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Klimakrise: Frühe Klimamodelle haben Erderwärmung exakt vorhergesagt

Schon die zwischen 1970 und 2007 veröffentlichten Klimamodelle haben den später eingetretenen globalen Temperaturanstieg richtig vorhergesagt. Das zeigt den Wert von weltweit gesammelten Beobachtungen für das Feintunig unserer Klimamodelle in Zeiten der Erderwärmung.
Gletscher im Nationalpark Hohe Tauern

Klimamodelle sind von Supercomputern durchgerechnete Gleichungen klimarelevanter Prozesse. Sie sind ein unverzichtbares Hilfsmittel, um wissenschaftliche Hypothesen zu überprüfen, liefern aber auch Prognosen, die für die Entwicklung unserer Gesellschaften wichtig sind. Und das schon seit Langem: Bereits aus den 1970er Jahren stammen die ersten Klimamodelle, die auf einem global umspannenden Raster die Entwicklungen und Wechselwirkungen der Atmosphäre und der Ozean- und Landoberflächen numerisch beschreiben.

Seit dem ist die Oberfläche der Erde wärmer geworden, was zum großen Teil auf den erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen zurückzuführen ist. In einer neuen, in »Geophysical Research Letters« erschienenen Studie hat ein Team um Zeke Hausfather von der University of California in Berkeley gerade die Qualität der Prognosen von zwischen 1970 und 2007 veröffentlichten Klimamodellen im Rückblick bewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass jene frühen Modelle die physikalischen Verhältnisse zutreffend eingeschätzt haben – und die später tatsächlich beobachtete globale Oberflächenerwärmung exakt prognostiziert haben.

Die Autoren betonen dabei einen wesentlichen Punkt: Die Prognosefähigkeit von Klimamodellen kann durch zukünftige, nicht vorhersehbare klimabeeinflussende Faktoren eingeschränkt sein. Denn viele wichtige Treiber des Prozesses – etwa eine höhere Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht wird – sind Folge von menschlichen Handlungen und Entscheidungen, die nicht immer leicht vorhergesagt werden können. Tatsächlich haben die frühen Klimamodellierer Schätzungen für zukünftige Klimafaktoren durchaus in ihre Prognosen einbezogen. Sie konnten aber zum Beispiel kaum wissen, wie die globale Industralisierung voranschreitet und welche CO2-Emissionen damit einhergehen werden.

Hausfather und Kollegen haben deswegen eine Bewertungsmethode für die Vorhersagen früher Klimamodelle entwickelt, bei der eine womöglich ungenaue Einschätzung unbekannter zukünftiger Klimafaktoren nicht negativ angerechnet wird. Damit untersuchten die Autoren 17 Projektionen der globalen mittleren Oberflächentemperatur (GMST) von 14 Modellen. Zehn der Projektionen sagten die später tatsächlich eingetretenen Klimabeobachtungen korrekt voraus, ohne dass der von Hausfather entworfene Korrekturfaktor überhaupt zum Tragen kam. Vier weitere Projektionen stimmten mit den realen Messwerten überein, als die Forscher die unberücksichtigten Ungenauigkeiten in den Schätzungen der Klimafaktoren einrechneten. Damit blieben drei abweichende Modellvorhersagen: Zwei sagten eine stärkere Erdoberflächenerwärmung voraus, eine eine geringere Erhitzung als die tatsächlich beobachtete.

Es stellt schon eine enorme wissenschaftliche und rechnerische Herausforderung dar, wenn verlässliche Klimamodelle mit Hilfe gut verstandener klimarelevanter Prozesse erstellt und in gut formulierten Gleichungen beschrieben werden sollen. Um Klimaprozesse mathematisch zu fassen, sind komplexe Gleichungen nötig, die nur mit erheblicher Rechenleistung gelöst werden können; und aus diesem Grund wurden Klimamodelle immer auf den schnellsten verfügbaren Supercomputern ausgeführt. In der Hinsicht ist es besonders beeindruckend, dass die frühesten der von Hausfather et al. bewerteten Modelle durchaus genaue GMST-Prognosen lieferten: Denn die damals verfügbare Rechenleistung war, im Vergleich zu heute, extrem limitiert.

