Quanteninternet: Geheime Quantennachricht über deutsche Glasfaser verschickt

Wer bislang online das badische Örtchen Kirchfeld suchte, lief bei Google ziemlich ins Leere. Kaum etwas lässt sich über den Stadtteil von Karlsruhe herausfinden. Doch nun ist der Ort mit einem Mal berühmt: Denn ein dortiges Telekommunikationsdatenzentrum ist Teil der längsten kommerziell genutzten Strecke, über die bislang eine quantenverschlüsselte Nachricht verschickt wurde. Das markiert einen entscheidenden Schritt hin zu einem abhörsicheren Quanteninternet, berichtet ein internationales Forschungsteam um den Physiker Mirko Pittaluga von Toshiba Systems im Fachmagazin »Nature«. Zwischen Frankfurt am Main und der Gemeinde Kehl an der Grenze zu Frankreich installierte das Team über eine Gesamtlänge von 254 Kilometern ein Quantennetzwerk, das ausschließlich eine bestehende Glasfaserinfrastruktur nutzt. Am Standort Kirchfeld wurde ein Quantenrepeater eingerichtet, der als Relais diente.
Ein Quanteninternet könnte eines Tages theoretisch eine vollkommen abhörsichere Kommunikation ermöglichen, weil sich darüber Quantenschlüssel verschicken lassen. Bei dieser so genannten Quantum Key Distribution, kurz QKD, handelt sich um ein Verfahren der Quantenkryptografie, das es zwei Parteien erlaubt, einen sicheren, gemeinsamen Schlüssel für die Verschlüsselung zu erstellen und auszutauschen. Dabei nutzt man vor allem das Phänomen der Quantenverschränkung, bei der zwei Objekte so stark miteinander korrelierte Eigenschaften haben, dass sie sich nicht mehr getrennt beschreiben lassen. Vermisst man ein solches Objekt, beeinflusst das sofort die Merkmale des anderen. Weil Photonen in der Lage sind, Informationen über große Entfernungen zu übertragen, sind Paare von polarisierten Lichtteilchen die bevorzugten Übertragungseinheiten für die Quantenkommunikation. Fängt ein Dritter den Schlüssel unterwegs ab, verfälscht das die Polarisation der Photonen – und es kann umgehend ein neuer Schlüssel generiert werden.
Die Herausforderung dabei: Anders als bei der klassischen Variante des Internets, bei der Informationen zwischen zwei Computern durch Millionen identischer Photonen übertragen werden, lassen sich Quanteninformationen nicht kopieren. Deshalb ist eine Informationsübertragung wie in einem klassischen Netzwerk nicht möglich. Stattdessen müssen die empfindlichen Quantenzustände über große Entfernungen mittels verschränkter Quantenobjekte von einem Knoten zum anderen übermittelt werden. Um die darin befindliche Information auszulesen und mit einem entfernten Beobachter abzugleichen, ist ein »klassischer« Informationskanal nörig, etwa eine Funk- oder Glasfaserverbindung.
Quantenkommunikation hängt also sowohl von geeigneten Informationskanälen als auch von passenden Knotenpunkten ab, die Quantenzustände übertragen und verarbeiten können. Für die Realisierung eines flächendeckenden Quanteninternets müssen diese Anforderungen mit den bestehenden Telekommunikationsinfrastrukturen in Einklang gebracht werden. Der entscheidende Fortschritt der Arbeit besteht darin, dass ein zentraler Knoten durch ein so genanntes kohärenzbasiertes Quantenprotokoll verschränkte Zustände präpariert und an einen Empfänger versendet. Derartige Verschlüsselungsprotokolle wurden bislang hauptsächlich in Labors mit Spezialgeräten getestet, die für typische Telekommunikationsumgebungen ungeeignet sind. Das Team um Pittaluga erreichte darüber eine Schlüsselverteilungsrate mit 110 Bit pro Sekunde bei einer Fehlerquote von nur etwa 5 Prozent.
»Diese neuen Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, Quantenkommunikationsnetze zu schaffen, die in die bestehende Glasfasertechnologie in unseren Städten integriert werden können«, sagte der theoretische Physiker Carlos Sabín von der Universidad Autónoma de Madrid gegenüber dem spanischen Science Media Center. Das senke Aufwand und Kosten erheblich. Damit sei die Arbeit vor allem ein Schritt in Richtung realer Anwendungen. Technisch betrachtet sei es keine Revolution, darin sind sich auch die weiteren vom SMC befragten Forscher einig, ökonomisch betrachtet dagegen schon.
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