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Menschheitsgeschichte: Frühe Pazifiküberquerung

Offenbar kam es um 1200 n. Chr. zu einer Vermischung südamerikanischer und polynesischer Ureinwohner. Die Bewohner Südamerikas erreichten damit bereits mehr als fünf Jahrhunderte vor den Europäern polynesische Inseln.
Sonnenaufgang bei Tongariki auf der Osterinsel

Im Jahr 1947 überquerte der Entdecker und Archäologe Thor Heyerdahl in 101 Tagen den Pazifik auf einem Floß aus Balsaholz. Mit dieser fast 7000 Kilometer langen Reise versuchte er die wissenschaftliche Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass es bereits viel früher als angenommen zu Kontakten zwischen den Indianern Südamerikas und den Bewohnern Polynesiens gekommen war. Im Fachmagazin »Nature« präsentieren Forscher nun Ergebnisse, die Heyerdahls These stützen: Die Wissenschaftler hatten die Gene von mehr als 800 polynesischen und indianischen Ureinwohnern analysiert und Hinweise auf eine Vermischung der beiden ethnischen Gruppen zwischen 1150 und 1230 n. Chr. gefunden. Demnach hätte es bereits mehr als fünf Jahrhunderte vor der Ankunft der Europäer in Polynesien Kontakt zwischen der südamerikanischen und der polynesischen Bevölkerung gegeben.

Frühere Genomstudien waren bislang zu widersprüchlichen Ergebnissen gekommen. Sie hatten sich in der Regel auf einen möglichen Kontakt von Bewohnern der Osterinsel und Südamerika konzentriert. Die Osterinsel ist die Südamerika am nächsten gelegene bewohnte polynesische Insel. Es wurde angenommen, dass Menschen von dort nach Südamerika reisten und wieder zurückkehrten. Das wurde zur akzeptierten Erklärung dafür, dass etwa die südamerikanische Süßkartoffel eine lange Geschichte des Anbaus in Polynesien hat. Andere behaupten jedoch, sie sei auf natürlichem Weg dorthin gelangt.

Wie die neue Studie nun zeigt, fand der erste Kontakt offenbar auf einem Archipel Ostpolynesiens statt, etwa den südlichen Marquesas. Denn mehrere ostpolynesische Populationen weisen genetische Spuren von südamerikanischen Vorfahren auf. Diese Art des ersten Kontakts hatte bereits Heyerdahl vorgeschlagen. Die jetzigen Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass das Zusammentreffen bereits früher stattfand als zuvor angenommen und sich über mehrere Inseln in Polynesien erstreckte.

Tatsächlich fanden also schon vor vielen Jahrhunderten Reisen zwischen Südamerika und Ostpolynesien statt, so wie Heyerdahl vermutete. Das bedeutet, dass die Ureinwohner Polynesiens lange vor der Ankunft der Europäer in der Region genetisch und kulturell von südamerikanischen Ureinwohnern beeinflusst wurden. Die wissenschaftliche Bestätigung kommt für Heyerdahl jedoch zu spät. Er starb im Jahr 2002. Allerdings war er zu Lebzeiten auch ohne solche Beweise vollkommen davon überzeugt gewesen, dass Menschen und Kulturen in früheren Zeiten über die Kontinente hinweg miteinander Kontakt hatten. Im Jahr 1970 segelte er mit einem Boot aus Papyrus von Marokko nach Barbados, um zu zeigen, dass auch Atlantiküberquerungen schon vor Kolumbus stattgefunden haben könnten.

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