Menstruation: Die versteckten Vorzüge der Regelblutung

Ratten, Wale, Giraffen und Menschen haben in Sachen Fortpflanzung vieles gemein. Ihre Babys kommen nach einer relativ langen Schwangerschaft gut entwickelt zur Welt. In den ersten Wochen ernähren sie sich von der Milch, die ihre Mütter produzieren. Bei weiblichen Nachkommen ist der gesamte Vorrat an Eizellen bei der Geburt bereits angelegt. In der Pubertät beginnt ihr Körper damit, diese Oozyten regelmäßig heranreifen zu lassen – womit die Individuen fortpflanzungsfähig werden. Bei all jenen Übereinstimmungen gibt es jedoch etwas, bei dem wir uns von den anderen drei der oben genannten Arten unterscheiden: Wir gehören der kleinen Gruppe von Tieren an, bei der eine Menstruation vorkommt.
Ein Großteil der Säuger vollzieht die Fortpflanzung ganz ohne Periode. In ihrem Östruszyklus baut die Gebärmutter zwar wie bei uns in bestimmten Zeitabständen ihre Schleimhaut auf, um sich auf die mögliche Einnistung einer befruchteten Eizelle vorzubereiten. Doch anders als Menschen scheiden sie das Gewebe nicht aus, wenn es zu keiner Schwangerschaft kommt. Stattdessen nimmt ihr Körper es wieder auf – er resorbiert es.
Von den über 5000 höheren Säugetierarten menstruieren weniger als zwei Prozent
Menstruation ist die Ausnahme
Ein Prozess, der mühsam hergestelltes Fortpflanzungsgewebe ungenutzt entsorgt, erscheint im Gegensatz dazu überaus verschwenderisch. Womöglich erklärt das, weshalb er selten vorkommt: Von den über 5000 höheren Säugetierarten menstruieren nämlich weniger als zwei Prozent. 2020 zählte eine Übersichtsarbeit gerade einmal 84 Arten. Viele, wenn auch nicht alle Menschen-, Altwelt- und Neuweltaffenarten haben Menstruationszyklen. Außerhalb unserer nächsten Verwandten sind Menses äußerst selten, doch es gibt sie, und zwar bei vier Fledermausarten, einer Rüsselspringerart und der Ägyptischen Stachelmaus.
Es ist möglich, dass es noch ein paar weitere Spezies gibt, die menstruieren. Welche das sind, ist aber gar nicht so einfach nachzuweisen. Dazu bedarf es nämlich einer genauen Beobachtung. Selbst bei gesunden Tieren weist eine vaginale Blutung nicht zwingend auf eine Menstruation hin. Ein Beispiel ist die Läufigkeit von Hunden. Die hierbei auftretende Blutung entsteht durch Gefäßveränderungen in der wachsenden Gebärmutterschleimhaut. Der Körper der Vierbeiner stellt sich damit auf eine Befruchtung ein. Deshalb handelt es sich um keine Menses; der Prozess dient schließlich nicht dazu, sich der Schleimhaut zu entledigen.
Themenwoche Fruchtbarkeit
Bei manchen klappt es ganz schnell, während der Kinderwunsch anderer lange unerfüllt bleibt. Dafür gibt es mehrere mögliche Gründe: von Störungen im weiblichen Zyklus bis hin zu unfitten Spermien. Welche Beschwerden sollten Frauen besonders ernst nehmen, wenn sie sich um ihre Fruchtbarkeit sorgen? Was hat es mit der Hormonstörung PCOS auf sich, und wie lässt sie sich behandeln? Welche Möglichkeiten haben Paare, wenn die erwünschte Schwangerschaft auf sich warten lässt? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert »Spektrum.de« in einer Themenwoche.
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Alle Inhalte zur Themenwoche »Fruchtbarkeit« finden Sie auf unserer entsprechenden Themenseite.Menstruierende Arten finden sich in sehr unterschiedlichen Teilen des Stammbaums der Säugetiere. Evolutionsbiologinnen und -biologen schließen daraus, dass die Periode sich mindestens viermal unabhängig voneinander entwickelt haben muss – je einmal bei den Primaten, den Fledermäusen, den Nagetieren und den Rüsselspringern. Wenn ein erbliches Merkmal im Lauf der Evolution mehrfach entsteht und sich bewährt, deutet das auf einen Vorteil hin, den es den betreffenden Arten bietet. Das führt zu der Frage: Welche Vorzüge hat also die Menstruation?
