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Genomeditierung: Revolution in der Pflanzenzucht?

Neue molekulargenetische Verfahren wie die CRISPR-Cas-Methode machen das Züchten von Nutzpflanzen schneller und präziser. Die Gesetzgebung tut sich jedoch schwer, mit dem Fortschritt mitzuhalten.
Grüne Roggenpflanzen in einem landwirtschaftlichen Versuchsfeld, die in quadratischen Parzellen angeordnet sind. Die Pflanzen sind gleichmäßig verteilt und zeigen unterschiedliche Wachstumsstadien.
Zwecks Züchtung werden Nutzpflanzen – hier: Roggen – häufig in Parzellen angebaut. Fachleute prüfen damit alte und neue Sorten beispielsweise auf Krankheitsresistenz oder Stresstoleranz. Oft setzen sie die Pflanzen hierfür bewusst belastenden Einflüssen aus. Das hilft ihnen, die genetischen Grundlagen wichtiger Pflanzeneigenschaften zu verstehen und damit die Züchtung neuer Sorten voranzubringen.

Mit dem Anbau von Pflanzen, insbesondere Wildgetreide, begann zugleich die Pflanzenzucht. Zunächst erfolgte sie durch simple Auslese jener Gewächse, die vorteilhafte Eigenschaften hatten – etwa große oder besonders viele Körner sowie Ähren, aus denen Körner nicht ausfielen und gut geerntet werden konnten. Indem Menschen bevorzugt deren Samen aussäten, betrieben sie eine Auslese von Pflanzen, die solche gewünschten Merkmale aufwiesen, und griffen so in die natürliche Selektion ein. Die Auslesezüchtung wird seit dem Beginn der Landwirtschaft vor zirka 10 000 Jahren praktiziert und spielt sich auf langen Zeitskalen ab: In der Regel dauert es mehrere Jahrzehnte, die Merkmale einer bestimmten Pflanzenart damit spürbar für die landwirtschaftliche Produktion zu verbessern. Und sie erfolgt weitgehend zufällig, da nur mit den Pflanzen gearbeitet werden kann, die auf natürliche Weise entstanden sind.

Weil Auslesezüchtung schon seit vielen Jahrtausenden betrieben wird, hat sie das Spektrum unserer Nutzpflanzen grundlegend geformt. Dies wird vor allem beim Weizen deutlich: Seine heutigen Eigenschaften wie Ertrag, Widerstandsfähigkeit und Backeigenschaften haben sich in Jahrtausenden der züchterischen Auslese entwickelt. Sie gehen einher mit weitreichenden Veränderungen im genetischen Hintergrund der Pflanzen. Dazu gehören vor allem die Integrationen der Erbanlagen verschiedener verwandter Gräser, die über die frühen, genetisch »einfacheren« Kulturformen wie Einkorn und Emmer sowohl den heutigen Brot- wie auch den Hartweizen hervorgebracht haben.

Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte der Mönch Gregor Mendel zentrale Regeln, wie verschiedene Ausprägungen eines Merkmals – etwa die Blütenfarbe oder Samenform – vererbt werden. Er schuf damit die Grundlage für eine zielorientierte Form der Pflanzenzucht, die Kreuzungszüchtung (siehe »Methoden der Pflanzenzüchtung«). Diese wurde aber erst ab dem 20. Jahrhundert systematisch betrieben, zunächst noch ohne Vorstellung davon, wie Merkmale genetisch codiert sind. Im Prinzip nutzt man die vererbbaren Unterschiede zwischen Pflanzen einer Art, um erwünschte Eigenschaften in nachfolgenden Generationen zu kombinieren. Zwei genetisch verschiedene, aber fortpflanzungsfähige Elternpflanzen werden dazu gekreuzt. Die entstehenden Nachkommen vereinen Merkmale beider Eltern in sich, die vorher getrennt aufgetreten waren. Ein Beispiel hierfür ist »Rimpaus früher Bastard« – einer der ersten Elite-Winterweizen am Markt, der durch Kreuzung einer amerikanischen Landweizensorte und der Sorte »Square Head« durch Wilhelm Rimpau 1889 gezüchtet wurde.

