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Energie: Geknackt

Die Verknappung der weltweiten Ölreserven lässt den Ölpreis eskalieren – und macht die in weitaus größeren Mengen vorhandene Kohle wieder interessant als Ausgangsmaterial für flüssige Kraftstoffe und chemische Rohstoffe. Ein neues Verfahren verflüssigt nun auch Magerkohle, die bisher verbrannt oder vergast werden konnte.
Kohle ist ein kompliziertes, schwer zu analysierendes Gemisch aus organischen Bestandteilen. Bei der direkten Kohleverflüssigung nach Bergius wird die Kohle unter Druck von mehr als dreißig Megapascal bei 450 Grad Celsius in Anwesenheit eines Lösungsmittels und eines Eisenoxid-Katalysators mit Wasserstoff umgesetzt. Allerdings ist die Aktivität des Katalysators nur gering, denn das feste Eisenoxid kann nicht in die makromolekulare Netzwerkstruktur der unlöslichen Kohle eindringen.

"Technologien zur Kohleverflüssigung stehen seit Anfang des letzten Jahrhunderts zur Verfügung, aber die Kosten geben Anlass, nach effektiveren neuen Prozessen zu suchen", erklärt Matthias Haenel vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Seine Kollegen und er interessierten sich besonders für die so genannte Magerkohle – Steinkohle mit einem nur geringem Gehalt an flüchtigen Bestandteilen –, die sich bislang auf diese Weise nicht umsetzen ließ. Sie hofften, dass ein gelöster Katalysator bessere Dienste leisten würde.

Viel versprechend schien ihnen die Klasse der Boran-Katalysatoren zu sein – Bor-Wasserstoff-Verbindungen, die Wasserstoff auf organische Moleküle übertragen können. Ihre Studien mit einer deutschen Magerkohle zeigten, dass eine Mischung aus Natriumborhydrid und Iod, aus der in der Reaktionslösung ein Iodboran-Katalysator erzeugt wurde, besonders effektiv arbeitet. Überraschenderweise ist unter den drastischen Reaktionsbedigungen von 25 Megapascal Wasserstoffdruck und 350 Grad Celsius auch Iod allein katalytisch aktiv, der Spitzenreiter ist Bortriiodid.

Die Löslichkeit der Kohle in Pyridin wird durch diese Behandlung drastisch erhöht. Das liegt zum einen daran, dass Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen zwischen aromatischen und nicht-aromatischen (aliphatischen) Molekülteilen gespalten und die freien "Bindungsarme" durch Wasserstoff abgesättigt (hydriert) werden – die Netzwerkstruktur der Kohle bricht auf. Zum anderen werden Doppelbindungen aromatischer Ringsysteme partiell hydriert, so dass der aliphatische Anteil auf Kosten des aromatischen steigt.

Das neue Verfahren ist die erste "echte" Kohlehydrierung im Sinne einer Wasserstoffaddition an ungesättigte Strukturen. So vorbereitet, könnten erstmals auch hoch-inkohlte Steinkohlen in einem anschließenden konventionellen Hydrocracking-Prozess verflüssigt werden.

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