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Funktionelle MRT: Studie stellt gängige Methode der Hirnforschung in Frage

Basiert ein großer Teil der Neurostudien auf falschen Annahmen? Zumindest säht eine aktuelle Studie weitere Zweifel an der Aussagekraft des fMRT-Signals. 
Eine Person liegt auf einer Liege, die in einen MRT-Scanner geschoben wird. Der Raum ist in blauem Licht beleuchtet. Eine medizinische Fachkraft steht daneben und überwacht den Vorgang. Die Szene vermittelt eine klinische und professionelle Atmosphäre.
Die funktionelle Magnetresonanztomografie ist das vorherrschende Instrument der kognitiven Neurowissenschaft. Dabei ist der Zusammenhang zwischen dem Messsignal und der neuronalen Aktivität weniger eindeutig als landläufig angenommen.

Die moderne Neuroforschung ist ohne die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) nicht denkbar. Mit ihrer Hilfe können Fachleute die Hirnaktivität von Menschen messen, während sie bestimmten Aufgaben nachgehen – und das bis auf den Millimeter genau. Die Signale lassen sich damit aber nur indirekt erfassen: Man schließt über die Änderungen des zerebralen Blutflusses auf die Aktivität der Nervenzellen. Forschende um Valentin Riedl von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sähen nun weitere Zweifel an der Verallgemeinbarkeit dieser Annahme – und damit an tausenden von fMRT-Studien der letzten 30 Jahre. Ihre Ergebnisse publizierten sie im Journal »Nature Neuroscience«.

Neuronen benötigen viel Energie, um ihre elektrischen Signale abzufeuern und Informationen zu verarbeiten. Glukose und Sauerstoff erhalten sie über den zerebralen Blutstrom. Ein Anstieg der neuronalen Aktivität geht also mit einem Anstieg des regionalen Blutflusses einher (neurovaskuläre Kopplung). Das Blut transportiert über winzige Kapillaren den an das Hämoglobin gebundenen Sauerstoff zu den Zellen, wo er abgegeben wird. Durch das Be- und Entladen mit Sauerstoff verändern sich die magnetischen Eigenschaften des Hämoglobins – was als BOLD (Blood-Oxygenation-Level-Dependent)-Signal bezeichnet und mithilfe des MRT-Geräts gemessen wird. Ein positives BOLD-Signal (Zufluss von sauerstoffreichem Blut) wird als Anstieg neuronaler Aktivität interpretiert, ein negatives als Deaktivierung.

»Da weltweit zehntausende fMRT-Studien auf dieser Annahme beruhen, könnten unsere Ergebnisse bei vielen davon zu entgegengesetzten Interpretationen führen«Samira Epp, Neurowissenschaftlerin

Mehrere Studien haben jedoch in der Vergangenheit gezeigt, dass das BOLD-Signal die neuronale Aktivität nicht immer verlässlich widerspiegelt. Vielmehr kommt es teilweise zu gegenteiligen Effekten: So wurde im somatosensorischen Kortex von Ratten eine erhöhte Stoffwechselaktivität von Nervenzellen gemessen, jedoch gleichzeitig ein negatives BOLD-Signal. Ähnliches fand ein schwedisches Forscherteam bei Menschen im sogenannten Default-Mode-Network (Ruhenetzwerk). Um dieses Phänomen genauer zu untersuchen, luden die Fachleute um Riedl mehr als 40 gesunde Probandinnen und Probanden zu einer fMRT-Messung ein. Die Freiwilligen sollten mehrere Aufgaben lösen, wie zum Beispiel Kopfrechnen oder autobiografisches Erinnern, während sie im Hirnscanner lagen. Parallel maß das Team den absoluten Sauerstoffverbrauch mit einem neuartigen, quantitativen MRT-Verfahren (mq-BOLD).

Es stellte sich heraus, dass das BOLD-Signal in rund 40 Prozent des betrachteten Hirnvolumens mit einer entgegengesetzten neuronalen Aktivität einherging. Das betraf besonders das Ruhenetzwerk. Hier maßen die Forscher je nach Aufgabe einen erhöhten Sauerstoffverbrauch – paradoxerweise jedoch einen verminderten regionalen Blutfluss (und umgekehrt). Weitere Analysen zeigten: Jene Hirnareale deckten ihren zusätzlichen Energiebedarf offenbar aus dem statischen Blutstrom. Sie nutzen somit den im Blut vorhandenen Sauerstoff effizienter, ohne mehr Durchblutung zu benötigen. 

»BOLD ist und war schon immer ein unzureichender Marker für neuronale Aktivität«Klaus Scheffler, Physiker

»Das widerspricht der bislang geltenden Annahme, dass erhöhte Hirnaktivität immer mit erhöhtem Blutfluss zur Deckung des gestiegenen Sauerstoffbedarfs einhergeht. Da weltweit zehntausende fMRT-Studien auf dieser Annahme beruhen, könnten unsere Ergebnisse bei vielen davon zu entgegengesetzten Interpretationen führen«, erklärt Erstautorin Samira Epp vom Uniklinikum Erlangen in einer Pressemeldung.

Die Erkenntnisse berühren nach Einschätzung von Valentin Riedl auch klinische Forschungsergebnisse: »Viele fMRT‑Studien zu psychiatrischen oder neurologischen Erkrankungen – von Depression bis Alzheimer – interpretieren Änderungen im Blutfluss als verlässliches Signal neuronaler Unter‑ oder Überaktivierung. Dies muss nun wegen der beschränkten Aussagekraft dieser Ergebnisse neu bewertet werden. Gerade in Patientengruppen mit vaskulären Veränderungen, etwa bei Alterungs‑ oder Gefäßerkrankungen, könnten die Messwerte primär auf Gefäßunterschieden statt auf neuronalen Defiziten basieren.«

Die Autoren schlagen deshalb vor, die herkömmliche MRT-Methode mit quantitativen Messungen zu ergänzen. »Die Aussagekraft von fMRT-Studien ist begrenzt und erlaubt kaum Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Mechanismen. Und BOLD ist und war schon immer ein unzureichender Marker für neuronale Aktivität«, sagt auch Klaus Scheffler vom Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik in Tübingen.

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