Gewollte Mutanten

Klassische Kreuzungszüchtung bleibt aufwändig, da bei einer Kreuzung nicht nur die gewünschten Merkmale neu kombiniert werden, sondern das gesamte Erbgut der Elternpflanzen. Es ist unvermeidlich, dass die Nachkommen dabei auch Gene erhalten, die unvorteilhaft beziehungsweise unerwünscht sind. Diese müssen insbesondere bei Kreuzungen mit wenig angepassten Genotypen in weiteren Kreuzungsschritten dann wieder aus der Zuchtlinie entfernt werden. Die nutzbare genetische Variationsbreite einer Art ist jedoch auf die Gene (beziehungsweise deren konkrete Varianten, die Allele) begrenzt, die im Genpool der entsprechenden Spezies vorhanden sind und durch natürliche Mutation entstehen. Deshalb suchen Pflanzenzüchter schon lange nach Möglichkeiten, die genetische Diversität von Nutzpflanzen künstlich zu erweitern. Seit den 1930er Jahren setzen sie hierfür unter anderem ionisierende Strahlen und chemische Substanzen ein, um das Erbgut der Pflanzen ungezielt zu verändern, zu »mutieren«. Mit den daraus resultierenden Mutanten arbeiten sie dann züchterisch weiter, was als Mutationszüchtung bezeichnet wird und heute zu den klassischen Züchtungsverfahren zählt.

Themenwoche »Revolution auf dem Acker«

Zwischen den wilden Süßgräsern, die die Menschen in der Jungsteinzeit anbauten, und den heutigen Getreidesorten liegen Welten. Jahrtausendelange Züchtung hat die Erträge vervielfacht, die Ernten erleichtert und die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Schädlinge gemacht. Mit dem rasanten Fortschritt der Molekularbiologie nimmt diese Entwicklung noch einmal drastisch an Fahrt auf. Wie funktioniert moderne Pflanzenzucht, welche Methoden stehen hierfür zur Auswahl? Was ist Genomeditierung und wofür braucht man Pangenomik? Wieso regen sich viele über Grüne Gentechnik auf, aber kaum jemand darüber, dass ein Großteil der heutigen Ackerpflanzen schon einmal mit ionisierenden Strahlen beschossen worden ist? In dieser Themenwoche beantworten wir das und zeigen, wohin sich die moderne Landwirtschaft entwickelt.

  1. Genomeditierung: Revolution in der Pflanzenzucht?
  2. Grüne Gentechnik: »Wir müssen endlich eine gescheite Risikoforschung entwickeln«
  3. Infografik: So geht Pflanzenzucht
  4. Erbgutanalysen: Mit Pangenomik zum Getreide der Zukunft
  5. PhänoSphäre: Ein Hightech-Gewächshaus für die Pflanzenforschung
  6. TILLING-Verfahren: Gene verändern ohne Gentechnik

Alle Inhalte zur Themenwoche »Revolution auf dem Acker« finden Sie auf unserer Themenseite »Landwirtschaft«.

Als nächster Schritt kam Ende des 20. Jahrhunderts die »Grüne Gentechnik« auf. Der Begriff bezeichnete zunächst den Ansatz, mittels molekulargenetischer Werkzeuge Gene zwischen in der Regel nicht verwandten Organismen – ohne Kreuzung – direkt zu übertragen. Wenn man das tut, entstehen gentechnisch veränderte Organismen (GVO), auch als transgene Organismen bezeichnet. Ein Beispiel dafür ist der Bt-Mais, eine Maispflanze, in deren Erbgut ein Bakteriengen eingefügt wurde. Infolge des Eingriffs produziert die Pflanze ein Bakterienprotein, welches für Raupen des Maiszünslers, die den Maisanbau stark beeinträchtigen, giftig ist. Bt-Mais wurde in Deutschland ab 2005 auf Versuchsflächen angebaut, doch bereits im Jahr 2009 wurde der Anbau aus Sicherheitsbedenken untersagt. Die Befürchtung lautete, modifizierte Pflanzen könnte Nichtzielorganismen wie den Marienkäfer schädigen. Auch wenn dies nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht zutrifft, ist es im erforderlichen EU-weiten Abstimmungsprozess bisher nicht gelungen, die Entscheidung zu revidieren.

