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Gleichberechtigung: Weiblich, fähig, ungeeignet

Auf ihrem Weg in eine Führungsposition müssen Frauen mehr Hindernisse überwinden als Männer. Manchmal stehen sie sich auch selbst im Weg.
Business Frau

In der politischen Führungsriege des Landes steht es 6 : 10. Sechs Frauen und zehn Männer bilden die Bundesregierung. Auch der Bundestag ist zu 36 Prozent weiblich – im Vergleich zu den Führungsetagen der Wirtschaft geradezu vorbildlich. So war Ende 2015 lediglich jeder fünfte Aufsichtsrat und nur rund jeder 20. Vorstand der 100 größten deutschen Unternehmen weiblich.

Von großen Veränderungen war dort zuletzt wenig zu spüren: Seit 2006 stieg etwa der Anteil der Aufsichtsrätinnen bei den 100 größten Banken und Sparkassen um insgesamt lediglich 6 Prozentpunkte; er liegt aktuell bei 21 Prozent. Dabei arbeiten in der Finanzbranche insgesamt mehr Frauen als Männer. Die Dynamik gleiche »dem Ritt auf einer Schnecke«, so die Bilanz von Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Anja Kirsch von der Freien Universität Berlin, die diese Zahlen in ihrem »Managerinnen-Barometer« präsentierten.

Familienministerin Manuela Schwesig will das ändern. »Abiturienten und Studienabsolventen sind in der Mehrzahl Frauen – und sie merken, dass sie nicht in den Führungsetagen ankommen«, erklärte sie 2015 in einer Rede vor dem Bundesrat. »Drei Viertel der Frauen, die berufstätig sind, sagen: Es geht in der Arbeitswelt ungerecht zu.« Es gelte, endlich die Lücke zu schließen, die zwischen der im Grundgesetz verankerten gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern und der Lebenswirklichkeit bestehe.

Nicht nur Politiker und Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch Psychologen beschäftigen sich mit dem altbekannten Phänomen, dass gut ausgebildete Frauen häufig auf ihrem Karriereweg an eine Barriere stoßen, an der es nicht weitergeht. Forscher sprechen von der »glass ceiling«, auf Deutsch »gläserne Decke«. Sie behindere den weiteren Aufstieg nach oben massiv, sei aber durchsichtig und daher leicht zu übersehen.

Doch was ist der Grund dafür? Laut Psychologen sind vor allem Geschlechterstereotype verantwortlich (siehe »Kurz erklärt«). Sowohl Männer als auch Frauen sind nicht vor ihnen gefeit; oft sind sie sich ihrer überhaupt nicht bewusst. Studien haben gezeigt, dass beide Geschlechter Frauen vermehrt sozial verträgliche, umsorgende Eigenschaften zuschreiben. Sie gelten etwa als hilfsbereit, mitfühlend und freundlich. Das bezeichnen Forscher als »gemeinschaftsorientiert«. Männer gelten dagegen eher als »handlungsorientiert«, zum Beispiel unabhängig, ehrgeizig und durchsetzungsstark.

Fragt man Menschen, wie eine erfolgreiche Führungskraft sein muss, so nennen die meisten solche handlungsorientierten Eigenschaften. Das Konzept von Führung ist in unseren Köpfen also stark mit »männlichen« Persönlichkeitszügen verknüpft. Im englischsprachigen Raum hat sich der Ausspruch »think manager, think male« eingebürgert, was so viel heißt wie »Denk ich an Manager, denk ich an Männer«.

»Die Vorstellung ›typisch Mann, typisch Frau‹ hält sich hartnäckig«, bestätigt die Sozialpsychologin Melanie Steffens von der Universität Koblenz-Landau. Geschlechterstereotype würden nur nicht mehr so unverblümt ausgesprochen.

Sexismus ist heute subtiler

Unverhohlenen sexistischen Äußerungen stimmen seit den 1970er Jahren immer weniger Menschen zu. Sexismus funktioniert heute subtiler – etwa, indem man die Diskriminierung von Frauen leugnet. Und hinter mancher »ritterlichen« Einstellung gegenüber Frauen verbirgt sich eine paternalistische Sicht: So stimmen Probanden, die Sätze bejahen wie »Frauen sollten von Männern umsorgt und beschützt werden«, auch eher feindseligen Aussagen gegenüber Frauen zu (etwa »Viele Frauen versuchen unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung besondere Vergünstigungen zu erlangen«).