Suche nach dem Zweck
Wissenschaftliche Untersuchungen zu dieser Frage nahmen in den 1990er Jahren Fahrt auf. So stellte Margie Profet von der University of California in Berkeley 1993 eine Theorie über den Zweck der Menses auf. Die Evolutionsbiologin postulierte, die Periode schütze vor Infektionen und diene dazu, Krankheitserreger loszuwerden, die mit Spermien in den weiblichen Fortpflanzungstrakt gelangen. 1996 versuchte die Anthropologin Beverly Strassmann von der University of Michigan einen solchen antipathogenen Effekt nachzuweisen. Sie fand allerdings keine Belege, die dafür sprachen. Daraufhin stellte sie eine Gegenthese auf: Die zyklische Blutung koste unterm Strich weniger Energie. Es sei insgesamt aufwändiger, die Gebärmutterschleimhaut dauerhaft in einer stoffwechselaktiven Warteposition zu halten, als sie regelmäßig abzustoßen und neu aufzubauen. Über vier Zyklen spare der Körper etwa das Äquivalent von sechs Tagen Nahrung, überschlug Strassmann.
Menstruation ist möglicherweise nur die Konsequenz einer vorteilhaften Anpassung: der Umwandlung der Gebärmutterschleimhaut
Zwei Jahre später wies der Biologe Colin Finn von der University of Liverpool auf ein grundlegendes Problem dieser These hin: Bliebe die aktive Gebärmutterschleimhaut dauerhaft erhalten, könnte keine Schwangerschaft zu Stande kommen. Das verdickte Gewebe würde nämlich verhindern, dass Eizelle und Spermium zueinanderfinden. Strassmanns Hypothese hätte übersehen, dass sich die Schicht bei menstruierenden Arten nicht nur aufbaut, sondern auch verändert. Finn stellte die Vermutung auf, nicht die Menstruation selbst sei vorteilhaft. Sie sei ein Nebeneffekt der eigentlichen Anpassung: ebenjener Umwandlung der Schleimhaut, die man spontane Dezidualisierung nennt.
Wie das Gewebe wächst und reift
Die Veränderung ermöglicht es der befruchteten Eizelle, sich im Organ einzunisten. Sie betrifft vor allem die Bindegewebszellen der Schleimhaut. Aus ihnen gehen die so genannten Dezidualzellen hervor, die Zucker und Fette einlagern. Ihr Volumen nimmt dabei stark zu, was die gesamte Gebärmutterschleimhaut verdickt. Zugleich bilden und verzweigen sich auch neue Gefäße, die dafür sorgen, dass das Gewebe verstärkt durchblutet wird.
Bei allen höheren Säugetieren findet dieser Prozess statt – meistens aber erst dann, wenn ein Embryo ihn anstößt. In dem Fall spricht man von einer induzierten Dezidualisierung. Die Gebärmutterschleimhaut menstruierender Arten baut sich dagegen unabhängig von der Befruchtung in jedem Zyklus um. Auslöser ist das Hormon Progesteron, das vom Gelbkörper gebildet wird, welcher nach dem Eisprung aus dem Eibläschen entsteht. So wächst die Schleimhaut in der zweiten Zyklushälfte und nimmt eine fleischartige Konsistenz an. Die Veränderung bedingt, dass der Körper sie später nicht resorbieren kann. Wenn sie nicht mehr gebraucht wird, weil sich kein Embryo eingenistet hat, bleibt daher nur noch eine Option: Das Organ muss das überschüssige Gewebe abstoßen und sich seiner so entledigen. Das Resultat ist die Regelblutung.
28 Tage sind nicht die Regel
Menstruation leitet sich vom lateinischen Wort mensis ab, dem Monat. Das klingt einleuchtend, schließlich dauert der gesamte Prozess im Durchschnitt über alle Frauen knapp einen Monat. Die oft genannten 28 Tage sind aber nicht die Regel, sondern die Ausnahme: Nur etwa zehn Prozent aller Menstruierenden haben wirklich einen Vierwochenzyklus. Die überwiegende Mehrheit bekommt die Blutung in kürzeren oder längeren Abständen.
