Fremdsprachenparadox: Wann schlechtes Englisch besser ist als gutes

Schlecht Englisch zu sprechen, kann von Vorteil sein – nämlich dann, wenn man im Gespräch einen Fauxpas begeht. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam aus Kanada und den USA laut der Fachzeitschrift »Journal of Language and Social Psychology«. Wie die Gruppe um die Psychologin Elaine Perunovic von der University of New Brunswick dort berichtet, wirken schlechte Umgangsformen erwartungsgemäß unsympathisch, doch holpriges Englisch verschafft in diesem Fall einen Sympathiebonus.
Die Forschenden hatten mehr als 300 Versuchspersonen mit Englisch als Muttersprache unter Studierenden sowie im Internet angeworben und ihnen kurze Videoclips von einem inszenierten Bewerbungsgespräch vorgespielt. Darin war zu sehen, wie sich ein Mann namens Sergej auf eine Stelle in Boston bewarb. Die Szene hatte der Schauspieler in vier Varianten, aber stets mit russischem Akzent gespielt: Er sprach entweder fließend oder stockend Englisch und reagierte dabei auf Fragen entweder höflich oder unhöflich, zum Beispiel, indem er äußerte, seine neue Heimat nicht zu mögen – ein Bruch mit den Konventionen des Smalltalks.
Die Versuchspersonen sollten daraufhin angeben, wie sympathisch sie den Bewerber fanden und für wie kompetent sie ihn hielten. Das Ergebnis: Bei unhöflichem Verhalten wirkte er deutlich unsympathischer, und zwar ganz besonders, wenn er gutes Englisch sprach – das schlechte Englisch sorgte hingegen für einen Sympathiebonus. Die Sprachprobleme änderten aber nichts daran, dass die Fehltritte ihn weniger kompetent und produktiv erscheinen ließen; teils verstärkte sich dieser Eindruck sogar ein wenig.
Aus weiteren Urteilen über den Bewerber schlossen die Forschenden, dass der Sympathiebonus mit den erkennbaren Bemühungen des Bewerbers und einem vermehrten Mitgefühl mit ihm zusammenhing. Der Eindruck von Kompetenz litt unter den Sprachproblemen überdies nicht weil, sondern obwohl er sich mehr anzustrengen schien. Sich erkennbar zu bemühen, ist demnach für beides gut: um sympathisch und um kompetent zu wirken.
Dass schlechtes Englisch von Vorteil sein kann, gilt freilich nur im Fall eines Fauxpas, warnen die Forschenden. Verhält sich die Person angemessen, entfällt der gewährte Sympathiebonus. Am günstigsten ist es daher, den Smalltalk konventionsgemäß zu meistern. Wer sich damit jedoch schwertut, wirkt netter, wenn er schon mit der englischen Sprache zu kämpfen hat. Da die Videoaufnahmen in diesem Experiment stets denselben russischstämmigen Mann zeigten, ist allerdings unklar, ob die Ergebnisse auch für Frauen und für andere Nationalitäten gelten.
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