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News: Früher Städtebau in Jordanien

Das nördliche Jordanien bietet Archäologen eine große Fülle von Spuren früherer Siedlungen und vergangener menschlicher Kulturen. Dabei sind nicht nur Ruinenstätten wie Gerasa oder Gadara, Großstädte der hellenistisch-römischen Zeit, zu finden. Zahlreiche überreste stammen etwa noch aus der frühen Bronzezeit (etwa 3400-2250 v. Chr.), als Palästina von einer ersten Welle des Städtebaus erfasst wurde. Sie weisen auf frühe kulturelle Verbindungen zwischen Mesopotamien und Palästina hin.
Siegfried Mittmann vom Arbeitsbereich Biblische Archäologie des Evangelisch-theologischen Seminars der Universität Tübingen war an mehreren Oberflächenuntersuchungen und Ausgrabungen in Jordanien und im Libanon beteiligt, bevor er sich der frühbronzezeitlichen Stadt Hirbet ez-Zeraqon, etwa zehn Kilometer nordöstlich der nordjordanischen Universitätsstadt Irbid mit einer eigenen Grabung zuwandte.

"Es herrscht weithin die Vorstellung, die biblische Archäologie beschränke sich auf die Zeit der Bibel. Wir erforschen jedoch die Kulturen des Landes der Bibel von der Stein- bis zur Neuzeit", erklärt Mittmann. Die Eingrenzung des Forschungsgebiets der biblischen Archäologie sei eher geographisch zu verstehen, es umfasse etwa das heutige Gebiet Israels, der Palästinenser und Jordaniens. Der evangelische Theologe hat bereits in den 60er Jahren im nördlichen Jordanien Oberflächenuntersuchungen durchgeführt, mit denen er die Siedlungsgrößen, -befunde und -dichten eines großen Gebietes grob erfasste. Erst in den 80er Jahren konnte der Forscher auf einer der vielen ehemals registrierten Siedlungen, Hirbet ez-Zeraqon, auch Grabungen vornehmen. Der Bau erstmals befestigter Städte, stellt Mittmann fest, sei das eigentliche Merkmal der so genannten frühen Bronzezeit, die von etwa 3400 bis 2250 v. Chr. andauert. Der namengebende Rohstoff Zinnbronze sei dagegen erst gegen Ende dieser Epoche gebräuchlich gewesen. Die Forscher können bisher nur spekulieren, warum die frühen Städte bereits gegen Ende der frühen Bronzezeit allesamt rasch untergingen.

Die Stadt Hirbet ez-Zeraqon hat die Arbeitsgruppe von Mittmann in Zusammenarbeit mit dem Institute of Archaeology and Anthropology der Yarmouk University in Irbid, Jordanien, und seinem damaligen Leiter, Professor Moawiyah Ibrahim, in acht Ausgrabungskampagnen von 1984 bis 1994 teilweise freigelegt. Den Forschern kam dabei zugute, dass der Hügel nach dem Untergang der frühbronzezeitlichen Stadt unbesiedelt blieb. Hirbet ez-Zeraqon lag in einer fruchtbaren Hochlandebene. Kreuzfahrer bezeichneten das Gebiet sogar als das Land des "dicken Bauern". Doch die Niederschlagsmengen reichen nur knapp aus, um Getreide anzubauen. Daher hatten die Menschen der frühen Bronzezeit neben Emmer, Gerste, Linsen, Kichererbsen und Flachs vor allem auch die typischen palästinischen Kulturpflanzen Weinstock, Ölbaum und Feige angebaut.

Aus der topographischen Lage der Stadt schloss Mittmann, dass die frühen Städter ein Wasserproblem hatten: Die drei Quellen, aus denen sich die Bewohner versorgten, waren von Hirbet ez-Zeraqon nur über einen langen und mühsamen Ab- und Wiederaufstieg erreichbar. Im Krieg hätten diese Lebensadern leicht abgeschnitten werden können, die Städter wären verdurstet. Möglicherweise diente ein künstliches Tunnelsystem der Notversorgung, das in über 60 Metern Tiefe den talnahen Felsuntergrund des Hügels durchzieht und vom Südteil der Stadt aus zugänglich war. "Sollten die frühbronzezeitlichen Bewohner diese Anlage geschaffen haben, wäre sie ein einzigartiges Denkmal früher Mineurkunst", meint Mittmann. Die etwa sieben Hektar große Stadtanlage bedeckte den Scheitel einer Kuppe, dessen etwa 30 Meter tief absinkende Südhälfte eine Art Unterstadt bildete. Auf jeden der beiden Stadtteile legten die Archäologen einen Grabungsschwerpunkt.