Ein evolutionärer Kompromiss
Ein Team um die Evolutionsbiologin Deena Emera von der Yale University befasste sich 2012 mit Finns Theorie und leitete daraus zwei mögliche evolutionäre Erklärungen ab. Die Fachleute betrachteten spontane Dezidualisierung als vorteilhafte Anpassung, die sich aus einer Art Interessenkonflikt zwischen Mutter und Fötus entwickelt hat. Denn während Letzterer möglichst viele Ressourcen für sich vereinnahmt, versucht der Körper der Schwangeren, ihn dabei zu begrenzen. Es entsteht also ein Kompromiss, der die Überlebenschancen der Frau und ihres ungeborenen Kindes bestmöglich in Einklang bringt.
Spontane Dezidualisierung könnte sich als Gegenreaktion entwickelt haben, um Schwangere vor zunehmend invasiven Embryonen zu schützen
Die erste Überlegung der Gruppe um Emera beruht auf der Beobachtung, dass Schwangerschaften menstruierender Primaten, Fledermäuse und Rüsselspringer besonders invasiv verlaufen. Die Plazenta gräbt sich bei den Tieren tief in die Gebärmutter ein, wo sie an Blutgefäße andockt und sich direkt mit dem mütterlichen Blutkreislauf verbindet. Das nützt dem Embryo, da es seine Versorgung verbessert. Verwurzelt er sich jedoch zu tief, gefährdet das das Leben der Schwangeren. Es kann dann zu intensiven Blutungen kommen, weil das embryonale Gewebe Organe verletzt oder sich im Lauf der Geburt nicht vollständig von der Gebärmutter löst. Emera und ihre Kollegen vermuten, die spontane Dezidualisierung könnte sich als Gegenreaktion entwickelt haben, um Schwangere vor zunehmend invasiven Embryonen zu schützen.
Lebensbedrohliche, abnorme Verwachsungen der Plazenta kommen auch bei Menschen vor. Sie treten vor allem bei Schwangeren auf, deren Gebärmutter bereits zuvor Verletzungen erlitten hatte. Meist entstehen diese durch frühere Eingriffe, etwa einen Kaiserschnitt oder eine Ausschabung. Verheilt die Wunde nicht ideal und vernarbt stark, beeinträchtigt das die Gebärmutterschleimhaut und begünstigt dadurch übermäßige Plazentaverwachsungen. Das geschädigte Gewebe tut sich schwer damit, die einwandernde Plazenta zurückzuhalten. Auch bei Eileiterschwangerschaften verankert sich der Embryo tief in nicht dezidualisierter Schleimhaut und bringt Betroffene so in Lebensgefahr.
Überflüssig, unrein, giftig …
Bereits in der Antike suchten Menschen nach einer Erklärung für die Menstruation. Der griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras formulierte eine der ersten Theorien. Er postulierte, die Regelblutung diene dazu, überschüssige Nährstoffe auszuscheiden. Pythagoras glaubte, der weibliche Körper sei dem männlichen unterlegen, weshalb er – so wie viele weitere Denker und Forscher nach ihm – die Periode als Schwäche deutete.
Bis ins 19. Jahrhundert prägte die antike Viersäftelehre die Interpretation von Menstruation. Gemäß der Vorstellung, Gesundheit beruhe auf der Ausgewogenheit von vier Körpersäften, verstand man sie über viele Epochen hinweg als körperliche Reinigung. Was blutend ausgeschieden wurde, legte man unterschiedlich, zumeist jedoch nachteilig aus: als überflüssig, unrein oder sogar giftig. Seit gut 100 Jahren weiß die moderne Medizin um die physiologischen Vorgänge des weiblichen Zyklus. Den Aberglauben vom Menstruationsgift widerlegten Fachleute dagegen erst 1958.
Schwangerschaft als teure Investition
Der zweite Erklärungsansatz von Emeras Team sieht in dem Prozess eine Art Qualitätskontrolle. Die Schleimhaut prüfe so, ob eine Schwangerschaft Erfolg versprechend ist, und zwar bereits bevor sich ein Embryo einnistet. Das tue sie, indem sie nur Embryonen mit hohen Überlebenschancen akzeptiert. Die Idee basiert auf Zellkulturexperimenten. Fachleute inkubierten dazu drei Tage lang dezidualisierte Schleimhautzellen zusammen mit wenige Tage alten Embryonen. Viele von ihnen hatten schwere Erbgutschäden und hörten deshalb auf zu wachsen. Die Dezidualzellen, die mit derart beschädigten Embryonen in Kontakt standen, reagierten anders als jene, die mit funktionsfähigen Embryonen inkubiert wurden. Sie schütteten bestimmte Stoffe in veränderten Mengen aus. In einem lebenden Organismus könnte dies die Einnistung in die Gebärmutter erschweren. So eine Anpassung ermöglicht einen erhöhten Fortpflanzungserfolg: Der mütterliche Organismus legt bestimmte Qualitätskriterien an und investiert nur mit entsprechender Aussicht auf Erfolg in eine Schwangerschaft.
