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Gefährliche Nähe: Pulsar verformt Exoplaneten zu einer Zitrone

Starke Gezeitenkräfte verzerren den Exoplaneten PSR J2322-2650 b in eine Zitronenform. Er umkreist einen Pulsar, dessen intensive Strahlung seine Atmosphäre aufheizt und verdampfen lässt. Der Planet widerspricht bekannten Entstehungsmodellen und liefert neue Einblicke in die Physik extremer planetarer Systeme.
Ein roter, stark verzerrter Planet im Vordergrund links, umgeben von einem leuchtenden Schimmer, vor einem dunklen Sternenhimmel. Rechts oben strahlt ein heller Pulsar mit langen, diagonalen Teilchen- und Lichtjets.
Die künstlerische Darstellung zeigt den Exoplaneten PSR J2322-2650 b (links) bei der Umrundung des schnell rotierenden Pulsars (rechts). Zwei Jets aus Radiostrahlung und energiereichen Teilchen treten an dessen magnetischen Polen aus und lassen ihn wie einen kosmischen Leuchtturm erscheinen. Der Exoplanet wird aufgrund der Nähe zum Pulsar in eine zitronenähnliche Gestalt verformt und stark aufgeheizt.

Als eine absolute Überraschung bezeichnen Astronomen den Fund des etwa 2050 Lichtjahre von der Erde entfernten Exoplaneten PSR J2322-2650 b mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskops. Er umkreist einen extrem dichten, schnell rotierenden Neutronenstern – einen sogenannten Pulsar. Nicht nur seine bizarre Erscheinung, schon seine bloße Existenz stellt gängige Theorien zur Planetenentstehung infrage. Die Ergebnisse um dieses bemerkenswerte Doppelsystem hat ein Team um Michael Zhang von der University of Chicago nun in der Fachzeitschrift »The Astrophysical Journal Letters« veröffentlicht.

PSR J2322-2650 b besitzt etwa die Größe und Masse Jupiters, umkreist jedoch ein winziges Zentralgestirn: Der Pulsar ist mit rund zwei Sonnenmassen zwar erheblich massereicher als der Exoplanet, misst aber nur einige Kilometer im Durchmesser – vergleichbar mit einer größeren Stadt. Vermutlich aufgrund seiner extrem geringen Entfernung von nur rund 1,6 Millionen Kilometern wird der Planet durch die immensen Gezeitenkräfte des Pulsars in eine zitronenähnliche Form gezogen. Zum Vergleich: Der sonnennächste Punkt der Merkurbahn liegt immerhin bei rund 46 Millionen Kilometern. Die Distanz von 1,6 Millionen Kilometern entspricht gerade einmal der vierfachen Entfernung der Erde zum Mond.

Die extrem enge Umlaufbahn des neuentdeckten Planeten, knapp außerhalb der sogenannten Roche-Grenze, innerhalb derer er vollständig zerrissen würde, führt zu einer Umlaufzeit von lediglich 7,8 Stunden. Wahrscheinlich befindet sich der Planet in einer gebundenen Rotation und weist seinem Zentralgestirn stets dieselbe Seite zu. Ein Tag auf PSR J2322-2650 b dauert demnach genauso lang wie ein Jahr.

Der Pulsar rotiert in lediglich 3,5 Millisekunden um sich selbst und emittiert dabei vor allem energiereiche Gammastrahlung. Diese trifft auf die Atmosphäre des Exoplaneten und heizt sie beträchtlich auf. Modellierungen ergaben Temperaturen von bis zu 2000 Grad Celsius auf der Tagseite sowie knapp 700 Grad auf der Nachtseite. Westwärts gerichtete Winde verteilen die Hitze global – ein dynamisches Muster, das bei solchen »Heißen Jupitern« selten beobachtet wird.

Noch rätselhafter ist allerdings die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre: Statt Wasserdampf, Methan oder Kohlendioxid fand das Forschungsteam vor allem Helium und molekularen Kohlenstoff. Das widerspricht allen bekannten Entstehungsmodellen. Es wird sogar über die Bildung von Diamanten im hochverdichteten Inneren des Planeten spekuliert.

Eine solche, äußerst seltene Konfiguration aus Pulsar und wesentlich masseärmerem Begleiter, üblicherweise ein Stern, bezeichnet man als »Schwarze-Witwe-System«. Der Neutronenstern entzieht dabei seinem Partner Material und verdampft ihn schließlich durch seine intensive Strahlung – im weitesten Sinne ähnlich zu der namensgebenden Spinne, die ihren Partner nach der Paarung verspeist. Im Fall von PSR J2322-2650 b betrifft dies jedoch keinen Stern, sondern einen Gasplaneten. Diese bislang einzigartige und physikalisch unmöglich erscheinende Welt wirft damit mehr Fragen auf, als sie beantworten kann.

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