Kurz erklärt

Stereotype
Verbreitete Überzeugungen über die Mitglieder einer sozialen Gruppe – etwa Frauen, ethnische Minderheiten oder Homosexuelle. Sie sind oft, aber nicht immer negativ (zum Beispiel »Mädchen sind schlechter in Mathe«) und dienen dazu, komplexe Zusammenhänge zu vereinfachen, indem sie auf Basis von Gruppenzugehörigkeit pauschalisieren. Stereotype können für die betroffenen Gruppen negative Konsequenzen nach sich ziehen, von offener Diskriminierung bis zur selbsterfüllenden Prophezeiung. So schneiden Mädchen tatsächlich weniger gut bei Rechenaufgaben ab, wenn man ihnen zuvor sagt, Mädchen seien darin grundsätzlich schlechter als Jungen.

Impliziter Assoziationstest
Ein sozialpsychologisches Messverfahren, das unbewusste, automatische Assoziationen erfasst. Dem Probanden werden auf dem Bildschirm Wörter wie »liebevoll« präsentiert, die er so schnell wie möglich zwei gegensätzlichen Begriffen einer Kategorie zuordnen soll (etwa Frau oder Mann und warm oder kalt). Dazu drückt er entsprechende Tasten. Zwei Begriffe (etwa Frau und warm) belegen dabei dieselbe Taste; nach einer gewissen Zeit wechselt die Zuordnung (Mann und warm). Ist der Proband schneller, wenn bei »liebevoll« die Taste für »Frau« und für »warm« dieselbe ist, geht man davon aus, dass diese Begriffe in seinem Gedächtnis implizit miteinander verknüpft sind. Der Test basiert auf der Annahme, Informationen seien im Gedächtnis in Form von assoziativen Netzwerken gespeichert.

Ebenso haben auch Männer, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen, mit Diskriminierung zu rechnen, wie Laurie Rudman und Kris Meschner von der Rutgers University in New Brunswick (USA) 2013 zeigten. Sowohl männliche als auch weibliche Probanden empfanden einen männlichen Angestellten, der den Personalchef um eine zwölfwöchige Elternzeit bat, als unsicherer, weniger ehrgeizig und durchsetzungsfähig. Sie verneinten außerdem häufiger Aussagen wie »Er macht Überstunden, wenn es nötig ist« oder »Er ist bei der Arbeit respektiert« und schlugen ihn seltener für eine Beförderung, ein Führungskräftetraining oder eine Gehaltserhöhung vor. Ob Männer, die in Elternzeit gehen oder wegen der Familie nur halbtags arbeiten, negativer bewertet werden als Frauen, ist unklar. Manche Untersuchungen deuten darauf hin, andere nicht.

Da »kontrastereotypes« Verhalten häufig auf Unverständnis stößt oder gar zu Sanktionen führt, vermeiden es viele. Das zeigt zum Beispiel eine weitere Studie von Rudman, in der die Teilnehmer Dinge gefragt wurden wie »Wann wurde das Haarspray erfunden?« oder »Wer hat zum ersten Mal Flammenwerfer in einer Schlacht eingesetzt?«. Erfahrungsgemäß weiß so etwas kein Mensch. Hinterher erhielten alle Probanden die fingierte Rückmeldung, sie hätten den ersten Platz im Wissensquiz belegt – und zwar entweder in der Kategorie »Männerfakten« oder »Frauenfakten«. Außerdem fragte man sie, ob sie mit der Veröffentlichung ihres Siegs auf einer Homepage einverstanden seien. Männer, die vermeintlich über hervorragendes weibliches Wissen verfügten, und Frauen, die sich besonders gut in der Männerdomäne auskannten, stimmten dem seltener zu. Erkundigte sich der Versuchsleiter anschließend, in welcher Kategorie eine Person gewonnen habe, log diese ihn häufig sogar an.

Welche Konsequenzen Stereotype im Arbeitsalltag haben können, demonstrierte eine Studie der Universität Mailand von 2015. Die Forscher simulierten Gehaltsverhandlungen mit einem weiblichen oder männlichen Chef. Gegenüber einer Vorgesetzten agierten männliche Probanden dabei aggressiver und verlangten einen deutlich höheren Lohn. Sollten sie eine Bonuszahlung mit einem Kollegen teilen, so gaben sie weniger ab, wenn es sich dabei um eine in der Hierarchie höhergestellte Frau handelte. Dieses Verhalten dient laut einer Theorie dazu, das männliche Selbstbild zu schützen, das durch die Konstellation gefährdet ist. Und tatsächlich bewerten Probanden Männer mit einem weiblichen Chef als weniger maskulin als jene mit einem männlichen Chef.