Vielleicht setzt der Körper Schwangerer Ressourcen so gezielt ein, statt sie einem Embryo unkontrolliert zu überlassen
Einige Beobachtungen unterstützen diese Hypothese. Die meisten Säuger bringen pro Wurf mehrere Nachkommen zur Welt. Menstruierende Tiere tragen pro Trächtigkeit hingegen oft nur ein bis zwei Babys aus. Eine Gebärmutterschleimhaut, die einen Embryo mit schlechten Überlebenschancen früh erkennt und abstößt, bevor der Körper weitere Ressourcen investiert, könnte für sie besonders nützlich sein. Bei Menschen enden etwa 10 bis 25 Prozent aller Schwangerschaften in einem spontanen Abbruch. Eine Studie fand Hinweise darauf, dass bei einer Beeinträchtigung der Dezidualisierung Betroffene zwar schneller schwanger würden, aber auch häufiger Fehlgeburten erlitten.
Die beiden Erklärungsansätze schließen einander nicht aus. Sie könnten sogar zwei Seiten derselben Medaille darstellen – beide laufen nämlich darauf hinaus, dass der Körper der Schwangeren seine Ressourcen gezielt einsetzt, anstatt sie einem Embryo unkontrolliert zu überlassen. Die Menstruation könnte der Nebeneffekt dieser Anpassung sein.
Die Arbeitsgruppe um Emera schlägt auch einen möglichen Weg vor, wie der Menstruationszyklus aus dem unter den Säugetieren weit verbreiteten Östruszyklus hervorgegangen sein könnte. Die meisten Arten benötigen neben einem ansteigenden Progesteronspiegel ein zusätzliches Signal, um die Dezidualisierung anzustoßen. Dieses geht bei ihnen vom Embryo aus. Jene, die menstruieren, nutzen sozusagen eine Abkürzung: Die Menstruation entkoppelt den Prozess vom embryonalen Stimulus und bedingt, dass Progesteron allein als Startsignal ausreicht. Eine zufällige Mutation könnte das ermöglicht haben. Weil sie – wie oben beschrieben – bestimmte Vorteile bot, blieb das neue Merkmal genetisch erhalten und setzte sich schlussendlich durch.
»Die meisten menstruierenden Spezies eignen sich nicht für die Forschung im Labor«Christian Feregrino, Evolutionsbiologe
Die Geheimnisse der Stachelmaus
Obwohl Milliarden Menschen menstruieren, weiß die Forschung jenseits der grundlegenden Mechanismen wenig über den Zyklus. Viele physiologische Erkenntnisse gehen auf frühe Versuche an Rhesusaffen zurück. Solche Tierexperimente sind allerdings nicht nur aufwändig und teuer, sondern auch aus ethischer Sicht problematisch. »Es ist nicht leicht, Menstruation zu erforschen«, erklärt Christian Feregrino vom Max-Planck-Institut für Genetik in Berlin. »Die meisten menstruierenden Spezies eignen sich nicht für die Forschung im Labor.« Unter ihnen gibt es kaum Tiere, die man relativ einfach und kostengünstig züchten, halten und untersuchen kann. Das trifft sowohl auf Primaten als auch auf Fledermäuse und Rüsselspringer zu. Nur die Ägyptische Stachelmaus (Acomys cahirinus), deren Menstruationszyklus Forschende 2016 entdeckten, ist in der Hinsicht viel versprechend. Feregrino möchte mehr darüber herausfinden, wie ihre Menses vonstattengeht. Ein schottisches Labor stellt ihm dafür Gewebe aus Gebärmuttern der Tiere zur Verfügung.