Im Jahr 2012 stellten die Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier und die Biochemikerin Jennifer Doudna die sogenannte CRISPR-Cas-Methode vor, wofür sie im Jahr 2020 den Nobelpreis für Chemie erhielten. CRISPR-Cas ist ein von Bakterien entlehntes Verfahren, um DNA-Moleküle an vorher bestimmter Stelle gezielt zu schneiden. In Kombination mit den zelleigenen Reparatursystemen können an dieser Stelle dann Mutationen entstehen, die als »SDN1« bezeichnet werden, beziehungsweise Erbgutveränderungen enzymatisch eingebaut werden (»SDN2« und »SDN3«; siehe »Methoden der Pflanzenzüchtung«). SDN steht für »site-directed nuclease« und ist der englische Fachbegriff für ein Enzym, das die DNA an bestimmten Stellen schneiden kann. Das Verfahren zählt zu den Methoden der Genomeditierung, englisch Genome Editing. Es hat die Biotechnologie, die Gentechnik und damit auch die Pflanzenzucht revolutionär verändert, denn es ermöglicht eine präzise Genmodifikation an einer festgelegten Stelle im Erbgut und ist technisch vergleichsweise einfach. In der öffentlichen Diskussion wird die Genomeditierung bei Pflanzen ebenfalls zur Grünen Gentechnik gezählt und ist in Europa derzeit im Gentechnikrecht geregelt, auch wenn sie keine transgenen Organismen hervorbringt, sondern nur mutierte, in die keine artfremden Gene eingebaut sind.

Drastische Beschleunigung

Die Ziele der Pflanzenzüchtung haben sich derweil nicht geändert. Ist Züchtern bekannt, auf welchen Erbanlagen ein bestimmtes gewünschtes Pflanzenmerkmal basiert, erlauben es die Verfahren der Genomeditierung, diese Erbanlagen in den Nutzpflanzen gezielt zu beeinflussen und damit auch das Merkmal. Vorausgesetzt, die Verfahren sind bei den ausgewählten Pflanzen anwendbar, ermöglichen sie es, bedeutend schneller ein Zuchtziel zu erreichen, als dies mit Methoden wie der Auslese- und Kreuzungszüchtung möglich ist: Zeitersparnis in der Tomatenzüchtung zirka drei Jahre, bei Brotweizensorten etwa acht Jahre und bei Äpfeln mehr als zehn Jahre.

Vielgenutztes Gewächs | Ein Feldversuch mit Maispflanzen. Mais dient nicht nur als Nahrungspflanze, sondern auch als Grundlage für Viehfutter sowie als nachwachsender Rohstoff für die Energiegewinnung. Als C4-Pflanze kommt er vergleichsweise gut mit längeren Trockenperioden zurecht, was ihn als Ackerpflanze in Zeiten des Klimawandels interessant macht. Diverse gentechnisch veränderte Maissorten sind in Europa für den Anbau zugelassen. Die Entwicklung des Bt-Maises, dem ein bakterielles Gen für ein Insektentoxin eingebaut wurde, war aus wissenschaftlicher Sicht ein Durchbruch.

Eine Beschleunigung des Züchtungsprozesses wird zunehmend wichtig, da sich unsere Umwelt beispielsweise infolge des Klimawandels immer schneller verändert, sodass man darauf rascher mit der Züchtung verbesserter oder gar neuer Nutzpflanzen reagieren muss. Methoden der Genomeditierung einzusetzen, garantiert für sich jedoch noch keinen Züchtungserfolg. Viele Pflanzeneigenschaften beruhen auf einem komplexen Zusammenspiel zahlreicher Erbanlagen und Umwelteinflüsse – etwa die Toleranz gegenüber Trockenheit. Solche Merkmale im gewünschten Sinn zu beeinflussen, stellt Züchter vor erhebliche Herausforderungen, unabhängig vom jeweiligen Züchtungsverfahren.

