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News: Freier atmen

Asthma hat sich während der vergangenen Jahrzehnte zur häufigsten chronischen Kinderkrankheit entwickelt. Fast jedes zehnte Kind leitet an der Atemwegserkrankung, viele schon im Vorschulalter. Als wirksame Waffe hatte sich eine Hormontherapie mit Corticosteroiden erwiesen, doch die Medikamente hemmten das Wachstum - kein Wunder, dass Eltern sich daher Sorgen machten. Doch eine amerikanische Studie hat jetzt gezeigt, dass diese Nebenwirkung nur im ersten Jahr der Behandlung auftritt und sich danach wieder ausgleicht.
Atemnot und ein Pfeifton beim Ausatmen gehören zu den typischen Symptomen bei Asthma – aus dem Griechischen auf deutsch übersetzt "Keuchen". Bei einem akuten Anfall verengen sich die Bronchien krampfartig, was die Atmung sehr erschwert, vor allem das Ausatmen. Zudem entzünden sich die Bronchialschleimhäute und bilden einen zähen Schleim, der sich in den Verzweigungen der Bronchien festsetzt und sie verstopft. Besonders häufig sind Allergien die Ursache, zum Beispiel Tierhaare, Blütenpollen oder Hausstaubmilben, die in die Atemwege gelangen. Und Asthma breitet sich immer weiter aus: "In der industrialisierten Welt ist heute jedes zehnte Kind betroffen", sagt Roland Wönne vom Clementine-Kinderhospital in Frankfurt am Main. 1960 hingegen litten nur zwei Prozent der Kinder an der Krankheit.

Ausgerechnet eine besonders effektive Therapie, die auf Hormonen – Corticosteroiden – basiert, ist umstritten. Eltern von betroffenen Kindern machen sich oft Sorgen über mögliche Nebenwirkungen. Denn die Hormone standen unter dem Verdacht, das Wachstum um etwa einen Zentimeter pro Jahr zu hemmen. Bei einer Behandlungsdauer von zehn Jahren wäre ein junger Asthmatiker also deutlich kleiner als ein gesundes gleichaltriges Kind. Doch jetzt hat die amerikanische Studie Childhood Asthma Management Program Research Group (CAMP) gezeigt, dass die mit den Hormonen behandelten Kinder nur im ersten Jahr der Therapie etwa einen Zentimeter weniger wachsen. Danach normalisiert sich das Wachstum wieder, bis sie letztlich genau so groß werden wie ihre gesunden Altersgenossen (New England Journal of Medicine vom 12. Oktober 2000).

Im Rahmen von CAMP hat eine Vereinigung acht medizinischer Zentren in den USA und Kanada fünf Jahre lang 1 041 Kinder im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren untersucht. Die Forscher unterteilten die Probanden in drei Gruppen: Die erste erhielt Corticosteroide zum Inhalieren, die zweite ein entzündungshemmendes Medikament und die dritte ein Placebo. Die geringsten Beschwerden hatten die hormonbehandelten Kinder, die 43 Prozent weniger häufig ins Krankenhaus mussten. Außerdem hatten sie 45 Prozent seltener akute Anfälle oder mussten Hormone oral nehmen – eine Therapie bei dramatischer Verschlechterung des Zustands. Sie brauchten auch knapp ein Drittel weniger zusätzliche Asthmamedikamente und konnten sich über gut ein Fünftel mehr beschwerdefreie Tage freuen.

Die Kinder, die ein entzündungshemmendes Medikament bekamen, sahen ihre Ärzte zwar 27 Prozent seltener wegen akuter Anfälle und kamen auch mit 16 Prozent weniger oralen Steroiden aus als die Placebo-Gruppe. Aber sie mussten genau so oft ins Krankenhaus und hatten ebenso viele Tage mit Beschwerden. "Diese Studie zeigt, dass Kinder das beste Asthmamedikament einnehmen können, ohne dass es das Wachstum oder die Entwicklung verschlechtert", kommentiert N. Franklin Adkinson Jr. von der Johns Hopkins School of Medicine.

Eine weitere Frage konnten die Mediziner mit ihrer Arbeit allerdings noch nicht beantworten. Einige kleinere Studien der vergangenen Jahre legen den Verdacht nahe, dass Asthma sowohl das Wachstum als auch die Funktion der Lunge beeinträchtigt. Die Mitarbeiter der CAMP hatten vermutet, dass entzündungshemmende Medikamente diesen Effekt verhindern oder zumindest abschwächen könnten. Doch in dieser Hinsicht konnten sie zwischen den drei Gruppen keinen Unterschied feststellen. Daher wollen die Mediziner die Kinder noch weitere vier Jahre untersuchen – bis in die Pubertät. "Dann werden wir uns ein vollständiges Bild von den Auswirkungen inhalierter Corticosteroide auf die Größe als Erwachsene und die maximale Lungenfunktion machen können", erläutert Claude Lenfant vom National Heart, Lung and Blood Institute (NHLBI).

"Obwohl Asthmaexperten in der ganzen Welt die Wirksamkeit inhalierter Corticosteroide anerkannt haben, war unklar, welche Folgen sie bei Kindern auf Dauer haben", sagt Lenfant. "Wir hoffen, dass diese Resultate mehr Ärzte und auch Eltern überzeugen, dass die Behandlung mit Corticosteroiden die Lebensqualität der Kinder verbessern wird."

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