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Astronomie: Gefährliche Begegnungen im Zentrum der Milchstraße

Im Herzen unserer Galaxie tummeln sich viele Sterne auf wenig Raum. Das verheißt wahrscheinlich nichts Gutes für die Planeten dort.
Galaktisches Zentrum

Wenn man sich unsere Galaxie aus der Ferne anschaut, ist die Erde eine Art Provinzplanet. Sie zieht ihre Bahnen in einem unscheinbaren Seitenarm, stolze 26 000 Lichtjahre vom Mittelpunkt der Milchstraße entfernt. Doch manchmal kann es in der Provinz auch ganz behaglich sein: Vermutlich bleiben Planetensysteme in den Randbezirken einer Galaxie länger intakt als im turbulenten Zentrum, wo sich Sterne besonders dicht ballen.

Darauf deutet jedenfalls eine noch nicht von Gutachtern geprüfte Studie der New Yorker Astrophysiker Moiya McTier, David Kipping und Kathryn Johnston hin. Sie haben untersucht, wie häufig sich Sonnen im galaktischen Zentrum so nahe kommen, dass es Planeten aus der Bahn um ihren jeweiligen Stern werfen würde. Die Antwort verheißt nichts Gutes für mutmaßliche Zivilisationen in der galaktischen Metropolregion: Im Lauf von einer Milliarde Jahre dürften 80 Prozent der dortigen Sterne mindestens einen dichten, potenziell bedrohlichen Vorbeiflug erleben, schreiben die Forscher.

Mit »dicht« ist hier ein Abstand von 1000 Astronomischen Einheiten (AE) gemeint; dem Tausendfachen des Abstands der Erde von der Sonne. Das klingt nach sehr viel, ist in den Weiten des Alls jedoch eine überschaubare Distanz: Pluto entfernt sich auf seiner Bahn zeitweise bereits 49 AE von der Sonne. Bis zu unserem Nachbarsternsystem Alpha Centauri sind es dagegen rund 269 000 Astronomische Einheiten.

Unsere Galaxis in Draufsicht | Von einem hypothetischen Beobachtungsplatz weit außerhalb unseres Milchstraßensystems würde sich unsere kosmische Heimat so dem Auge des Betrachters darstellen. Im Zentrum befindet sich ein Balken aus rötlich gelben Sternen, von dem die Spiralarme ausgehen. Sie bilden mit den Sternen in den Zwischenräumen die galaktische Scheibe. Von der Seite aus betrachtet würde der zentrale Balken eine leicht kastenartige Form mit einer Einschnürung in der Mitte zeigen.

Wie viel Schaden ein in 1000 AE vorbeiziehender Stern im Sonnensystem anrichten würde, ist nicht ganz klar. Simulationen deuten darauf hin, dass seine Schwerkraft die Umlaufbahnen der Planeten vergrößern könnte – zumindest wenn der vorbeiziehende Stern deutlich schwerer ist als die Sonne. Brenzlig würde es bei noch dichteren Vorbeiflügen: Nähert sich ein fremder Stern auf 100 AE an, würde das mindestens 60 Prozent der Planeten aus dem System kicken – und die Welten in heimatlose Vagabunden verwandeln, von denen es zig Milliarden in der Milchstraße geben könnte.

Im Zentrum unserer Galaxie sind Begegnungen von Sternen wahrscheinlich kosmischer Alltag. Schätzungen zufolge tummeln sich dort in einem Volumen mit 1000 Lichtjahren Durchmesser – dem so genannten »Bulge« – 20 Milliarden Sonnen. Laut den Simulationen der Forscher erleben 35 Prozent von ihnen binnen einer Milliarde Jahre mindestens einen Vorbeiflug in einem Abstand von weniger als 100 Astronomischen Einheiten. Planeten wie die Erde, die seit knapp fünf Milliarden Jahren stabile Bahnen um ihren Stern zieht, dürften damit in diesen Gefilden deutlich seltener sein.

Auch unsere Sonne muss sich übrigens früher oder später auf einen Vorbeiflug gefasst machen. In 1,6 Millionen Jahren könnte sich der Zwergstern GI 710 ihr bis auf 16 000 AE annähern, vermuten Astronomen seit einigen Jahren. Eine Distanz, die der Erde vermutlich nicht unmittelbar gefährlich werden kann.

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