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News: Gemeinsam sind wir stark

Krankheitserregende Bakterien treiben nicht nur als Einzelzellen im Organismus ihr Unwesen, organisiert als Biofilm zeigen sie zum Leidwesen der Forscher eine höhere Resistenz gegenüber Antibiotika. Eine schützende Schleimschicht und die räumliche Anordnung der Zellen bieten dabei den Medikamenten weniger Angriffsfläche. Dadurch können organisierte Zellen von Pseudomonas aeruginosa, einem "Trittbrettfahrer" der Mukoviszidose, zeitverzögert und gezielt auf deren Angriff reagieren.
Schon Julius Cäsar schrieb es für die Nachwelt auf: Eine kleine Angriffsfläche bei gleicher Schlagkraft bringt nur Vorteile. So liess er seine Legionäre im Kampf gegen die wilden Germanen in Schildkrötenpanzerformation aufmarschieren. Die stolzen Krieger schlugen sich an den Schilden müde und wurden dabei selber Ziele von überlegt aus der Deckung heraus abgefeuerten Geschossen.

Welche Geschosse dabei Biofilme – die nach dem selben Prinzip funktionierende Taktik der Bakterien – gegenüber ihrem künstlichen Gegner Antibiotika ins Felde führen, darüber haben jetzt Forscher um Peter Greenberg von der University of Iowa zusammen mit Wissenschaftlern der Harvard University in Boston, der Northwestern University in Chicago und der University of Washington in Seattle erste Erkenntnisse gewonnen. Als Testobjekt diente ihnen dabei der "Trittbrettfahrer" eines erblichen Gendefektes, nämlich Pseudomonas aeruginosa.

Mukoviszidose-Patienten – das ist die am häufigsten vererbte Stoffwechselkrankheit in Deutschland – müssen sich außer ihrer Erbmasse auch noch mit diesem Bakterium herumschlagen: Es legt sich als Biofilm auf ihr verschleimtes Lungengewebe und zerstört es durch die anschließende Entzündung. Lebenslanger Konsum von Antibiotika ist daher neben dem ständigen Entfernen des zähen Schleimes aus den Atmungsorganen die Folge des Gendefektes.

Und in Biofilmen organisierte Bakterienverbände sind wesentlich resistenter gegen diese Arzneimittel als ihre Einzelkollegen. Die amerikanischen Wissenschaftler verglichen jetzt mit der Microarray-Technologie, die das aktive Erbgut von Zellen per Bildverarbeitung sichtbar macht, das Genom von einzelnen Pseudomonas-Zellen mit dem organisierter Biofilm-Zellen.

Ihre Ergebnisse waren verblüffend: Nur 73 der rund 5 500 Gene des Bakteriums zeigten in den beiden Lebensformen unterschiedliche Aktivierungsmuster. Bisher waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass Biofilme nicht als eine Einheit anzusehen sind, da sich Zellen innerhalb des Verbandes stark unterscheiden können.

Die Forscher räumten mit noch einer Hypothese auf: Einzelzellen von Pseudomonas enthalten inaktive Gen-Cluster, die aber in anderen Bakterienarten aktiv durch Proteinherstellung Antibiotika aus den Zellen heraus pumpen. Bisher wurde vermutet, dass sie im Biofilm dieser Art aktiviert und ebenfalls für Antibiotika-Resistenzen verantwortlich sind. Aber auch das Microarray des Biofilms zeigte nur inaktive Cluster.

Das Team fand stattdessen andere codierende Gene, die auch mit der Resistenz von Einzelzellen gegen Antibiotika in Verbindung gebracht werden: Deren Proteine verhindern, dass Aminoglykosid-Antibiotika in die Zelle eindringen.

Und sie stellten bei Versuchen mit Tobramycin – einem weit verbreiteten Aminoglykosid – eine neue Theorie auf: Durch die geringere Angriffsfläche des Antibiotikums an einem Biofilm haben dessen Zellen bei steigender Dosis Zeit, um darauf zu reagieren und Abwehrstoffe zu produzieren. Sie werden im Gegensatz zu Einzelzellen nicht sofort vernichtet.

Werden Pseudomonas-Filme mit Tobramycin traktiert, änderte sich die Aktivität von 20 Genen. Die Zellen produzierten unter anderem eine Protein-Pumpe, die das Bakterium gegen quaternäre Ammoniumverbindungen resistent macht, einem beliebten Inhaltsstoff von Desinfektionsmitteln. Die Zellantwort von Biofilmen erfolgt also breit gefächert: Nicht nur eine Resistenz, sondern durchaus mehrere sind bei der Gabe eines Antibiotikums möglich.

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