Fund vor Schweden: Hielten sich Menschen der Bronzezeit zahme Wölfe?

Spätestens ab der Jungsteinzeit waren Hunde in vielen menschlichen Siedlungen ein vertrauter Anblick. Dass Menschen trotzdem auch noch Wölfe in ihrer Nähe duldeten, sie fütterten und womöglich sogar auf Jagdausflüge mitnahmen, zeigt nun der Fund von 3000 bis 5000 Jahre alten Wolfsknochen auf einer kleinen Ostseeinsel vor Gotland. Ein »völlig unerwartetes Ergebnis« nach Ansicht der Wissenschaftler.
Die Insel ist rund 80 Kilometer vom Festland entfernt. Das ist viel zu weit, als dass die Tiere das Eiland namens Stora Karlsö aus eigener Kraft hätten erreichen können, erläutern Linus Girdland-Flink von der University of Aberdeen und Kollegen in einer aktuellen Studie. Stattdessen scheinen die Wölfe mit bronzezeitlichen Robbenjägern und Fischern dorthin gelangt zu sein. Menschen steuerten die Insel seit der Jungsteinzeit an, wie Funde in einer Höhle verraten, die wohl über Generationen als Unterkunft diente.
Dass die Wölfe mit den Menschen ein kleines Boot teilen konnten, ohne in Panik über Bord – oder den Insassen an die Gurgel – zu springen, legt nahe, dass sie bereits äußerst zahm waren, in jedem Fall aber an menschliche Gegenwart gewöhnt.
Zudem scheinen sich auch die Menschen etwas von der Anwesenheit der Wölfe versprochen zu haben, andernfalls hätten sie sie wohl kaum mitgenommen. Sehr wahrscheinlich gaben sie den Wölfen sogar zu fressen. Das liest das Team um Girdland-Flink aus der Isotopenzusammensetzung der Knochen – die chemischen Marker verraten, dass die Tiere überwiegend Nahrung aus dem Meer zu sich nahmen, was für wild lebende Wölfe völlig untypisch wäre. Es passt aber zu dem Szenario einer friedlichen Koexistenz mit den bronzezeitlichen Jägern und Fischern, die ihnen von ihrem Fang abgaben.
Kein einziger Haushund in der Ahnenreihe
In der Studie im Fachblatt »PNAS« liefern die Wissenschaftler noch weitere Anhaltspunkte dafür, dass die Wölfe von den Menschen gezielt und vielleicht auch über Generationen hinweg in menschlicher Gesellschaft gehalten wurden: Die zwei Exemplare hatten eine im Vergleich zu wilden Wölfen geringe Körpergröße, was ein üblicher Effekt einer beginnenden Domestikation ist. Dasjenige Tier, dessen Erbgut die Forschenden am präzisesten auslesen konnten, zeigte darüber hinaus deutliche Hinweise auf genetische Verarmung – genau wie man es erwarten würde, wenn sich Tiere einer sehr kleinen Population ausschließlich untereinander fortpflanzen.
Die genetischen Analysen entkräfteten darüber hinaus den Einwand, bei den Tieren könnte es sich um Hybriden von Wolf und Hund gehandelt haben. Ihr Erbgut habe keinerlei Einflüsse von Haushunden erkennen lassen, schreiben die Wissenschaftler.
Für unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, hält die Gruppe schließlich ein drittes Szenario, wonach die Menschen lediglich die Überreste toter Wölfe nach Stora Karlsö gebracht haben könnten, etwa die Felle der Tiere mit noch anhaftenden Körperpartien. In diesem Fall würde man allerdings nur kleinere Knöchelchen der Extremitäten erwarten und nicht große Röhrenknochen oder den Schädel. Zudem erkläre dieses Szenario nicht, wieso sich die Wölfe so auffällig anders ernährt hatten und woher ihre genetische Armut rührte. Um Felle zu gewinnen, könne man schließlich auch wilde Tiere jagen.
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