In einem weiteren Versuch überprüften die Wissenschaftler, ob der wahrgenommene Führungsstil die Bereitschaft zu teilen beeinflusst. Einer machtorientierten und ehrgeizigen Vorgesetzten gaben männliche Probanden weniger von ihrem Bonus ab als einem Mann mit diesen Eigenschaften. Gegenüber einer ergebnisorientierten Managerin zeigten sie sich dagegen ähnlich großzügig wie gegenüber einem vergleichbaren Mann. Frauen überließen weiblichen und männlichen Führungskräften im Schnitt denselben Betrag, egal welchen Führungsstil diese an den Tag legten.

Frau an der Spitze | Angela Merkel ist laut der Forbes-Liste 2015 der zweitmächtigste Mensch der Welt. Insgesamt sind aber nur 9 der 73 einflussreichsten Persönlichkeiten auf der Forbes-Skala Frauen.

Doch Stereotype sind nicht unveränderlich, sie können sich wandeln. »Das ist aber ein langsamer Prozess«, erklärt Steffens. In einer 2014 veröffentlichten Studie nutzte die Sozialpsychologin den so genannten Impliziten Assoziationstest (siehe »Kurz erklärt«). Dieses Verfahren basiert auf der Annahme, man könne über die Reaktionszeit Rückschlüsse auf sexistische oder rassistische Einstellungen ziehen, die Menschen in expliziten Tests möglicherweise verheimlichen würden. Das Ergebnis: Eigenschaften wie »liebevoll« sahen alle eher als weiblich an, »gefühlskalt« als männlich. Sowohl Männer als auch Frauen assoziierten jedoch das eigene Geschlecht implizit mit »Kompetenz«. Dass Menschen dazu neigen, intuitiv ihre soziale Gruppe zu bevorzugen, ist bekannt. Dennoch hatten beide Geschlechter in früheren Untersuchungen Kompetenz stärker Männern zugeschrieben. Auch andere Befunde legen nahe, dass Frauen mittlerweile »männliche« Eigenschaften zugesprochen werden, während sie gleichzeitig nach wie vor als einfühlsam oder unterstützend gelten.

Frauen haben offenbar eine weitere soziale Rolle erhalten. Das Stereotyp des Mannes hat sich dagegen im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte weit weniger verändert. Man kann das sich wandelnde weibliche Stereotyp als positiven Schritt werten. Auf der anderen Seite kann es Frauen überfordern, all diesen Rollen gerecht werden zu wollen. So erledigen laut Befragungen voll berufstätige Frauen trotzdem noch den Großteil der Hausarbeit. Und wenn Frauen etwa 70 und Männer 30 Prozent der Kindererziehung übernehmen, dann haben viele Paare bereits das Gefühl, es gehe bei ihnen gerecht zu. Diese »second shift« (auf Deutsch: zweite Schicht) nach der Arbeit bringe Frauen unter enormen Zeitdruck, erklärt Steffens. Die Zeit fehle dann, um »networking« zu betreiben und die Karriere voranzubringen.

Wie Stereotype gezielt verändert werden können, lässt sich bisher nicht befriedigend beantworten. In einer Studie der Organisationspsychologen Niels Van Quaquebeke und Anja Schmerling von 2010 verbanden Probanden weibliche Vornamen ebenso schnell wie männliche mit Führungsaufgaben, wenn sie zuvor Bilder von Spitzenpolitikerinnen wie Angela Merkel betrachtet hatten. Nach diesem Befund dürften wir hier zu Lande keinen Mangel an weiblichen Führungskräften haben, schließlich begegnet uns die Bundeskanzlerin bereits seit 2005 ständig in den Medien.

Fördert eine Kanzlerin die Gleichstellung?

