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News: Freispruch im Fall Kohlendioxid gegen Erdklima?

Stabile Isotope, die unterschiedlich schweren Atome eines Elements, bewähren sich seit langem bei der Rekonstruktion der Temperaturen vergangener Erdzeiten. Jetzt fanden Forscher heraus, dass sich Sauerstoffisotope dazu viel besser zu eignen scheinen als die des Kohlenstoffs. Könnte es also sein, dass Kohlendioxid bei der globalen Erwärmung eine viel geringere Rolle spielt als bisher angenommen?
Wenn von der drohenden Erwärmung des globalen Klimas durch den Treibhauseffekt die Rede ist, denkt man unweigerlich an das prominenteste aller Treibhausgase, das Kohlendioxid. Schließlich gibt es unzählige Untersuchungen, die diesen Zusammenhang mithilfe der Kohlenstoffisotope zu belegen scheinen. Alle Rekonstruktionen erdzeitlicher Klimaschwankungen können indes nur indirekt auf der Basis der Zusammensetzung von stabilen Isotopen in Böden oder marinen organischen Substanzen erfolgen. Ján Veizer vom Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik der Ruhr-Universität Bochum und seinen Kollegen gelang es am Beispiel der Sauerstoffisotope, verschiedene Effekte zu eliminieren, welche die Signale nachträglich verändern. In der Nature-Ausgabe vom 7. Dezember 2000 stellen sie ein Modell vor, welches auf der Isotopenzusammensetzung des Sauerstoffs basiert und die Klimaentwicklung der Erdgeschichte offenbar viel besser wiedergibt als die Kohlenstoffisotope.

Je nach Temperatur verändern sich im Meerwasser durch Verdunstung und Niederschlag die Verhältnisse zwischen den leichten und schweren Isotopen. Diese Unterschiede führen dazu, dass es beim Aufbau der organischen Substanzen zur Fraktionierung verschiedener Isotope kommt, also unterschiedlich schwerer Atomarten eines Elementes. Dabei wird beispielsweise das Verhältnis des schweren Kohlenstoffatoms 13C zum leichten 12C relativ zu einem Standard durch den delta13C-Wert ausgedrückt. Analog dazu bezeichnet der delta18O-Wert das auf einen Standard bezogene Verhältnis der beiden Sauerstoffatome 18O zu 16O.

In beiden Fällen kommt es je nach Temperatur zu jenen typischen Fraktionierungen zwischen schweren und leichten Isotopen, die sich über Millionen von Jahren in den kalkigen oder silikatischen Gehäusen der Meeresbewohner erhalten können. Können, denn seit langem ist bekannt, dass sich die Verhältnisse unter Umständen auch nachträglich durch Austauschprozesse mit der Umgebung verändern. Wenngleich sich die Arbeitsgruppe auf möglichst homogene Organismengruppen konzentrierte, von denen bekannt ist, dass derlei Veränderungen nur gering sind, stießen sie über einen Zeitraum von mehr als 100 Millionen Jahren auf gleichmäßig absinkende delta18O-Werte. Aufgrund der Länge dieser Periode glauben Veizer und seine Mitarbeiter, dass sich hier nicht klimatische Veränderungen ausdrücken, sondern langfristige tektonische Prozesse. Darüber hinaus identifizierten die Forscher noch einen weiteren Einfluss auf die Isotopenzusammensetzung, der keinen Zusammenhang mit Temperaturveränderungen hat. Während einer Kaltzeit breiten sich nämlich – bei gleichbleibend niedrigen Temperaturen – die globalen Eismassen aus. Sie entziehen dem Meerwasser bevorzugt das leichte 16O-Isotop, was wiederum zur Anreicherung des schweren Isotops im Meerwasser führt. Die darin lebenden Organismen bauen dieses also zunehmend in ihre Gehäuse ein und täuschen somit eine Erhöhung der Temperatur vor.

Veizer und seinen Mitarbeitern gelang es nun, ihre Sauerstoffdaten im Hinblick auf diese Effekte zu korrigieren und erhielten eine Kurve, die mit den Klimaschwankungen während des Phanerozoikums (dem Zeitraum, der durch das Vorhandensein von Fossilien gekennzeichnet ist, im Allgemeinen vom Kambrium bis heute) sehr gut übereinstimmt. Demnach schwankten die Temperaturen während der vergangenen 600 Millionen Jahre um bis zu neun Grad Celsius – Klimaschwankungen, die sich zumindest stichprobenartig zuverlässig aus der Verteilung von Gletschersedimenten und klimaspezifischen Fossilien ablesen lassen. Vergleicht man diese Ergebnisse allerdings mit der Entwicklung der Kohlenstoffisotope, so fallen immer wieder bedeutsame Abweichungen auf.

So waren die Kohlendioxidgehalte während des ausgehenden Ordoviziums vor rund 440 Millionen Jahren und während der unteren Kreide vor 220 bis 120 Millionen Jahren überdurchschnittlich hoch. Doch weder im einen noch im anderen Fall herrschte ein durch den Treibhauseffekt angeheiztes Klima. Im Gegenteil, weltweit verbreitete Sedimente lassen eindeutig auf großflächige Vereisungen schließen. Während sich die ordovizischen Verhältnisse noch mit einer um etwa fünf Prozent geringeren Sonneneinstrahlung und einer für den notwendigen Treibhauseffekt dementsprechend höheren Kohlendioxidkonzentration erklären lassen, bleibt die Eiszeit während der unteren Kreide weiterhin rätselhaft.

Veizer und seine Kollegen glauben daher, dass dem Kohlendioxid hinsichtlich seiner Auswirkungen auf das Klima eine möglicherweise viel zu hohe Bedeutung beigemessen wird. Neben diesem Treibhausgas gibt es offenbar eine ganze Reihe weiterer, vielleicht nicht unbeutenderer Faktoren. Langfristig gehören dazu beispielsweise die Verschiebungen der Landmassen auf der Erde. Dadurch verändern sich Meeresströmungen und hydrologische Kreisläufe, die für die Wolkenbildung und damit letztlich für die Ausbildung polarer Eiskappen verantwortlich sind. Diese wiederum haben großen Einfluss auf die Reflektion der Sonneneinstrahlung.

Eines steht jedenfalls fest. Der Zusammenhang zwischen dem Treibhausgas Kohlendioxid und der globalen Erwärmung ist zweifelsohne sehr viel komplexer als gemeinhin angenommen. Die Schwierigkeiten bei der Bearbeitung indirekter Klimaanzeiger (sogenannter Proxies) zeigt aber auch, dass es leichtfertig ist, aus diesen Daten der Vergangenheit ohne weiteres auf die Zukunft zu schließen. Ein weitreichendes und allgemein gültiges Modell wird auch weiterhin auf sich warten lassen, und vom Freispruch des Kohlendioxids kann noch keine Rede sein.

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