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News: Gen der Peutz-Jeghers-Krankheit identifiziert

Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried und der Universitätsklinik in Würzburg haben die molekulare Ursache des Peutz-Jeghers-Syndroms enträtselt. Nun kann die Krankheit auch direkt mittels Genanalyse diagnostiziert werden.
Das Peutz-Jeghers-Syndrom ist eine seltene autosomal vererbte Krankheit, die durch Polypen im Magen-Darm-Trakt, braune Melaninflecken um die Lippen, sowie ein hohes Risiko für verschiedene Tumore gekennzeichnet ist. Die Krankheit wurde zum ersten Mal von Peutz (1921) und Jeghers (1949) beschrieben, aber die genetische und biologische Basis dieser ungewöhnlichen Kombination von Symptomen blieb bis vor kurzem ein Rätsel. In der Kindheit sind die typischen dunkelbraunen Melaninflecken auf den Lippen und um den Mund leicht zu erkennen, während der Adoleszenz können sie jedoch verblassen. Ein ernsthaftes lebensbedrohliches Merkmal dieser Krankheit sind die verschiedenen Tumore, die sich im Magen-Darm-Trakt, der Bauchspeicheldrüse, den Eierstöcken, Hoden, der Brust und der Gebärmutter entwickeln können. Das Wachstum gutartigen, geschwulstartigen Gewebes scheint die Basis für die spätere Entwicklung bösartiger Geschwulste zu sein.

Das Peutz-Jeghers-Syndrom wird in betroffenen Familien vererbt, kann jedoch auch sporadisch auftauchen. Der erste Schritt zur Identifizierung der molekularen Ursache gelang vor einem Jahr, als der verantwortliche genetische Faktor auf der Spitze des kurzen Arms von Chromosom 19 entdeckt wurde. Alle betroffenen Personen in mehreren unterschiedlichen Familien besaßen dasselbe chromosomale DNA-Segment um den anonymen DNA-Marker D19S886. In den letzen Jahren haben Dieter Jenne vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie und Michael Zimmer von der Universität Würzburg in Zusammenarbeit mit dem Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien eine durchgehende Gen-Karte genau dieser entscheidenden Region erstellt. Sie setzten mehrfach bakteriell geklonte und teilweise überlappende DNA-Fragmente zusammen und erhielten so eine hochaufgelöste Karte mit vielen Orientierungspunkten. In dieser Region identifizierten sie eine Multigen-Familie von Immunabwehr-Proteasen sowie eine große Anzahl neuer Gene, über die so gut wie keine Erkenntnisse vorhanden waren, ihre partiellen DNA-Sequenzen ausgenommen.

Im Bereich um den Marker D19S886 identifizierten und lokalisierten die Wissenschaftler 21 neue Gene. Nach computergestützter Auswertung ihrer Sequenzen im Vergleich zu verwandten Genen bekannter Funktion zogen sie zwei Gene als Kandidaten für die Peutz-Jeghers-Krankheit in Betracht. Schließlich entdeckten sie, daß das Gen für die Serin-Threonin-Kinase 11 (STK11) in drei Familien mit erkrankten Personen sowie bei zwei sporadischen Patienten Mutationen trug. Alle diese Mutationen führten zur Synthese eines nicht vollständigen und inaktiven Proteins. Die Krankheitssymptome werden durch den spontanen Verlust der zweiten und dann noch alleine funktionsfähigen Kopie dieses Gens in somatischen Zellen ausgelöst (Nature Genetics, Ausgabe vom 1. Januar 1998). Gleichzeitig und unabhängig davon fand ein zweites Forschungsteam unter der Leitung von Lauri Aaltonen von der Universität Helsinki ebenfalls Defekte im STK11-Gen in 11 von 12 Peutz-Jeghers-Familien (Nature, Ausgabe vom 8. Januar 1998).

Der Bereich, der das STK11 codiert, wurde ursprünglich von Jun-ichi Nezu von Chugai Pharmaceuticals in Japan geklont, als neues Mitglied der großes Protein-Kinase-Familie. Protein-Kinasen sind cytosolische Regulationsenzyme, welche die funktionalen Eigenschaften bestimmter Cytosol-Proteine (Substrate) verändern, indem sie den Seitenketten der Serin-, Threonin- oder Tyrosin-Reste Phosphatgruppen anhängen. Kinasen besitzen sehr verschiedene Funktionen bei der Regulation des Zellzyklus, bei der Wachtumskontrolle und der Signalweitergabe. Die molekularen Mechanismen, wie das STK11 die Zelldifferenzierung im Magen-Darm-Trakt und anderen Organen kontrolliert, ist bisher noch nicht bekannt.

Durch die neuen Ergebnisse ist es nun möglich, das Peutz-Jeghers-Syndrom auf der molekularen genetischen Ebene zu diagnostizieren. So ist es möglich, auch atypische Formen der Krankheit zu identifizieren, bei denen nicht die klassischen Symptome wie Melaninflecken auftauchen. Personen mit Mutationen im STK11-Gen könnten regelmäßig untersucht werden, um frühzeitig Anzeichen von möglicherweise malignen Tumoren zu entdecken.

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