Dass Merkels Vorbild andere Frauen dazu animiere, Karriere zu machen, ist laut Steffens nicht unbedingt der Fall. Eine Spitzenfrau könne auch abschrecken, wenn Geschlechtsgenossinnen sich nicht mit ihr identifizieren (etwa »Das könnte ich nicht« oder »So wie Angela Merkel will ich nicht sein«). »Ein paar Gegenbeispiele reichen nicht aus, um Stereotype aufzubrechen«, sagt die Sozialpsychologin. Nur wenn mehr Frauen Spitzenpositionen innehätten, stünden auch genügend weibliche Vorbilder zur Wahl.

Die »Frauenquote«

Ab dem 1. Januar 2016 gilt für alle börsennotierten und »voll mitbestimmungspflichtigen« Unternehmen, deren Aufsichtsrat aus ebenso vielen Arbeitnehmern wie Aktionären besteht, eine vorgeschriebene Mindestquote an Frauen von 30 Prozent in Aufsichtsräten. Rund 100 Unternehmen sind von der Regelung betroffen, die meisten von ihnen haben mindestens 2000 Arbeitnehmer. Die Firmen müssen bei jedem neu zu besetzenden Posten im Aufsichtsrat so lange eine Frau (oder einen Mann) berücksichtigen, bis die Geschlechterquote erfüllt ist. Sonst bleibt der Platz leer. Dieselbe Vorgabe besteht auch für Aufsichtsratsgremien, in denen der Bund mehr als zwei Sitze innehat. Etwa 3500 weitere Unternehmen müssen selbst Zielgrößen für Vorstand, Aufsichtsrat und die obersten Managementebenen formulieren, um ihren Frauenanteil zu erhöhen.

Steffens vergleicht den Karriereweg von Frauen mit einem Hürdenlauf, der bereits damit beginne, dass Eltern und Lehrer bei Mädchen technische Begabungen und Führungspotenziale weniger gut erkennen. Wer dennoch die »gläserne Decke« durchbricht, den erwartet dahinter eine weitere Hürde, so Michelle Ryan und Alexander Haslam von der University of Exeter. Auf die Spur hatte sie die Journalistin Elizabeth Judge gebracht, die in der englischen Tageszeitung »The Times« im Jahr 2003 resümierte, der Triumphmarsch der Frauen in die Vorstandsetagen habe nur Chaos angerichtet. Judge hatte den Prozentsatz weiblicher Vorstände bei den 100 größten und umsatzstärksten Unternehmen des Landes berechnet. Von jenen zehn Firmen mit den meisten Frauen im Vorstand hatten sechs im Vergleich zu den anderen Top-100-Unternehmen die schlechtesten Leistungen erbracht. Überdurchschnittlich erfolgreich dagegen waren fünf Unternehmen mit männlichen Vorständen gewesen. Waren Frauen schlicht ungeeignet für Führungsaufgaben?

Ryan und Haslam erschien Jugdes Schlussfolgerung zu einfach. Sie schauten sich den Datensatz genauer an. Ihr Ergebnis: Vor allem in Krisenzeiten oder wenn sich die Firma in einem Abwärtstrend befindet, werden Frauen an die Spitze berufen. Die beiden Wirtschaftspsychologen nannten ihre Entdeckung die »gläserne Klippe«: Wenn die Firma zu kämpfen hat, ist auch der Chefsessel wacklig und das Risiko zu scheitern besonders groß.

Doch weshalb bekommen Frauen, wenn es brenzlig wird, leichter als sonst das Zepter in die Hand? Sind sie womöglich besonders fähig, knifflige Führungsposten zu übernehmen? Oder schützen Männer Geschlechtsgenossen eher vor einer solchen Lage, indem sie lieber Frauen der Gefahr aussetzen? Männliche Befragte neigten jedenfalls stärker als weibliche dazu, das Phänomen zu verharmlosen oder seine Existenz anzuzweifeln.

Wissenschaftlerinnen verdienen, wenn man Fach, Rang und Dienstjahre berücksichtigt, in den USA im Jahr gut 3000 Dollar weniger als männliche Kollegen, und zwar sowohl in von Frauen als auch in von Männern dominierten Fächern

Psychol. Women Q. 33, S. 410–418, 2009

Nach einer Überblicksarbeit von Susanne Bruckmüller von der Universität Koblenz-Landau und Kollegen aus dem Jahr 2014 hielten weibliche wie männliche Probanden Frauen tatsächlich oft für besser geeignet als Männer, die Führung einer Firma in angespannter wirtschaftlicher Lage zu übernehmen. In »guten Zeiten« tendierten sie hingegen dazu, männliche Kandidaten der weiblichen Konkurrenz vorzuziehen.

