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Supermassereiche Schwarze Löcher: Geburtshilfe für Riesen

Extrem massereiche Schwarze Löcher findet man in fast jeder Galaxie. Was fehlte, war ein Mechanismus für ihre Entstehung. Half Dunkle Materie bei der Geburt?
Die leuchtstarke Galaxie WISE J224607.57-052635.0 (künstlerische Darstellung)

Die größten Massekonzentrationen im Universum sitzen im Zentrum von Galaxien: Während gewöhnliche Schwarze Löcher ein paar Sonnenmassen umfassen, bringt es das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße beispielsweise auf die rund 4,3-millionenfache Masse unserer Sonne. Doch im intergalaktischen Vergleich ist es sogar damit noch ein Leichtgewicht: Die aktuell bekannten Spitzenreiter haben rund 20 Milliarden Sonnenmassen.

Die Existenz dieser Riesen ist astronomisch gut belegt. Sie selbst sind zwar unsichtbar, da sie alles Licht verschlucken. Aber sowohl die Gravitationswirkung, die sie auf nahe Sterne ausüben, als auch die riesigen, hochenergetischen Jets, die sie tausende Lichtjahre weit ins All ausstoßen, lassen sich gut beobachten. Nur: Wie entstanden sie eigentlich?

Bisherige Modelle zu ihrer Herkunft konnten nicht erklären, wie diese Giganten so schnell so schwer werden konnten. Sie wachsen ja dadurch, dass sie sich Sterne und Gasströme einverleiben. Das setzt jedoch enorme Energiemengen frei und erhitzt die Materie in der Umgebung, was den weiteren Zustrom bremst. Wieso die Riesenlöcher doch vergleichsweise früh in der Geschichte des Universums entstehen konnten, verrät nun die Studie eines internationalen Astronomenteams um Shingo Hirano von der University of Texas in Austin. Im Fachmagazin "Science" erläutern die Forscher die Ergebnisse ihrer aufwändigen Simulationen an Supercomputern.

Bislang diskutieren Astronomen vor allem zwei Modelle als Erklärung für das frühe Auftreten der Giganten: Im ersten Szenario kollabiert eine große ursprüngliche Gaswolke mit mindestens 100 000 Sonnenmassen direkt zu einem Schwarzen Loch, das dann rasch weiterwächst. Im zweiten explodieren sehr schwere Sterne der ersten Sternengeneration – typischerweise 100-mal so schwer wie unsere Sonne – nach einem sehr heftigen und kurzen Leben in einer Supernova, wobei ihr Zentrum zu einem Schwarzen Loch zusammenstürzt. Wenn in der sehr dichten und massereichen Zentralregion einer Galaxie schließlich viele solche Schwarzen Löcher miteinander verschmelzen, könnte dies ebenfalls zu supermassereichen Objekten führen.

Allerdings bringen beide Szenarien nur dann das gewünschte Resultat hervor, wenn diverse Parameter die exakt richtigen Werte annehmen. Da sich jedoch in so gut wie jeder Galaxie ein solches Loch gebildet hat, halten viele Astronomen keine der beiden Hypothesen für sonderlich überzeugend.

Hatte Dunkle Materie die Finger im Spiel?

Einen neuartigen Ansatz verfolgte deshalb nun das Team um Shingo Hirano: Die Wissenschaftler untersuchten den Einfluss überschallschneller Gasströme, wie sie im heißen und dichten frühen Universum gang und gäbe waren. Solche Gasströme werden unter anderem dadurch angeregt, dass Klumpen aus Dunkler Materie, die in jeder Galaxie reichlich vorhanden ist, auf Grund ihrer Schwerkraft normale Materie anziehen. Vor allem im jungen, wilden Universum – ab zirka 100 Millionen Jahren nach dem Urknall – konnten solche Prozesse für einigen Wirbel sorgen.

Den Simulationen zufolge waren diese Gasströme heiß genug, um nicht in einzelne dichte Regionen zu zerfallen, in denen sich dann Sterne gebildet hätten, die das Gas in ihrer Umgebung wieder zerstreut hätten. Stattdessen konnte sich die Masse der Gaswolke durch Materiezustrom immer weiter erhöhen, bis sie schließlich bei einigen zehntausend Sonnenmassen lag. Das Zentrum dieser Wolke verdichtete sich schließlich so weit, dass dann doch ein junger Stern zündete. Der war nun allerdings schon von einer so dichten Gaswolke umgeben, dass er sie nicht mehr wegblasen konnte. Stattdessen erhielt er immer weiteren Zustrom und wuchs innerhalb von nur 2000 Jahren auf 50 Sonnenmassen und dann weiter auf bis zu hunderte oder tausend Sonnenmassen.

Solche extrem schweren Sterne sind nicht mehr stabil und kollabieren schnell zu Schwarzen Löchern ähnlicher Masse. Damit wäre nach Ansicht der Forscher auch ohne speziell gewählte Parameter erklärbar, wie zumindest Schwarze Löcher von einigen zehntausend Sonnenmassen schon in der Frühzeit des Universums entstehen konnten. Deren weiteres Wachstum hängt dann vom vorhandenen "Futter" in der Umgebung ab. Wenn etliche solcher mittelschweren Kandidaten im Zentrum einer Galaxie entstehen und sie weiter reichlich Nachschub erhalten, könnte dies ein interessanter Weg zur Erklärung der Existenz dieser Masseriesen im Universum sein. So weit reichen die aufwändigen Simulationen aber noch nicht. Die weitere Arbeit bestehe nun darin zu untersuchen, wie diese "Keimlinge" Schwarzer Löcher zu den späteren Giganten heranwüchsen, erklärt Hirano.

Der Charme ihres Modells liegt darin, dass es – in kosmischem Maßstab – die Häufigkeit und Verbreitung supermassereicher Schwarzer Löcher anhand physikalisch plausibler Annahmen gut erklären kann. Ein Problem dabei ist allerdings, dass sich diese Prozesse im frühen Universum heute kaum beobachten lassen. Mit einer möglichen Ausnahme: Auch nach Jahrmilliarden sind die Gravitationswellen, die bei der Verschmelzung supermassereicher Schwarzer Löcher frei werden, noch nachweisbar. Künftige Detektoren wie eLISA könnten diese entdecken und damit einen Hinweis darauf geben, ob bereits damals so viele Riesenlöcher existiert haben wie vom Modell vorhergesagt.

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