Vor diesem Hintergrund findet in Europa schon seit Jahrzehnten eine hitzige Diskussion über die Risiken der Grünen Gentechnik statt – und über die Notwendigkeit, die Methoden gesetzlich zu regulieren. Das in Europa vorgeschriebene Verfahren, um neue gentechnisch veränderte Nutzpflanzen zuzulassen, kostet zusätzlich zur Entwicklung und Sortenzulassung Millionen an Euro und dauert in der Praxis mehrere Jahre. Angesichts des rapide fortschreitenden Klimawandels und der Notwendigkeit, möglichst rasch eine nachhaltigere Landwirtschaft zu entwickeln, hat die EU-Kommission 2021 eine Gesetzesinitiative gestartet. Sie zielt darauf, die Zulassung genomeditierter Pflanzen, die sich im Prinzip nicht von konventionell gezüchteten Gewächsen unterscheiden, erheblich zu erleichtern. Der vorgelegte Gesetzentwurf wird in den EU-Gremien derzeit debattiert, während viele außereuropäische Länder bereits Regelungen eingeführt haben, welche die Markteinführung genomeditierter Pflanzen erleichtern.

In der Praxis erweitert die Genomeditierung die Möglichkeiten der Züchter und erleichtert es, die Merkmale von Nutzpflanzen gezielt und zeitnah an Umweltveränderungen sowie an eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion anzupassen, wenn die entsprechenden Gensequenzen bekannt sind.

Methoden der Pflanzenzüchtung: Eine Auswahl

  • Auslesezüchtung (seit etwa 12 000 Jahren): Der Mensch wählt die Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften aus und nimmt nur deren Samen für die Vermehrung. Zeitaufwand: sehr langwierig (viele Jahrzehnte), nur seltene und ungezielte Verbesserungen.
  • Kreuzungszüchtung (seit dem 19. Jahrhundert): Zwei artverwandte Pflanzen, die unterschiedliche gewünschte Eigenschaften haben, werden miteinander zur Fortpflanzung gebracht, oft durch manuelle Bestäubung. Zeitaufwand: langwierig, je nach Pflanzenart 5 bis 30 Jahre.
  • Mutationszüchtung (seit 1930): Die natürliche Mutationsrate wird durch ionisierende Strahlung oder bestimmte Chemikalien künstlich um ein Vielfaches erhöht. Zeitaufwand: langwierig, da ungezielt; die behandelten Pflanzen müssen vielfach mit der ursprünglichen Pflanzenlinie rückgekreuzt werden, um Mutationsschäden zu eliminieren.
  • Transgene Pflanzen (seit 1983): DNA aus artfremden Organismen (aus Bakterien, Tieren oder anderen Pflanzen) wird in das Erbgut der Pflanze eingebracht. Dies geschieht durch Hilfsorganismen wie Viren und Agrobakterien oder durch Beschießen der Pflanze mit kleinen Gold- oder Wolframpartikeln, auf denen sich die DNA befindet. Zeitaufwand: schneller und gezielter als konventionelle Methoden; es wird nur wenig fremde DNA eingebaut, allerdings ungezielt.
  • Genomeditierung (seit 1996): SDN1-Verfahren: Enzyme, die in die Pflanze eingebracht werden, zerschneiden die DNA gezielt an einer auswählbaren Stelle; die Zelle repariert den Schnitt, wobei durch seltene Fehler bei der Reparatur kleine Veränderungen entstehen. SDN2-Verfahren: Wie SDN1, aber es wird eine Sequenzvorlage für die Reparatur angeboten, wodurch eine etwas größere Veränderung nach Wunsch erzeugt wird. SDN3-Verfahren: Funktionieren im Prinzip wie SDN2, es werden aber deutlich größere Sequenzvorlagen in die Zelle eingebracht, das heißt, relativ lange Gensequenzen lassen sich in den Organismus integrieren. Zeitaufwand: schneller und gezielter als konventionelle Züchtungsmethoden.
  • SMART-Züchtung (seit 2009) und Genomic Selection: Wichtige phänotypische Merkmale werden mit typischen Sequenzregionen (»Markern«) in den Erbanlagen einer Nutzpflanzenart in Verbindung gebracht. Anhand dessen kann man die Kreuzungspartner gezielt auswählen und deren Nachkommen bereits im frühen Wachstumsstadium auf die gewünschten Sequenzkombinationen im Erbgut hin untersuchen. Die Erbanlagen werden dabei nicht verändert, und die spezifische Funktion der Gene, in deren Nähe die aufgespürten Sequenzregionen liegen, ist häufig noch unbekannt. Genomic Selection nutzt Informationen zu allen molekularen Markern einer Population und zur Qualität der mit ihnen verbunden Merkmale, um daraus eine Züchtungsstrategie für komplexe Kombinationen von Eigenschaften zu entwickeln. Zeitaufwand: schneller als konventionelle Methoden, da die Auswahl der Eltern und der Nachkommen im frühen Wachstumsstadium auf der Ebene von molekularen Markern erfolgt.

