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Infektionskrankheiten: Genom des Amöbenruhr-Erregers entziffert

Entamoeba histolytica | Ein gieriger Bakterienfresser und gefährlicher Krankheitserreger: Der Parasit Entamoeba histolytica infiziert jährlich fünfzig Millionen Menschen, 100 000 überleben die Amöbenruhr nicht.
Im Kampf gegen die Amöbenruhr ist einem Forscherteam vom Institute for Genomic Research in Rockville and dem Wellcome Trust Sanger Institute in Großbritannien ein entscheidender Schritt gelungen: Sie haben das Erbgut des Erregers – Entamöba histolytica – entziffert. Damit lieferten sie nicht nur die erste vollständige genumfassende Studie an einer Amöbe, sondern zugleich wichtige Grundlagen für die Entwicklung neuer Impfstoffe gegen die Krankheit, die insbesondere in Entwicklungsländern viele Todesopfer fordert.

Bei der Analyse der Gensequenz des Parasiten Entamoeba histolytica machten Brendan Loftus und seine Kollegen eine überaschende Entdeckung: Diese Amöbe verfügt über ein außergewöhnlich komplexes Repertoire von sensorischen Genen und überdies über eine Auswahl bakterienähnlicher Gene, das ihr eine einzigartige Biologie verleihe. Offenbar ist Entamoeba histolytica nicht nur ein äußerst gieriger Bakterienfresser, sondern auch durchaus in der Lage zu fruchtbarer Koexistenz mit manchen Darmbakterien.

In der DNA des Erregers fanden die Forscher Hinweise darauf, dass er wahrscheinlich seine Stoffwechselgene von Angehörigen der gewöhnlichen Darmbakterienkultur hat. Diese biologische Gemeinsamkeit werfe ein neues Licht auf die Koexistenz der parasitären Einzeller und der normalen anaeroben Darmbakterien, so die Forscher. Sie zeige, dass die frühere Annahme, es handele sich bei Entamoeba histolytica um eine eher primitive Form, in die Irre leitet. Offenbar habe sich diese Amöbe Gene wieder angeeignet, die bei ihrer Übergang von einem freilebenden Organismus in einen Parasiten verloren gegangen waren.

Auch verfüge sie über eine Familie von Membranrezeptoren, die ihr die Anwesenheit eines menschlichen Wirtes mitteilen. Ganz klar habe diese Amöbe Gene, die ihr erlauben, ihre Umgebung wahrzunehmen und darauf zu reagieren, berichtet Neil Hall, Leiter der Arbeitsgruppe. Bemerkenswert sei zudem die beispiellose Anzahl von Transfer-DNA-Genen (tRNA), die etwa zehn Prozent des Studienmaterials ausmachten. Die große Familie von Oberflächenproteinen der Amöbe spielen wahrscheinlich bei der feindlichen Übernahme des Imunsystems durch den Parasiten eine Rolle, glauben die Forscher. Dies könnte auch erklären, warum dieser Erreger über Jahre hinweg im Körper schlummern kann, bevor es zum Ausbruch der Krankheit kommt.

Diese Information wiederum könnte neue Wege aufzeigen, den Körper gegen die Amöbenruhr zu rüsten. Jedes infizieren sich etwa fünfzig Millionen Menschen mit dem Erreger, 100 000 sterben daran.

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