Allmählich müssten sich die Menschen in Deutschland daran gewöhnen, dass Steckmücken nicht nur lästig, sondern auch Gesundheitsschädlinge sein können, beschreibt Hendrik Wilking, Fachmann für Zoonosen und tropische Infektionen am Robert Koch-Institut in Berlin, die Situation.

4. Wo leben die Asiatische Tigermücke und die Gelbfiebermücke?

Der Klimawandel mit längeren Sommern, milderen Wintern und veränderten Niederschlagsmengen sowie die Globalisierung haben den Lebensraum der Tigermücke vergrößert – und in gewissem Ausmaß auch den der Gelbfiebermücke. Letztere brauche es zwar noch wärmer, so Ruth Müller: »Sie wartet aber schon an den Rändern des Schwarzen Meers und könnte sich in Europa ausbreiten, wenn die Temperaturen weiter steigen.« Im Gegensatz zur Gelbfiebermücke kann die Tigermücke kältere Winter überleben. Während sie noch vor zehn Jahren in 114 Regionen auf dem Globus vorkam, ist die Verbreitung aktuell auf 369 Regionen angewachsen; sie taucht jetzt regelmäßig in 16 europäischen Ländern auf.

Ruth Müller erforscht anhand verschiedener Tigermückenpopulationen aus Deutschland, Belgien und anderen Ländern, die sie und ihr Team in einem Insektarium am Tropeninstitut Antwerpen halten, welche genetischen Faktoren eine Klimaanpassung begleiten, was bei einer Insektizidresistenz passiert und mit welchen Methoden sich der Bestand verringern lässt. »Die Tigermücke ist ein Kulturfolger, sie hat sich an städtische Räume angepasst und kann tatsächlich als eine Art Tramper in Autos oder Transportgut mitfahren«, sagt Müller. Die ersten Exemplare reisten in Autoreifentransporten nach Europa. »In Belgien wurden vor etwa zehn Jahren die ersten Exemplare von Aedes albopictus an Autobahnraststätten gefunden«, so Müller. Inzwischen gebe es in Belgien ebenso wie in Deutschland (Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Thüringen, Berlin, Nordrhein-Westfalen) und südeuropäischen Ländern wie Spanien, Italien und Frankreich Populationen, die dort überwintern. 

5. Wie viele Menschen erkranken am Chikungunyafieber?

In den ersten sieben Monaten des Jahres 2025 registrierten die Behörden weltweit offiziell 240 000 Erkrankungen. Etwa 90 Personen starben am Chikungunyafieber. Wie hoch die Krankheitslast tatsächlich ist, ist schwer abzuschätzen. Chikungunya werde häufig mit dem Denguefieber verwechselt, schreibt der Medizinjournalist Talha Burki im Fachmagazin »The Lancet«. Laut einer Studie von Anfang 2025 müsse man inzwischen damit rechnen, dass es jedes Jahr rund 35 Millionen Chikungunya-Fälle mit etwa 3700 Todesfällen gebe – hauptsächlich in Südostasien, Amerika und Afrika.

Noch bis vor etwa zehn Jahren galt das Chikungunyafieber als »vernachlässigte Tropenerkrankung«. Kaum jemand in den Ländern des Globalen Nordens nahm davon Notiz. Nach der Epidemie auf der Insel La Réunion im Jahr 2004 mit bis zu 300 000 Infizierten begann sich das zu ändern, zusammen mit der stetigen weltweiten Ausbreitung.

Fachleute rechnen damit, dass die Zahl der vom Chikungunyafieber bedrohten Personen in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Der WHO zufolge sind aktuell weltweit rund 5,6 Milliarden Menschen durch Arboviren gefährdet, zu denen neben dem Chikungunya-Erreger auch jene von Denguefieber, Zika und Gelbfieber zählen.

6. Was kann man gegen die Ausbreitung der Tigermücke tun?

Bei den traditionellen Mückenbekämpfungsprogrammen werden vor allem stehende Gewässer beseitigt sowie Insektizide versprüht, wobei Letzteres in dichtbesiedelten Gebieten kaum möglich ist. In Innenräumen aufgestellte Fallen können ebenfalls helfen. Zudem befinden sich neue Verfahren in der Entwicklung wie Hefe-RNA-Moleküle, die Mückengene blockieren und dadurch die Larven abtöten. Auch die Infektion der Überträger mit dem bakteriellen Parasiten Wolbachia, der die Vermehrung von RNA-Viren wie Chikungunya und Dengue im Inneren der Insekten blockiert, wird getestet. Allerdings: »Für die Gelbfiebermücke ist dieser Ansatz vielversprechend, für die Tigermücke weniger wirksam«, sagt Ruth Müller.