China hat die Nase vorn

Bei der Genomeditierung zeigt sich im internationalen Vergleich der einschlägigen wissenschaftlichen Fachliteratur, die zwischen 2019 und 2024 erschienen ist und über die Grundlagenforschung beziehungsweise das »Proof-of-Principle« hinausgeht, zumindest bei Pflanzen ein eindeutiger Trend: Das führende Land ist China, das mit einem Anteil von 59 Prozent die meisten wissenschaftlichen Artikel dazu produziert hat. Dahinter folgen mit großem Abstand die USA und Europa mit elf respektive neun Prozent. Es gibt mehrere Kategorien pflanzlicher Merkmale, die man mit gezielten Mutationen verändern möchte. Am häufigsten – in etwa 60 Prozent der Fälle – versuchen Züchtungsforscher, die Qualität des pflanzlichen Produkts hinsichtlich seiner Inhaltsstoffe und/oder relevante Züchtungs- und Produktionseigenschaften (etwa die Pollensterilität oder die Schotenbrüchigkeit) zu verbessern. Weitere oft bearbeitete Eigenschaften sind die Widerstandsfähigkeit gegen biotische Stressfaktoren wie Viren, Bakterien und Pilze, aber auch abiotische wie Hitze, Trockenheit und Kälte. Diese zweite Kategorie umfasst 32 Prozent der Fälle. Resistenz gegenüber Herbiziden steht hingegen nur selten im Fokus der Forschung.

Anwendungen des Genome Editing bei Pflanzen | Publizierte wissenschaftliche Arbeiten, die von Anwendungen der Genomeditierung bei Pflanzen handeln, im Zeitraum zwischen August 2019 und Juni 2024. Die Grafik erfasst nur solche Publikationen, die über rein experimentelle Arbeiten hinausgingen. China hat rund 60 Prozent aller einschlägigen Anwendungen veröffentlicht und führt damit deutlich.

Von den insgesamt über 600 Forschungsarbeiten, die seit 2019 erschienen sind und bei denen Genomeditierung zu Zwecken der Pflanzenzucht eingesetzt wurde, haben etwa 100 zu Nutzpflanzen geführt, bei denen eine Marktfreigabe binnen weniger Jahre möglich scheint. Das zeigt, dass sich Nutzpflanzen besonders im Hinblick auf einfach vererbte Merkmale mit Genomeditierung deutlich schneller verändern lassen als mit herkömmlicher Züchtung. In mehr als 90 Prozent der Fälle kam die »Genschere« CRISPR-Cas zum Einsatz. Mittlerweile dient dieses molekularbiologische Werkzeug nicht mehr nur als Schere. Mit seiner Hilfe lassen sich ebenso gezielte DNA-Modifikationen herbeiführen, ohne den Strang zu schneiden – und zwar durch Austausch einzelner DNA-Basen (»base-editing«). Insgesamt sind in den zurückliegenden fünf Jahren mehr als 65 verschiedene Spezies per Genomeditierung verändert worden. Allerdings garantiert die Anwendung der Technik nicht automatisch den Erfolg des Produkts. Letztlich muss eine neue Sorte bessere Qualitätsmerkmale sowohl für Anbauer als auch Verbraucher bieten, und das erfordert oft mehr als einfache Modifikationen.