Von Mäusen zu Menschen
Ägyptische Stachelmäuse sind die einzigen Nagetiere, bei denen sich bisher ein Menstruationszyklus nachweisen ließ. Dieser dauert rund neun Tage; in drei davon kommt es zur Blutung. Der Zyklus selbst scheint dem menschlichen erstaunlich ähnlich zu sein. Manche Tiere zeigen sogar Symptome eines prämenstruellen Syndroms. Dabei sondern sie sich ab, gehen Berührungen aus dem Weg und essen mehr. Ältere Individuen durchlaufen zudem eine Art Menopause. Auf Grund ihrer bemerkenswerten Wundheilung hatten die Nager bereits das Interesse von Forschern geweckt, als der damaligen Doktorandin Nadia Bellofiore 2016 zufällig auffiel, dass sie menstruieren.
Seine Arbeitsgruppe interessiert besonders, ob der Zyklus der Nager dem menschlichen auch auf molekularer Ebene entspricht. Dazu untersucht sie unter anderem, was ihren Gebärmutterzellen signalisiert, die Schleimhaut aufzubauen. Im Organ der Mäuse findet man dieselben Zelltypen wie bei Menschen. Und einige Gene, die bei uns an der spontanen Dezidualisierung mitwirken, ähneln denen der Tiere. »Die Frage ist, wie sie an- und ausgeschaltet werden«, erläutert Feregrino. Genau wisse man dies zwar noch nicht. »Doch wir ahnen, dass sich ihre Steuerung von der bei Menschen unterscheidet«, so der Evolutionsbiologe.
Mensch und Stachelmaus sind evolutionär nur entfernt verwandt. Viele Millionen Jahre Entwicklung in unterschiedliche Richtungen liegen zwischen ihnen und ihrem gemeinsamen Vorfahren. Dennoch könnte es für die weitere Forschung sehr hilfreich sein, die Faktoren aufzuschlüsseln, die bei den Nagern die Menses bedingen. Das Wissen könnte man beispielsweise nutzen, um diese in nicht menstruierende Arten wie Hausmäuse einzubringen. »Damit hätten wir eine Möglichkeit, die die Erforschung der Menstruation erleichtert«, erklärt Feregrino. »Weil wir an einem Tiermodell arbeiten könnten, das laborerprobt ist.«
Der Zyklus gibt nach wie vor Rätsel auf
Trotz plausibler Theorien bleibt weiterhin offen, weshalb sich die monatliche Blutung bei Menschen im Lauf der Evolution durchgesetzt hat. Wie die Umbauten in der Gebärmutterschleimhaut zu typischen Regelbeschwerden beitragen, ist ebenfalls noch kaum verstanden. Mögliche krankhafte Veränderungen reichen vom prämenstruellen Syndrom über Endometriose bis hin zum polyzystischen Ovarialsyndrom. »Es gibt vieles, was mit dem Zyklus assoziiert und schlecht erforscht ist«, betont Sylvia Mechsner, Leiterin des Endometriosezentrums an der Berliner Charité. »Finanzierung für unsere Arbeit zu bekommen, ist extrem schwierig.« Die Fördergelder seien in den letzten zehn Jahren geschrumpft, Projektanträge würden fast immer abgelehnt, und ihr Labor sei mittlerweile auf Spenden aus privater Hand angewiesen, so Mechsner.
»Es gibt vieles, was mit dem Zyklus assoziiert und schlecht erforscht ist«Sylvia Mechsner, Gynäkologin
Die Wissenslücken zu schließen, könnte neue Wege eröffnen, mit dem weiblichen Zyklus verbundene Symptome und Erkrankungen zu lindern. Dabei spielt die Grundlagenforschung eine wichtige Rolle. Denn in Sachen Menstruation hat sich in kurzer Zeit vieles verändert: Die heute verbreiteten hormonellen Verhütungsmittel wirken auf den Hormonhaushalt und die Gebärmutter ein, und die mittlere Zykluszahl von Frauen hat sich in Europa stark erhöht. »Noch vor 100 Jahren haben Frauen in ihrem Leben nur ungefähr 40-mal geblutet, heute tun sie es im Durchschnitt 400-mal«, so Mechsner. Jede zusätzliche Blutung liefert eine neue Möglichkeit, dass etwas in dem komplizierten Prozess schiefläuft. Das resultiert nicht nur häufiger in unangenehmen Begleiterscheinungen, sondern macht den weiblichen Körper auch anfälliger für Erkrankungen. Ein Mittel, das an der Wurzel des Problems ansetzt, könnte also vielen Frauen Leid ersparen.
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