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News: Genetische Rhythmen

Ein tiefer Blick ins Taufliegengehirn verrät mehr darüber, wie die innere Uhr Lebewesen im Takt hält.
In unseren Körpern tickt eine molekulare innere Uhr, die dafür sorgt, dass wir uns nachmittags um drei anders fühlen als nachts um drei. Selbst ohne Signale von außen – wie dem Sonnenlicht – hält sie in etwa einen 24-Stunden-Takt. Bisher sind allerdings nur einige der Gene identifiziert, die für das reibungslose Funktionieren des Zeitgebers unerlässlich sind. Wie sich die darin codierten Proteine auf die Aktivität anderer Gene auswirken, liegt jedoch noch weitgehend im Dunkeln.

Das bekannteste Studienobjekt für innere Uhren ist die Taufliege Drosophila melanogaster. Ihr Genom ist vollständig entschlüsselt, und da die DNA-Sequenz zahlreicher Gene nun bekannt ist, lassen sich Gen-Chips entwickeln, mit denen Wissenschaftler in Gewebeproben aktive Gene aufspüren können: Mithilfe passender Sequenzen fangen sie die nur beim Ablesen eines Gens gebildete Boten-RNA ein.

Auch Paul Taghert von der Washington University und seine Kollegen wählten diesen Ansatz. Sie gönnten ihren Taufliegen zunächst vier Tage mit einem wechselnden Hell-Dunkel-Rhythmus und analysierten am fünften Tag mithilfe eines Gen-Chips die Gen-Aktivität im Gehirn der Tiere. Anschließend stellten sie die Fliegen für zwei Tage in die Dunkelkammer und erfassten wiederum per Gen-Chip das Expressionsmuster. Der gleichen Prozedur unterzogen sie auch Tiere, bei denen das Gen period (per) mutiert ist. Dieses Gen ist essenziell für das richtige Ticken der Uhr – fehlt es, verlieren die Tiere den Rhythmus.

Die Forscher stießen bei den insgesamt etwa 14 000 untersuchten Genen auf 377 rhythmisch abgelesene Sequenzen unter Hell-Dunkel-Bedingungen beziehungsweise derer 447 bei anhaltender Nacht. Als sie die verschiedenen parallelen Versuchsansätze verglichen und die zufällig im Takt aktiven Gene ausschlossen, blieben noch 72 Erbanlagen mit rhythmischem Expressionsmuster übrig. Von besonderem Interesse sind davon 22 Gene, die auch im ständigen Dunkel weiter tickten: Sie werden offensichtlich allein über den Uhr-Mechanismus und nicht äußere Einflüsse gesteuert.

In den Fliegen ohne aktives per zeigten bei wechselnden Lichtbedingungen noch 18 Gene ein periodisches Muster, sie reagieren also direkt auf den Hell-Dunkel-Wechsel. Acht der 22 von der inneren Uhr getriebenen Gene fanden sich auch in den mutierten Tieren, wobei vier davon nur bei wechselnden Lichtbedingungen aktiv waren, während die anderen vier nur in völliger Dunkelheit rhythmisch abgelesen wurden. Die verbleibenden 32 der 72 Gene benötigten sowohl per als auch den Tag-Nacht-Wechsel, um ein periodisches Expressionsmuster zu zeigen.

Im nächsten Schritt untersuchten die Forscher, inwieweit sich das Uhr-Gen per auf die Aktivität von Genen auswirkt, die nicht im Takt abgelesen werden. Und hier erlebten sie eine große Überraschung: Denn per wirkte sich offenbar auf 650 Gene aus – sie zeigten in den Kontrolltieren ein anderes Maß an Aktivität als in den Taufliegen ohne per, wobei zusätzlich auch noch der Hell-Dunkel-Wechsel eine wichtige Rolle spielte.

Während Taghert und seine Mitarbeiter noch experimentierten, veröffentlichten drei weitere Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse zur Genaktivität. Der Vergleich der Ergebnisse ist ernüchternd: 84 Prozent der dort aufgeführten Gene kommen jeweils nur in einer Liste vor – die Übereinstimmung ist also denkbar gering. Die Forscher vermuten, dass viele der aufgeführten Erbanlagen falsch-positive Resultate sind, also Gene, die nur zufällig ein rhythmisches Expressionsmuster zeigen. Sie halten ihre Analyse daher für eine Art kleinster gemeinsamer Nenner, auf der nun zukünftige Studien aufbauen sollten. Um das zu erleichtern, wollen sie ihre Rohdaten im Internet zur freien Verfügung stellen.

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