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News: Fraktales Auf und Ab

Mandelbrots Apfelmännchen und andere graphische Darstellungen fraktaler Mengen sind nicht nur schön anzusehen. Viele Wissenschaftler vermuten, dass auch manchen Strukturen der freien Natur solche Muster zu Grunde liegen. Kanadische Forscher konnten im Experiment nun sogar einen Auf- und Abbauprozess mit fraktalen Gleichungen beschreiben. Ihrer Ansicht nach sollten sie sich auch auf andere komplexe Prozesse anwenden lassen - zum Beispiel den Vorgängen im Inneren eines Akkus.
Fraktale sind mathematische Konstruktionen, deren Muster sich in immer kleiner werdendem Maßstab wiederholen. Auch die Natur weist viele Strukturen auf, von denen Wissenschaftler vermuten, dass sie fraktalen Gesetzmäßigkeiten gehorchen – die Architektur eines Farnblattes zum Beispiel kann am Computer mit recht einfachen Methoden nahezu perfekt nachempfunden werden. Oder die kleinen Unregelmäßigkeiten, die entstehen, wenn sich Sedimentkörnchen ablagern: In jeder neu entstehenden Schicht zeigen sie sich wieder, nur stärker vergrößert. Ob überhaupt, und wenn ja, welche Rolle fraktale Gleichungen nun wirklich 'in der freien Natur' spielen, darüber wird aber noch heftig diskutiert.

Yonathan Shapir und Jacob Jorné von der University of Rochester gehen nun sogar noch einen Schritt weiter: Wie sie in den Physical Review Letters vom 3. April 2000 (Abstract)berichteten, sollen auch natürliche Auf- und Abbauprozesse mit fraktalen Gleichungen darstellbar sein.

Die Wissenschaftler fragten sich zunächst, ob natürliche Kreisläufe überhaupt fraktale Muster erzeugen. "Ich hatte das Gefühl, sie würden es tun", meinte Shapir. Aber es kostete ihn einige Monate, bis er auf den richtigen mathematischen Ansatz kam, den er schließlich in der Theorie der Renormierungs-Gruppe fand. Mit diesem komplexen Rahmenwerk können fraktalartige Eigenschaften in Gleichungen aufgedeckt werden. "Als wir erst einmal verstanden hatten, wie es auf Zyklen angewendet werden kann, passte alles innerhalb weniger Tage zusammen", erzählt Shapir.

Zunächst überprüften die Forscher ihre Vermutung in Computersimulationen, bei denen winzige Teilchen auf verschiedenen Oberflächen abgelagert wurden. Nach jeder Deposition simulierten sie einen Abtragungsprozess, wie er in der freien Natur zum Beispiel in Form von Erosion durch Wasser auftreten könnte, oder in einer Batterie durch Entladung. Nach mehreren Tausend Durchgängen stellten die Wissenschaftler fest, dass sie jede Simulation durch fraktale Lösungen beschreiben konnten, egal welcher Objekttyp, welche Kräfte oder Oberflächen beteiligt waren. Mit jeder neuen abgelagerten Schicht wurde die Oberfläche unregelmäßiger, wobei die grundlegenden Umrisse wie bei einem Fraktal immer größere Maßstäbe annahmen.

In Zusammenarbeit mit David G. Foster von Eastmann Kodak Co. entwickelten die beiden Forscher nun ein Experiment, das ihre theoretischen Überlegungen auch in der Praxis bestätigen sollte. Sie ließen Silberatome für fünf Minuten auf einer Elektrode abscheiden und kehrten dann die Spannung um, damit in den folgenden zweieinhalb Minuten einige der Atome wieder remobilisiert wurden. Befriedigt stellten sie fest, dass auch im Experiment fraktale Muster entstanden, wie es ihre Modelle vorhergesagt hatten.

Shapir und Jorné sehen einige praktische Anwendungen für ihre Entdeckung. Akkus zum Beispiel funktionieren häufig nicht zufriedenstellend, weil jeder Aufladeprozess im Inneren der Batterie Material ablagert, und jedes Entladen einiges davon wieder entfernt. Nach mehreren Durchgängen kann dieser Auf- und Abbau dazu führen, dass zwischen den beiden Leiter ein direkter Kontakt zustande kommt und ein Kurzschluss entsteht. Da dahinter keine Regelmäßigkeit steckt, mussten die Entwickler von Akkus ihre Produkte solange testen, bis Fehler auftraten. Mit Hilfe der fraktalen Gleichungen könnten sich nach Ansicht von Shapir und Jorné diese Erprobungsphasen vielleicht drastisch verkürzen und beschleunigen lassen.

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