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News: Frühstart ins Leben

Erblicken Kinder vor dem errechneten Geburtstermin das Licht der Welt, haben sie oft mit gesundheitlichen Störungen zu kämpfen. Warum Schwangerschaften frühzeitig enden, blieb bislang rätselhaft. Nun scheint eine auslösende Komponente gefunden zu sein - zumindest bei Schafen.
Nicht ohne Grund hat die Natur für jede Säugerart die Dauer einer Schwangerschaft strengstens festgelegt. Schließlich soll der Nachwuchs so weit gediehen sein, dass er außerhalb des Mutterleibs über optimale Startbedingungen verfügt. Ein zu kurzer Aufenthalt in der Gebärmutter geht oftmals mit einer Vielzahl an gesundheitlichen Problemen einher. Für unterentwickelt geborene Babys ist das Risiko an Herz-, Lungen- und Gehirnstörungen zu erkranken oder gar zu sterben, deutlich erhöht.

Frühgeburten treten rund um den Globus auf – Tendenz steigend. In 60 Prozent der betroffenen Schwangerschaften bleibt der Grund für die verfrüht einsetzenden Wehen unklar. Wie Forscher vermuten, kann schwere Unterernährung der Mutter zu Beginn der Schwangerschaft eine vorzeitige Geburt hervorrufen. Doch das experimentelle Beweismaterial für diese These ist bislang dürftig, da eine mangelhafte Ernährung oftmals mit weiteren Faktoren wie Stress und Infektionen Hand in Hand geht.

Um einen möglichen Zusammenhang zwischen der mütterlichen Ernährung und einer verkürzten Schwangerschaft näher zu untersuchen, wählten Frank Bloomfield von der University of Toronto in Kanada und seine Kollegen Schafe als Versuchstiere aus. Acht Muttertiere der Kontrollgruppe durften vor und während ihrer gesamten Trächtigkeit ungezügelt Futter aufnehmen. Weitere zehn Schafe setzten die Forscher jedoch 60 Tage vor und 30 Tage nach der Paarung auf Diät, sodass sich deren Körpergewicht um etwa 15 Prozent verringerte. Anschließend erlaubten sie den Tieren wieder nach Belieben zu fressen.

Während die stets gut genährten Schafe ihren Nachwuchs innerhalb der gewöhnlichen Schwangerschaftsdauer von 145 bis 150 Tagen gebaren, war die Trächtigkeit der zwischenzeitlich hungernden Tiere mit lediglich 139 Tagen deutlich verkürzt. Obwohl die frühgeborenen Lämmer ein ähnliches Gewicht und eine vergleichbare Größe wie ihre Artgenossen nach einer planmäßigen Reifezeit aufwiesen, waren sie kränklich, berichtet Bloomfield. Wie die Daten nahelegen, beeinflusst die Ernährungssituation um den Zeitpunkt der Empfängnis offenbar die Länge der Schwangerschaft.

Zudem stellten die Forscher fest, dass die beiden Hormone Cortisol und Adrenocorticotropin (ACTH) in jenen Föten, deren Mütter einst nur eine reduzierte Kost erhielten, früher als üblich anstiegen. Der Botenstoff ACTH wird vom embryonalen Gehirn produziert und signalisiert den Adrenalindrüsen, Cortisol freizusetzen. Cortisol wiederum regt sowohl bei Schafen als auch beim Menschen viele Organe – einschließlich der Lungen – zum Reifen an und löst vermutlich auch den Geburtsvorgang mit aus.

Nach Ansicht der Forscher reifen die Hirnanhang- und Adrenalindrüsen der ungeborenen Lämmer in den hungernden Muttertieren wahrscheinlich frühzeitig. Doch wie die Umstände zum Zeitpunkt der Empfängnis dieses Phänomen hervorzurufen vermögen, ist den Wissenschaftlern bislang schleierhaft. "Wir suchen nach einem Aspekt in der mütterlichen Nahrung, der diese Botschaft an den Fötus übermittelt. Es könnte sich um einen Nährstoff, einen Mikronährstoff oder etwas anderes handeln", spekuliert Bloomfield.

Da der Bedarf des Embryos an Nährstoffen während der ersten dreißig Tage äußerst gering ist, halten es die Forscher jedoch für unwahrscheinlich, dass die Mangelernährung die verfügbaren Nährstoffe für das Wachstum des Lammes einschränkt. In weiteren Studien planen sie nun die gesundheitlichen Langzeitfolgen für Jungtiere zu untersuchen, die zu früh von unterernährten Schafen geboren wurden. Falls die Forschungsergebnisse auf Menschen übertragbar sein sollten, könnte dies nach Ansicht von Bloomfield weitreichende Auswirkungen für die Essgewohnheiten von werdenden Müttern haben.

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