Viele Entwicklungsarbeiten finden in Hochleistungssorten statt, um diese hinsichtlich einzelner Eigenschaften zu verbessern, etwa im Hinblick auf Resistenz- oder Qualitätseigenschaften. Die Herausforderung besteht darin, kurzfristig vorteilhafte Einzelmerkmale, beispielsweise eine Resistenz gegen neue Krankheitserreger, in Hochleistungssorten zu integrieren, die dann im weiteren Züchtungsprozess genutzt werden. Inzwischen nutzen Fachleute CRISPR-Cas in Hochdurchsatzverfahren, um viele verschiedene Linien gleichzeitig zu modifizieren.

Erhebliche Marktanteile transgener Pflanzen

Anders als genomeditierte Pflanzen werden transgene Pflanzen weltweit als »gentechnisch veränderte Organismen« (GVO) in Datenbanken erfasst, die einen einfach zugänglichen Überblick über kommerziell genutzte GVO, ihren Anbau und den Handel damit bieten. Bislang haben Züchter mehr als 30 verschiedene Pflanzenarten mit klassischer Gentechnik bearbeitet und Zulassungen für die Vermarktung erhalten, auf 206 Millionen Hektar werden aber im Wesentlichen nur vier Hauptkulturen (Mais, Soja, Baumwolle und Raps) angebaut. Zahlreiche Länder erlauben es, gentechnisch veränderte Nutzpflanzen zu importieren und zu verarbeiten. Der Anteil transgener Pflanzen an der weltweiten Gesamtproduktion beträgt bei Soja etwa 75 Prozent, bei Baumwolle sogar 80 Prozent und bei Mais und Raps jeweils etwa 30 Prozent. Die am häufigsten genutzten Merkmale sind dabei Resistenzen gegen bestimmte Pflanzenschutzmittel und Insekten, einige bieten aber auch eine bessere Trockentoleranz (etwa der HB4-Weizen) oder sind widerstandsfähiger gegen Viren.

Die technischen und biologischen Möglichkeiten, das Erbgut von Nutzpflanzen zu modifizieren, unterliegen verschiedenen Einschränkungen. Kein molekulargenetisches Verfahren ist in der Lage, alle Zellen gleich effizient zu modifizieren. Um genetisch einheitliches Material zu gewinnen, ist es daher notwendig, in einem Verfahrensschritt von einer erfolgreich veränderten Zelle ausgehend eine vollständige Pflanze zu regenerieren. Typischerweise erfolgt dies in Zell- und Gewebekulturen.

Allerdings ist das nicht mit allen Arten möglich; bei Gerste zum Beispiel gelingt es besser als bei Roggen. Und selbst innerhalb einer Art gibt es große Unterschiede, sodass sich einige Sorten gut modifizieren lassen, andere hingegen überhaupt nicht. Zudem spielt die Art der genetischen Veränderung eine wichtige Rolle. Mutationen, die lediglich zum Verlust einer Genfunktion oder zum zufälligen Einbau eines DNA-Fragments führen, lassen sich vergleichsweise einfach erreichen. Als deutlich schwieriger erweist es sich, das Erbmolekül an einer Stelle sequenzgenau zu verändern, worin gerade die Möglichkeiten und Attraktivität der Genomeditierungsverfahren liegen. Auch solche Merkmale zielgerecht zu beeinflussen, die auf dem komplexen Zusammenspiel mehrerer Erbfaktoren beruhen, erfordern umfassende Züchtungsstrategien.