»In Krisenzeiten passt das männlich geprägte Bild der idealen Führungskraft nicht mehr so gut«, fasst Bruckmüller die Befunde zusammen. In einer schwierigen Phase erhofften sich Menschen von einem Chef ein gutes Gespür für die Mitarbeiter – etwas, was als typisch weiblich gilt. Manchmal gehe es einer Firma aber auch darum, mit einer weiblichen Führungskraft ein sichtbares Zeichen des Neuanfangs und der Veränderung zu setzen. Gleichzeitig berichteten Frauen in Führungspositionen von wesentlich weniger Unterstützung als Männer, was die Situation für sie besonders schwierig mache.

Vor solchen Mechanismen kann die neue Quotenregelung, die am 1. Januar 2016 in Kraft trat, Frauen nicht schützen. Manuela Schwesig bezeichnet sie dennoch als historischen Schritt. »So selbstverständlich, wie Frauen heute wählen, werden sie in den Führungsetagen mitbestimmen«, glaubt sie. Andere beurteilen das skeptischer. »Die Frauenquote ist nur ein Einstieg«, sagt die Ökonomin Elke Holst. Sie sei das Resultat gescheiterter Selbstverpflichtungen. Und auch in der jetzigen Form appelliere man damit großteils an Firmen, sich freiwillig Quoten aufzuerlegen. Doch die Unternehmenskultur müsse sich grundlegend ändern – etwa in puncto Flexibilität bei Arbeitszeiten und Karrieremodellen.

»Quoten führen zu negativen Nebeneffekten«, sagt Melanie Steffens. Es bestehe die Gefahr eines neuen Stereotyps: das der Quotenfrau, die ihre Position nur ihrem Geschlecht verdankt. Um Skeptiker zu überzeugen, müsse sie härter arbeiten und bessere Ergebnisse liefern. Bekanntermaßen schwächt es das Selbstbild, nur eine Quote zu erfüllen. Erklärt man jemandem, er habe eine Position allein auf Grund seines Geschlechts oder seiner Hautfarbe bekommen, sinkt sein Selbstwertgefühl, und er schätzt seine Fähigkeiten geringer ein als zuvor.

Auf der anderen Seite müsse man Frauen auf ihrem Weg in Spitzenpositionen unterstützen, damit sich langfristig etwas verändert, sagt Steffens. »Wenn wir keine Frauen in der Führungsetage haben, haben wir keine weiblichen Vorbilder. Dann gibt es keine Frauen, die sich für die Position interessieren, und so ändern sich auch die Geschlechterstereotype nicht«, fasst sie die Krux zusammen. Susanne Bruckmüller sieht das ähnlich. Sie hofft, dass durch die Quote Frauen in Führungspositionen auf lange Sicht selbstverständlicher werden und Stereotype aufweichen. »Doch Phänomene wie die gläserne Klippe verdeutlichen die Grenzen von Quotenregelungen«, sagt die Sozialpsychologin. Gleichberechtigung sei eben mehr als nur ein Zahlenspiel.

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  • Quellen

Literaturtipp

Steffens, M. C ., Ebert, I. D.: Frauen – Männer – Karrieren. Eine sozial-psychologische Perspektive auf Frauen in männlich geprägten Arbeitskontexten. Springer, Wiesbaden 2016
Ein leicht verständlicher und guter Überblick zum Thema

Quellen

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Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz: Fragen und Antworten zu dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst. Juli 2015. PDF abrufbar unter: http://t1p.de/0ymw

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Holst, E.,Kirsch, A.: Finanzsektor: Frauenanteile in Spitzengremien bleiben gering. In: DIW-Wochenbericht 82, S. 62–71,2015

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Ryan, M., Haslam, S.: The Glass Cliff: Evidence that Women are Over‐represented in Precarious Leadership Positions. In: British Journal of Management 16, S. 81–90, 2005

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Netchaeva, E., et al.: A Man’s (Precarious) Place: Men’s Experienced Threat and Self-Assertive Reactions to Female Superiors. In: Personality and Social Psychology Bulletin 41, S. 1247–1259, 2015

Travis, C. et al.: Tracking the Gender Pay Gap: A Case Study. In: Psychology of Women Quarterly 33, S. 410–418, 2009

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