Univac-1108-Computer | Auf Großrechnern wie diesem Univac-1108 sind in den 1970er Jahren Klimamodelle gerechnet worden. Die Rechenleistung der Geräte war im Vergleich zu heute bescheiden, die physikalischen Umwelteinflüsse und ihre Folgen konnten damit aber recht zutreffend modelliert werden. Die in den letzten fünf Jahrzehnten veröffentlichten Klimamodelle sagen daher die später tatsächlich beobachteten Veränderungen der globalen mittleren Oberflächentemperatur der Erde ziemlich genau voraus.

Die Ergebnisse der Autoren zeigen, wie genau Klimamodelle Durchschnittswerte wie die GMST vorhersagen können – allerdings reicht das nicht, um Auswirkungen des laufenden Klimawandels einschätzen und sich womöglich darauf vorbereiten zu können. Gerade regionale Klimaveränderungen sind besonders stark von unvorhersehbaren Schwankungen beeinflusst, was das Prognosepotenzial in diesen Fällen deutlich einschränkt – und das gilt selbst dann, wenn die Einfluss nehmenden Klimafaktoren bekannt sind und man sich den Wandel nur auf einer eher groben Jahrzehnte-Zeitskala ansieht. Einiges ist ohnehin schwer auf bloßer Grundlage einer GMST-Prognose vorherzusagen: etwa, in welchem Umfang der Meeresspiegel steigen wird; wie die Versauerung der Ozeane durch die Aufnahme von atmosphärischem CO2 die Meeresökosysteme beeinflussen wird; und wie häufig und wie schwer künftige Brände, Dürren und Überschwemmungen ausfallen.

Wissenschaftler müssen die Klimamodellierung weiter verbessern und ihr Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels vertiefen. Dabei gilt es, verschiedene Aspekte zu berücksichtigen: Die Modelle sollten immer höher aufgelöst sein und die klimarelevanten Prozesse immer genauer darstellen können, während gleichzeitig immer mehr Simulationen unvorhersehbare Einflüsse immer besser abbilden sollen. Dass die frühen Klimamodelle die GMST gut vorhersagen konnten, ist beeindruckend, es bleibt aber – Wissenschaftlern, Politikern und Interessenvertretern dürfte das allzu bekannt sein – noch einiges zu tun.

Auf mathematischen Gleichungen basierende numerische Modelle zur Beschreibung der Atmosphäre sind heute Alltag – und wir gründen darauf Entscheidungen, die Leben retten und Geld sparen. Weil unser Klima sich vor allem auf Grund menschlicher Aktivitäten weiter verändert, sind Wissenschaftler aber in der Pflicht, Menschen den Wert numerischer Modelle und der ihnen zu Grunde liegenden Gleichungen immer wieder nahezubringen – und ihre Kenntnisse zu nutzen, zu verbessern und zu kommunizieren. Mit Blick auf die physikalischen Vorgänge lagen Klimamodelle bei der Prognose von GMST seit Jahrzehnten richtig – während gleichzeitig immer mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt ist. Vorhersagen wie diese sind nützlich, um die maximale Menge an CO2 abzuschätzen, die im Lauf der Zeit in die Atmosphäre freigesetzt werden kann, ohne dass die Erwärmung ein bestimmtes Niveau übersteigt.

Die Studie zeigt aber vor allem, dass Unsicherheiten bei GMST-Prognosen zu einem großen Teil von bestimmten Klimafaktoren ausgehen: Treibern, unter denen vor allem die Treibhausgasemissionen durch den Menschen für die zukünftige Oberflächenerwärmung bestimmend bleiben werden. Die Modellierung der Klimazukunft mit GMST wird, wie die neuen Resultate zeigen, sicher weiter einen Wert haben, auch wenn die Treibhausgasemissionen steigen, und das unabhängig vom Einfluss unbekannter zukünftiger Klimafaktoren. Die Wissenschaft bleibt aber aufgerufen, ihre Klimamodelle weiterzuentwickeln und alle verfügbaren Daten möglichst zu integrieren: Nur so können wir uns auf Zeiten einstellen, in denen das veränderte Klima mehr von uns verlangt, als nur die mittlere Erwärmung der Erdoberfläche verlässlich vorherzusagen.

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