Die Oberstadt bildete offenbar mit dem Haupttor, einer Tempelanlage und dem Palast das funktionale Zentrum. Die Stadt war zumindest teilweise von einer Befestigungsmauer umgeben. Möglicherweise wurde sie nicht ganz geschlossen, weil ein steiler Talhang auf der Ostseite ausreichenden Schutz bot; auch sollte wohl die Sicht- und Rufverbindung zur Vorstadt auf einem vorgelagerten Hügel, Tell el-Fuhhar, nicht behindert werden. Mehrere Tore führten in die Stadt hinein, die in unterschiedliche Komplexe – Wohneinheiten, Tempel- und Palastbereich – eingeteilt war. Eine kreisrunde Plattform aus Kreidebruchsteinen im Tempelhof deuten die Forscher als Brandopferaltar, da sich daneben ein großes, mit Tierknochen durchsetztes Aschedepot fand. Neben dem städtischen hat es aber möglicherweise auch Hauskulte gegeben. Darauf deutet neben anderem eine Plastik hin, die eine Opferszene darstellt und in einem der Wohnbereiche gefunden wurde.

Die Stadtmauern wurden aus Kalkbruchsteinen mit Erdmörtel zusammengefügt, die Häuser aus luftgetrockneten Lehmziegeln. Die Befestigungsmauer wurde von außen und innen immer wieder verstärkt, bis sie eine Breite von sechs bis sieben Metern erreichte. Massive Bastionen neben den Stadttoren sollten wohl auch das Mauersystem stützen. Mittmann vermutet, dass die Erbauer mit solch monumentaler Architektur noch unerfahren waren und erhebliche Probleme mit der Statik hatten, nicht zuletzt auch deshalb, weil Erdbeben in Palästina häufig sind. Vereinzelt ist die Stadtmauer von so genannten Poternen, etwa ein Meter breiten Gängen, durchbrochen. Insgesamt war die Fläche der Stadt Hirbet ez-Zeraqon zu groß, um alle erhaltenen Grundmauern freizulegen. Daher haben die Tübinger Forscher mit Hilfe der physikalischen Prospektion zumindest einen groben Stadtplan erstellt. Durch Messungen des elektrischen Widerstandes im Boden kann mit dieser Methode vor allem kompaktes Mauerwerk und damit die Lage von Häusern, Plätzen und Straßen erfasst werden.

"Leider haben wir keinen Friedhof gefunden", sagt Mittmann. Die Grabbeigaben waren an anderen archäologischen Stätten oft besonders aufschlussreich. Doch übersteigen die unzähligen Keramikscherben, die im Laufe der Grabung gefunden wurden, auch so fast die Tübinger Kapazitäten. Häufig können nur die so genannten diagnostischen Scherben wie Ränder oder Henkel von Gefäßen untersucht werden, die besonders viel über Form und Gestaltung aussagen. Eine Restauratorin hat außerdem in zehn Jahren etwa 260 Gefäße zusammengesetzt. "Unter dem Dach des Instituts lagern aber noch weitere vier Tonnen Scherben und das ist nur etwa ein Drittel dessen, was wir in zehnjähriger Arbeit gefunden haben", erzählt der Archäologe. Die Überreste zeigen, dass bereits zu dieser Zeit ein kultureller Austausch zwischen Mesopotamien und Palästina stattfand, denn viele Abdrücke zeigen bildlich Motive aus dem syrisch-mesopotamischen Kulturkreis.

Historische Geo- beziehungsweise Topographie und Namensforschung ist ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit. So ist er auch dem Namen "Zeraqon" nachgegangen und hat dabei festgestellt, dass er bereits in der Form Zarqu in dem Keilschriftbrief eines palästinischen Stadtfürsten an seinen ägyptischen Oberherrn, wohl den Pharao Echnaton (14. Jahrhundert v. Chr.), erscheint. Allerdings beschränkte sich das spätbronzezeitliche Zarqu auf die ehemalige Vorstadt Tell el-Fuhhar, die nur etwa 1,5 Hektar groß war.

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