Mückenbekämpfung | Nach einem starken Anstieg der Chikungunyafieber-Fälle in der südchinesischen Provinz Guangdong werden drastische Maßnahmen gegen die Überträgermücken ergriffen. Hier sprüht am 29. Juli 2025 ein Arbeiter Insektizide in einem Wohnviertel in Foshan.

Ihre Tipps für den persönlichen Schutz neben langärmeliger Kleidung und Insektenspray: »Wer die Tigermücke nicht im eigenen Garten haben will, sollte mögliche Brutstätten beseitigen: Regentonnen abdecken, Untersetzer von Blumenkübeln mit Sand füllen, Vogeltränken regelmäßig ausleeren und auch Kinderspielzeug umdrehen, damit sich darin kein Wasser sammeln kann.«

7. Wer sollte sich gegen das Chikungunya-Virus impfen lassen?

Inzwischen stehen zwei verschiedene Impfstoffe gegen das Chikungunya-Virus bereit. Ixchiq, einen abgeschwächten Lebendimpfstoff, ließ die Food and Drug Administration in den USA im November 2023 zu, die europäische EMA folgte im Mai 2024. Anfang 2025 gab es eine Zulassung für eine weitere Vakzine: Vimkunya ist ein Totimpfstoff, der in Form winziger virusähnlicher Partikel drei verschiedene Virusproteine und Aluminiumhydroxid als Wirkverstärker enthält.

Unklar ist aktuell noch, inwieweit Impfkampagnen den hauptsächlich betroffenen Gebieten nützen können. Beide Vakzine erzeugen zwar eine gute Immunantwort gegen das Virus. Doch es gibt bisher kaum Belege für den Nutzen und die Sicherheit bei Krankheitsausbrüchen, die meist sehr schnell auftreten und bei denen daher kaum Zeit bleibt, eine begleitende Studie zu starten.

Die WHO empfiehlt für Ausbruchsgebiete daher bisher keinen der beiden Impfstoffe. Ein anderer Hinderungsgrund für deren Einsatz ist der Preis. Der Totimpfstoff etwa kostet 270 US-Dollar pro Dosis. Für viele der Länder, die von größeren Chikungunya-Ausbrüchen betroffen sind und daher am besten einen Großteil der Bevölkerung impfen würden, ist das unerschwinglich. Und die Gavi-Alliance, die einkommensschwache Länder beim Kauf von Impfstoffen unterstützt, besitzt nach eigenen Aussagen noch nicht genügend Informationen zu den Auswirkungen des Impfstoffs, um Entscheidungen über dessen Einsatz zu treffen. Fachleute fordern ein globales Chikungunya-Impfstoffkonsortium, um hierzu weiter zu forschen und danach mögliche Impfungen in betroffenen Gebieten zu organisieren.

Seit Juni 2025 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland die Impfung nur bei Reisen in Gebiete, in denen es einen aktuellen Ausbruch gibt, oder für Personen, die sich länger als vier Wochen oder wiederholt in einem Gebiet aufhalten, in dem die Krankheit dauerhaft vorkommt, also endemisch ist. Eingesetzt werden sollte dazu entweder der Lebendimpfstoff Ixchiq für gesunde Personen zwischen 12 und 59 Jahren oder der Totimpfstoff für alle Personen ab 12 Jahren.

Bisher wurden weltweit rund 43 000 Dosen Ixchiq verimpft, vor allem auf La Réunion, auf dem französischen Festland, in den USA und in einigen EU-Ländern. Allerdings hat die FDA die Zulassung des Lebendimpfstoffs im August 2025 ausgesetzt: Bis Mai 2025 waren bei weltweit insgesamt 19 Personen im Alter von 62 bis 89 Jahren schwere Nebenwirkungen aufgetreten. Sogar zwei Todesfälle sollen mit Ixchiq in Zusammenhang stehen. »Ixchiq darf vorübergehend nicht bei Erwachsenen ab 65 Jahren angewendet werden, bis eine gründliche Bewertung aller verfügbaren Daten vorliegt«, schreibt dazu die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft in einem »Rote-Hand-Brief«. In Deutschland wird laut Peter Kremsner vom Institut für Tropenmedizin am Universitätsklinikum Tübingen aktuell allerdings ohnehin nur der Totimpfstoff eingesetzt.

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  • Quellen

Ribeiro dos Santos, G. et al., Nature Medicine 10.1038/s41591–025–03703-w, 2025

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