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Anthropologie: Frühester Einblick in die Evolution des Menschen

<i>Ardipithecus ramidus</i>
Der Körperbau von Ardi ... | ... zeigt sowohl Merkmale vom Affen als auch vom Menschen. So waren etwa ihre langen Finger zum Klettern geeignet, gleichzeitig konnte sie sich aber auch auf zwei Beinen auf dem Boden fortbewegen.
Bisher repräsentierte das Fossil "Lucy" die früheste bekannte Stufe in der Evolutionsreihe des Menschen. Doch jetzt wird sie abgelöst und zwar von "Ardi": Die Primaten-Frau gehörte zur Art Ardipithecus ramidus und lebte vor 4,4 Millionen Jahren in Äthiopien, damit ist sie gut eine Million Jahre älter als Lucy. Ihr fast vollständig erhaltenes Skelett brachte Forscher so nah heran an den letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Affen wie nie zuvor. Dabei erkannten sie, dass dieser Ahne den heutigen Schimpansen und Gorillas offenbar viel weniger glich als bislang vermutet.

Die Beckenknochen der 1,20 Meter großen und etwa 50 Kilogramm schweren Ardi lassen darauf schließen, dass sie bereits auf zwei Beinen gehen konnte. Das war eine große Überraschung für die Wissenschaftler, denn bisher war man davon ausgegangen, dass sich der aufrechte Gang erst entwickelte, als die Menschen in der offenen Steppe lebten. Vor über vier Millionen Jahren prägten jedoch noch dichte Wälder die Landschaft.

Im Gegensatz zu Lucy, die sich ausschließlich auf zwei Beinen fortbewegte, war Ardi wahrscheinlich sowohl auf dem Boden als auch in den Bäumen zu Hause. Ihre langen, affenartigen Finger eigneten sich zwar zum Klettern, doch die Handgelenke waren weniger stabil und belastbar als die von Schimpansen und Gorillas heute. "Wir sehen hier eine Mosaik-Kreatur, die weder Schimpanse ist noch Mensch. Es ist Ardipithecus", kommentiert Tim White von der University of California Berkeley. Er ist einer von 47 Forschern aus der ganzen Welt, die an den Untersuchungen beteiligt waren.

Das Gebiss des Ardipithecus ramidus ... | ... ist auf dem mittleren Bild zu sehen. Die Eckzähne sind stumpfer als beim Schimpansen (rechts), aber schärfer als die des modernen Menschen (links).
Weitere Einblicke in den evolutionären Übergangsprozess geben Schädel und Gebiss. Das Gehirn war bei Ardi zwar nicht größer als das eines weiblichen Schimpansen, doch der Eingang von Nerven und Blutbahnen an der Unterseite des Schädels saß an einer ähnlichen Stelle wie beim modernen Menschen. Anhand der Zähne konnten die Forscher außerdem auf Veränderungen im Verhalten schließen: Während heutige Schimpansen-Männchen ihre Rivalen oft mit ihren spitzen, oberen Eckzähnen angreifen, sind diese bei Ardipithecus ramidus dafür zu klein und stumpf. Offenbar kam es bei ihrem täglichen Miteinander viel seltener zu brutalen Konkurrenzkämpfen.

Das Skelett von Ardi wurde Anfang der 1990er Jahre in der Region Afar im Nordosten Äthiopiens gefunden, nur 45 Kilometer von der Stelle entfernt, wo Archäologen 1974 die Überreste von Lucy freilegten. Lucy zählte zu der Art Australopithecus afarensis, das Alter ihres Skeletts wird auf 3,2 Millionen Jahre geschätzt.

Lisa Leander

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