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News: Fressen mit Sandpapier

Haie, so könnte man meinen, gehören nicht zu den Tieren, denen das Zerlegen ihrer Nahrung Probleme bereitet. Junge Katzenhaie allerdings brauchen mehr als ihr Gebiss, wenn sie Tintenfischen an den Kragen wollen.
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Haie sollte man nie gegen den Strich streicheln. Diese Regel gilt auch für tote Exemplare, denen man im Biologieunterricht oder Naturkundemuseum über den Weg läuft. Mag die Hand in Richtung Schwanz noch mühelos über die Fischhaut gleiten, spätestens auf dem Rückweg zöge ein Wollhandschuh Fäden.

Was einer Haifischhaut ihren Sandpapier-Charakter verleiht, sind keine gewöhnlichen Fischschuppen, sondern Zähne. Diese biegen sich hakenförmig in Richtung Haischwanz und bestehen, genau wie Wirbeltierzähne, aus einem Dentinkegel, der außen mit einer Schmelzschicht umhüllt ist. Auch werden sie nicht wie Fischschuppen aus der Oberhaut gebildet, sondern aus der tiefer liegenden Lederhaut.

Placoidschuppen nennt man diese Haut-Zähnchen. Der Name der Schuppen leitet sich von den Placodermen ab: mit Knochenschilden gepanzerte Fische, die vor 400 Millionen Jahren mit den Vorfahren der Haie die Meere durchschwammen. Die Placoidschuppen der Knorpelfische, zu denen Rochen und Haie gehören, sind ein Überbleibsel dieser Knochenpanzer.

Wie Schuppen werden diese Haut-Zähne, wie auch die gefürchteten Zahnreihen im Hai-Gebiss, ständig erneuert. Die Placoidschuppen schützen den Hai außerdem vor Parasiten und Verletzungen und veringern vermutlich sogar seinen Widerstand beim Schwimmen. Dem Katzenhai Scyliorhinus canicula, mit seiner für Haifische eher bescheidenen Größe von maximal einem Meter, kommen diese Haut-Zähne aber noch zu einem ganz anderen Zweck zugute.

David Sims und Emily Southhall, Wissenschaftler der Marine Biological Association of the United Kingdom filmten junge Katzenhaie, wie sie mit Hilfe ihrer Haken-Haut ganze Tintenfische zerlegten. Die nur wenige Tage alten Baby-Haie zeigten dabei ganzen Körpereinsatz: Sie bogen ihren Schwanz nach vorne, bis sich die Haut-Zähne in dem Tintenfisch festhakten, den sie fest im Maul hielten. Hatte sich ihr Schwanz dann im Tintenfisch verankert, ließen sie ihren Kopf zurückschnappen und zerissen das Weichtier so in Stücke.

Die Forscher vermuten, dass der Grund für diese sportliche Fress-Performance darin liegt, dass die jungen Haie noch nicht kräftig genug zubeißen können, um ihre Beute allein durch Schütteln auseinander zu reißen. Bei ausgewachsenen Katzenhaien haben die Forscher dieses Verhalten zumindest noch nicht beobachtet. "Dieses völlig neue Fressverhalten ähnelt dem anderer Tiere, die Werzeuge benutzen", sagt dazu Philipp Motta der University of South Florida in Tampa, "doch die Haie benutzen hier ein Körperteil, das ursprünglich eine ganz andere Funktion hat".

David Sims vermutet, dass dieses Verhalten vererbt ist, da es schon bei Haien auftritt, die nur wenige Tage alt sind. "Es handelt sich vermutlich um ein Verhaltens-Programm, das während der Evolution konserviert wurde", so Sims. Die Forscher vermuten daher, dass sie diese "Raspel-Technik" auch bei verwandten Haiarten finden werden.

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