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News: Früh übt sich...

Reizentzug beeinflußt diejenigen Hirnbereiche, die für die Verarbeitung der sensorischen Reize zuständig sind. Neue Tierversuche belegen nun, daß dadurch überraschenderweise auch die Entwicklung und Organisation jener Gehirnzentren unterdrückt wird, die bei der Steuerung willkürlicher Bewegungen mitwirken. Die Auswirkungen sind besonders drastisch, wenn der Reizentzug in den frühen Lebensabschnitten stattfindet.
„Die Forschung legt nahe, daß das Feedback des motorischen Cortexsystem des Gehirns auf sensorische Reize eine der entscheidenden Triebkräfte ist, die die motorische Funktion während der Entwicklung formt”, sagt der Autor der Studie, George Huntley von der Mount Sinai School of Medicine in New York. „Die Entdeckung läßt auch erkennen, daß es in der frühen Entwicklung eine zeitlich begrenzte Periode gibt, in der das motorische System am stärksten auf von außen kommende sensorische Signale mit einer Veränderung und Verfeinerung reagiert.”

„Dies kann für den Menschen bedeuten, daß visuelle Störungen während der ersten Lebensphase nicht nur jene sensorischen Gehirnbereiche beeinträchtigen, die Bilder verarbeiten, sondern auch die Gebiete des motorischen Cortex, die eine Vermittlungsfunktion für die visuell gesteuerte motorische Koordination ausüben”, sagt Huntley (Journal of Neuroscience vom 1. Dezember 1997).

„Die Studie bekräftigt die Auffassung, daß Kinder in ihrer Entwicklung sensorische und motorische Erfahrungen benötigen”, bemerkt Jon Kaas, Experte für Wahrnehmungssysteme an der Vanderbilt University in Nashville. „Während ein Wahrnehmungsentzug schädlich ist, können überdurchschnittliche sensorische und motorische Bedingungen zu außergewöhnlichen Individuen führen.”

Während seiner Studie testete Huntley die Auswirkungen einer Form des Wahrnehmungsentzugs, indem er die Schnurrhaare von Ratten stutzte. Dadurch wurden die sensorischen und motorischen Bereiche der Hirnrinde der Tiere mit abnormen Signalen versorgt. Ratten verwenden die Schnurrhaare an der Schnauze so wie Menschen ihre Fingerspitzen benutzen: Sie erforschen und unterscheiden damit Oberflächeneigenschaften wie die Textur. Für ihre Funktion sind die motorischen Gehirnbereichen zuständig, zu denen der motorische Cortex und der somatosensorische Cortex gehören. Durch den motorischen Cortex werden die Haare vor und zurück bewegt, während im somatosensorischen Cortex die empfangenen Signale verarbeitet werden. Huntley untersuchte zum einen eine Gruppe erwachsener Ratten, deren Schnurrhaare kurz nach der Geburt auf der einen Seite der Schnauze abgeschnitten wurden, sowie eine andere Gruppe, deren Haare erst im Erwachsenenalter gestutzt wurden.

Durch eine im motorischen Cortex der Tiere implantierte, stimulierende Elektrode konnte motorischer Aktivität erfaßt werden. „Die Studienergebnisse zeigen deutlich geringere motorische Aktivität – sowie einige abnorme Muster derselben – bei jenen Ratten, deren Schnurrhaare von Geburt an beschnitten waren”, sagt Huntley. „Die andere Gruppe hingegen zeigte keine signifikanten Veränderungen beim Ausmaß der aufgezeichneten motorischen Aktivität, aber es waren einige geringe Veränderungen bei der Art der ausgelösten motorischen Aktivität zu verzeichnen.”

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