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News: Geheimnisvolle Entwicklung

Das Wunder des neuen Lebens entfaltet sich aus einer einzigen befruchteten Eizelle. Während diese unzählige Teilungen durchläuft, kristallisiert sich langsam ein vielzelliger Organismus aus dem anfangs unförmigen Zellhaufen heraus. Doch wie wissen die Grundbausteine in den frühesten Embryonalstadien, in welche Richtung sie sich orientieren sollen, um den Kopf oder das Rumpfende und all die verschiedenen Gewebetypen aufzubauen? Wissenschaftler entdeckten nun in einem unscheinbaren Wurm einen weiteren Vertreter einer neuen Klasse von Genen, die bei der Embryonalentwicklung eine entscheidende Rolle spielen.
Ein kaum staubkorngroßer, durchsichtiger Bodenbewohner namens Caenorhabditis elegans gehört zu den beliebtesten Studienobjekten von Entwicklungsbiologen und Genetikern. Schlagzeilen machte der aus genau 959 Zellen bestehende Fadenwurm Ende 1998 als das erste mehrzellige Lebewesen, dessen Erbgut von A bis Z aufgezeichnet war. Obwohl der Bauplan dieses Winzlings nun offen liegt wie ein aufgeschlagenes Buch, sind noch längst sind nicht alle Funktionen seiner Gene bekannt.

Raffi Aroian und seine Kollegen von der University of California in San Diego erforschen die Embryonalentwicklung des Wurms. Dabei stießen sie mithilfe genetischer Analysen auf das Gen pod-2, welches zusammen mit den bereits charakterisierten sechs PAR-Genen und dem pod-1-Gen die Teilung der ersten Zelle in ein Zellpärchen von unterschiedlicher Gestalt reguliert und somit die vordere und hintere Achse bestimmt.

Diese Polarität ist für die planmäßige Entwicklung des Wurms von entscheidender Bedeutung: In gewöhnlichen Embryonen entwickeln sich aus den Abkömmlingen der größeren Zwillingszelle die äußeren Schichten des Organismus - beispielsweise seine Haut und sein Nervensystem -, während der kleinere Nachbar für innere Bereiche wie Muskeln, Darm und Fortpflanzungsorgane zuständig ist.

Ist jedoch eines der pod-Gene defekt, kann die sich teilende Zelle keine Polarität aufbauen, die für die weitere Differenzierung zwingend notwendig ist. Die entstehenden zwei Zellen sind symmetrisch und verhindern, dass sich der Embryo normal entwickelt. Zusätzlich können die mit veränderten Genen ausgestatteten Zellen zerplatzen oder schrumpfen. Dieses Verhalten ist auf die defekten Zellmembranen des Embryos zurückzuführen: Sie vermögen den osmotischen Druck nicht aufrechtzuerhalten, so dass in der Folge Flüssigkeiten in die Zellen hinein- oder aus den Zellen herausströmen. "Wenn die asymmetrische Teilung schiefgelaufen ist, hat der Embryo keine Überlebenschance und stirbt schnell", betont Akiko Tagawa aus dem Forscherteam.

Ähnlich den nacheinander gefundenen PAR-Genen rechnen die Wissenschaftler nun damit, dass sie noch weitere pod-Gene aufspüren werden. "Die Entdeckung des pod-2-Gens hat für Wissenschaftler eine ganz neue Klasse von Genen eröffnet, welche für die früheste Entwicklung von Embryonen kritisch sind", hebt Aroian hervor. "Da vermutlich eine Anzahl von Polaritätsgenen des Wurms C. elegans ebenfalls bei der Entwicklung menschlicher Zellen eine Rolle spielen, ist anzunehmen, dass sich darunter auch die pod-Gene befinden." Möglicherweise – so spekuliert der Forscher weiter – sind diese sogar an der Entstehung von menschlichen Krebskrankheiten beteiligt, die aus einer gestörten Polarität hervorgehen.

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