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Lebensgemeinschaften: Fürsorgliche Insekten perfektionieren ihre Symbionten

Termiten

Termiten kennt man als soziale Staaten bildende Organismen, die ihr Leben mit Arbeitsteilung und Spezialisierung gemeinsam erfolgreicher gestalten. Dabei ist aber schon ein einzelnes Termitenindividuum für sich ein soziales Gemeinwesen: Auch der Insektenkörper existiert nur in enger Symbiose mit einer einzigartigen Mikrobenfauna in Verdauungstrakt und Körperzellen. Diese Untermieter können wiederum ohne das Insekt nicht existieren – und so wächst seit mehreren Millionen Jahren ein verwickeltes Beziehungsgeflecht zwischen Keimen und Termiten.

Die Beziehungen zwischen Untermietern und ihrem Termitengastgeber können dabei je nach äußeren Lebensumständen recht unterschiedlich eng ausfallen, wie die Genanalysen von Nathan Lo von der University of Sydney und seine Kollegen nun bestätigen. Die Forscher hatten dabei einen Detailunterschied beleuchtet: den merkwürdigerweise mal voll funktionsfähigen, mal aber im Wesentlichen abgeschalteten Aminosäurestoffwechsel, der bei verschiedenen intrazellulären Symbionten verschiedener Termitenarten zu beobachten ist.

Diese Symbionten – unterschiedliche Stämme der Bakterienart Blattabacterium cuenoti – leben in spezialisierten Fettkörperzellen am Verdauungstrakt von Termiten oder Schaben und haben offensichtlich eine Recyclingaufgabe: Sie nutzen Zerfallsprodukte der Harnsäure, des Stoffwechselendprodukts der Insekten, und bauen daraus dann die Aminosäure Glutamin, die sie schließlich dem Termitenstoffwechsel zur Verfügung stellen. Einige, aber eben nicht alle der Blattabacterium-Linien sind dabei zu extremen Spezialisten mit einem stark verschlankten Genom geworden: Sie verzichten als intrazelluläre Spezialisten auf viele Gene, die eine ordentliche Mikrobe für das Leben in der Außenwelt benötigt, und zudem auch auf die Fähigkeit, verschiedene essenzielle Aminosäuren zu produzieren. Diese müssen also von ihrem Termitenwirt bezogen werden.

Warum aber können es sich nur einige genetisch verschlankte unter den Blattabacterium-Linien leisten, auf die eigenständige Produktion dieser Aminosäuren zu verzichten, andere dagegen nicht? Darauf könnte es zwei Antworten geben, meinten Lo und Co. Eine hängt mit den Ernährungsgewohnheiten zusammen. Vielleicht, so die Idee, nehmen Holz fressende Termiten mit ihrer Nahrung immer auch genug im Holz lebende Bakterien auf, die essenzielle Aminosäuren im Überfluss produzieren? Die Blattabacterium-eigene Produktion wäre damit zwar tatsächlich unnötig, was im Lauf der Evolution dazu geführt haben könnte, dass der Stoffwechselweg im Symbionten einfach abgeschaltet wurde.

Das kann allerdings nicht die ganze Antwort sein, meint das Wissenschaftlerteam nun. Darauf deutet zum Beispiel der genetische Vergleich mit den intrazellulären Bakteriensymbionten der Schabe Panesthia angustipennis hin. Diese Schaben beherbergen, wie die mit ihnen nicht näher verwandten Termiten, ebenfalls Blattabacterium cuenoti. Wie diese ernähren auch sie sich seit Millionen Jahren von Holzresten. Ihre Blattabacterium-Linie hat dabei die Produktion der essenziellen Aminosäuren allerdings nicht aufgegeben.

Die eigentlich Ursache, so die Forscher, dürfte dagegen vielmehr mit einem dritten Mitbewohner in der Wohngemeinschaft von Insekten und intrazellulären Bakterien zu tun haben: jenen symbiontischen Einzellern, die viele Schaben und Termiten zusätzlich in ihrem Darm beherbergen. Diese unverzichtbaren Eingeweidesiedler werden bei einigen besonders geselligen, sozialen Termitenarten als artspezifische Kultur von Generation zu Generation vererbt. Dies geschieht etwa durch "proctodeale Trophallaxis": Der frisch geschlüpfte Nachwuchs nascht dabei an den Kotresten der Älteren und impft seinen Darminhalt so mit dem unverwechselbaren Mikrobengemisch.

Und in der Tat haben nur die sozialen Termitenarten, die ihre immer weiter perfektionierten Spezialmikrobengemeinschaft auf diesem Weg seit Millionen von Jahren vererben, auch intrazelluläre Blattabacterium-Stämme mit verschlanktem Minigenom. Offenbar ist also nur die vererbbare Darmflora der sozialen Arten hoch genug entwickelt und produziert ausreichend essenzielle Aminosäuren, um auch alle anderen Bewohner der Termiten-WG zu versorgen. In nicht sozialen Termitenarten – oder auch Schaben – ist die Darmflora dagegen viel zufälliger zusammengesetzt und weniger spezialisiert. Die einzelnen Tiere impfen sich nicht gezielt, sondern nehmen die Bakterien und Einzeller recht wahllos immer neu aus der Umgebung auf. Dies führt offensichtlich zu einem weniger spezialisierten Mikrobiom in den Därmen der Insekten – und in der Konsequenz auch zu einem ebenfalls weniger spezialisierten Genpool der intrazellulären bakteriellen Symbionten.

Ob ihre Hypothese stimmt, ist zur Freude von Los Team relativ leicht zu überprüfen: Die Forscher wollen nun weitere Blattabacterium-Linien aus verschiedenen sozialen und weniger geselligen Termitenarten sequenzieren, sie vergleichen und zudem einen genauen Blick auf die Zusammensetzung der Darmsymbionten werfen. Diese treiben die verschachtelten Mietverhältnisse der Termiten-WG übrigens noch eine Stufe weiter: Oft handelt es sich bei den Darmbewohnern um Vertreter der Oxymonaden; ganz spezielle Geißeltierchen mit echtem Zellkern, die selbst wiederum symbiontische Bakterien in ihrem Inneren beherbergen, in die sie ihrerseits – von Untermieter zu Unteruntermieter – bestimmte Stoffwechselaufgaben ausgelagert haben.

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