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Genom-Editierung: Erst die Wollhaarmaus, dann ein ganzes Mammut?

Genetiker haben Mäuse gezüchtet, die ein Fell wie einst die Wollhaarmammuts tragen. Es sei ein Schritt hin zu Wiederbelebung der ausgestorbenen Tierart. Doch Fachkollegen sind skeptisch.
Zwei flauschige, hellbraune Mäuse sitzen auf einer schwarz-behandschuhten Hand. Die haltende Person trägt einen typischen weißen Laboranzug, das Logo von Colossal Biosciences ist unscharf auf der Brust erkennbar.
Die US-Biotechfirma Colossal hat Mäuse mit mammutähnlichem Fell gezüchtet.

Mit Hilfe der Genom-Editierung haben US-Forscher Mäuse mit einem mammutähnlichen Fell gezüchtet. Dazu veränderten die Fachleute der Biotechfirma Colossal Biosciences simultan die Funktion mehrerer Gene, die das Fellwachstum steuern, wie das Unternehmen in einer Pressemitteilung berichtet. Das Fernziel der Firma lautet, ausgestorbene Tierarten wie das Mammut oder den Dodo wiederzubeleben. Ihre Ergebnisse haben die Genetiker in einem noch nicht von Fachkollegen begutachteten Preprint auf »bioRxiv« veröffentlicht.

Die Studie der Genetiker beruht auf den Erbgutdaten von 121 Elefanten und Mammuts. Darin suchten sie relevante Abschnitte heraus, die Fellfarbe, -dicke und -länge beeinflussen, und konzentrierten sich zudem auf Partien, in denen sich Mammuts von Asiatischen Elefanten unterscheiden. Die entscheidende Arbeit führten sie dann am Mausmodell durch. Aus embryonalen Stammzellen züchteten sie Mäuse, bei denen sie sieben Gene verändert hatten. Die so editierten Tiere entwickelten langhaariges, helles und wolliges Fell, auch wuchsen ihnen gewellte Tasthaare.

Dass sich die Mäuse äußerlich derart verändern würden, beruhte auch auf dem Wissen um spontane Mutationen bei diesen Tieren. Zudem hat man in die Mäuse keine mammutgleichen Gene eingebracht; vielmehr wurde das mauseigene Erbgut so angepasst, dass sich deren Fellwuchs wandelte.

Ihr Ergebnis tauften die Forscher »Colossal Woolly Mouse«, die Wollhaarmaus von Colossal. »Dieser Erfolg bringt uns unserem Ziel, das Wollhaarmammut wiederzubeleben, einen Schritt näher«, erklärt der Geschäftsführer von Colossal Biosciences Ben Lamm in der Pressemitteilung.

Kein Mammut in Sicht

Fachleute, die von den Science Media Centern in Deutschland, Großbritannien und Australien zur Studie befragt wurden, schätzen die Ergebnisse hingegen nüchterner ein. Die Genom-Editierung der Maus sei solide, lobt Sergiy Velychko von der Harvard Medical School. Doch die Veränderungen seien »mausspezifisch und haben nichts mit Elefanten oder gar Mammuts zu tun«, so der Genetiker. Seit mehr als vier Jahrzehnten sei man in der Lage, Mäuse aus kultivierten embryonalen Stammzellen zu züchten, »aber die meisten Techniken lassen sich nicht auf andere Arten anwenden, nicht einmal auf Ratten«.

Mäuse können schnell und viel Nachwuchs produzieren. Innerhalb von drei Wochen werfen sie sechs bis acht Junge. Daher eignen sie sich so gut als Modellorganismus für die Forschung. Denn hier müssen zahlreiche Tiere gezüchtet werden, von denen in aller Regel nur ein Bruchteil das Licht der Welt erblickt. Tori Herridge von der University of Sheffield merkt an, dass auch die Experimente von Colossal größtenteils fehlschlugen: »Die meisten geneditierten Embryonen brachten keine lebenden Jungtiere hervor – weniger als zehn Prozent.« Zudem habe die Genom-Editierung nicht bei allen Tieren vollumfänglich funktioniert.

Die Methode auf Elefanten zu übertragen, sei demnach nicht praktikabel. Denn ausreichend geneditierte Elefanten zu erzeugen, könnte schwierig werden. Die großen Säuger tragen ihren Nachwuchs fast zwei Jahre lang aus und werfen meist nur ein Kalb. Zudem habe die künstliche Befruchtung bei diesen Tieren bislang sehr selten zum Erfolg geführt. Es sei gerade so, »als würde man Leitern aneinanderhängen, um zum Mond zu gelangen«, sagt Merlin Crossley von der University of New South Wales. Der Molekulargenetiker gibt auch zu bedenken, dass die Editierung von sieben Genen nicht ausreichen würde, um ein Wollhaarmammut zum Leben zu bringen. Es müssten tausende verändert werden.

Was würden Wollhaarmammuts in Zeiten des Klimawandels machen?

Fraglich bleibt, was mit einer Wiederbelebung des Wollhaarmammuts bezweckt werden soll. Die Tiere sind seit ungefähr 4000 Jahren ausgestorben. Seither haben sich die Lebensbedingungen und mit ihnen die Ökosysteme stark verändert – nicht zuletzt durch den menschengemachten Klimawandel. »Die Bedrohungen, die zum Aussterben des Wollhaarmammuts führten, haben sich in den vergangenen Jahren nur noch verschärft«, sagt Damien Fordham von der University of Adelaide. »Daher ist es etwas abwegig zu glauben, dass eines Tages wieder überlebensfähige Mammutpopulationen in Sibirien umherstreifen werden.«

Dennoch sieht Fordham eine sinnvolle Nutzung für die Methode: Man könne vom Aussterben bedrohten Tieren wärmetolerante Merkmale verpassen. Wohlgemerkt Tieren, die durch den vom Menschen verursachten Klimawandel vom Aussterben bedroht sind. Die vom SMC befragten Fachleute sehen für die Methode eine weitere Anwendung bei der Zucht von Nutztieren. So ließen sich Schafe mit mehr Muskelmasse oder Rinder ohne Hörner züchten, wie es auch schon gemacht wurde. In der Europäischen Union sind geneditierte Nutztiere jedoch nicht zugelassen.

Unabhängig davon liegt die Wiederbelebung der eiszeitlichen Megafauna noch in weiter Ferne. Denn ein paar veränderte Gene machen kein Mammut, aber immerhin eine Maus mit flauschigem Fell.

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