Wie empfindlich zum Beispiel eine Pflanze gegenüber Krankheitserregern ist, hängt häufig von sogenannten Anfälligkeitsgenen ab. Diese Erbanlagen üben oft eine wichtige Funktion im Organismus aus, werden aber von eindringenden Krankheitskeimen gekapert, um sich zu vermehren – etwa bei Mehltau-Erkrankungen des Weizens und des Weins. Schaltet man solche Gene aus, kann das zu einer stabilen Resistenz gegenüber dem Erreger führen, doch die verlorene Genfunktion lässt sich dann mitunter nicht von anderen Erbanlagen kompensieren, was das Wachstum oder den Ertrag beeinträchtigt. Deshalb ist hier ein bedachtes Abwägen von Nutzen und Wirkung erforderlich.

Einsatzbeispiele klassischer und neuer molekulargenetischer Züchtungsverfahren

  • Klimaanpassung: Angesichts des Klimawandels hoffen viele darauf, dass moderne Züchtungsverfahren dazu beitragen, Kulturpflanzen zu entwickeln, die Trockenheit besser tolerieren. Tatsächlich sind mittlerweile einige transgene trockenstresstolerante Sorten auf dem Markt verfügbar. Als besonders widerstandsfähig gegenüber Wassermangel hat sich eine transgene Weizenlinie der Firma Bioceres (Argentinien) erwiesen, der HB4-Weizen. Er lässt unter Trockenstress je nach Standort bis zu 20 Prozent mehr Ertrag erwarten und liefert unter normalen Bedingungen gleichwertige Erträge wie konventionelle Sorten. Seine Trockentoleranz beruht auf der Wirkung eines stressregulierenden Gens aus der Sonnenblume, das die zellabbauenden Prozesse (Seneszenz) bei Trockenheit verlangsamt. Die Entwicklungszeit bis zur Zulassung in Argentinien betrug 15 Jahre. Derzeit bemüht sich Bioceres um eine breitere internationale Zulassung. Es gibt auch verschiedene Versuche, trockentolerante Nutzpflanzen per Genomeditierung zu erzeugen, sie haben aber noch kein marktreifes Produkt hervorgebracht.
  • Domestikation neuer Kulturarten: Genomeditierung gilt als vielversprechendes Werkzeug, wenn es darum geht, neue Kulturpflanzen zu domestizieren, also landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Einer der Gründe hierfür lautet, dass Genomeditierung die gleichzeitige Veränderung mehrerer Zielgene ermöglicht. Das prinzipielle Vorgehen verdeutlichte eine Forschergruppe unter der Beteiligung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster an einer Urform der Kulturtomate. Die Wissenschaftler veränderten die Wildpflanze mithilfe des CRISPR-Cas-Systems so, dass die Tochterpflanzen kleine genetische Veränderungen an sechs Genen trugen (»Multiplexing«). So ließen sich entscheidende Schritte der Tomaten-Domestikation wiederholen: viele und größere Früchte, kompakterer Wuchs. Zusätzlich wurde der Gehalt an dem Antioxidans Lycopin erhöht.
  • Ein marktnahes Beispiel für die Kombination unterschiedlicher Züchtungsmethoden einschließlich transgener Verfahren und Genomeditierung liefert die Firma CoverCress (USA). Sie hat das Acker-Hellerkraut, das als »Unkraut« gilt, zu einer Öl- und Futterpflanze umgewandelt, die sich als Winterzwischenfrucht für Mais-Soja-Fruchtfolgen in den USA nutzen lässt. Hierfür mussten unter anderem die Blühphase und die Ölzusammensetzung angepasst und störende Inhaltsstoffe beseitigt werden. Das gelang, indem man die dafür jeweils verantwortlichen Gene identifizierte und veränderte. Als hilfreich erwies sich dabei die enge Verwandtschaft mit der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), die als Modellpflanze in der Pflanzenforschung ausgiebig untersucht und auch genetisch detailliert beschrieben ist. Sie diente als Blaupause für einige Genmodifikationen des Acker-Hellerkrauts. Insgesamt dauerte die Entwicklung bis zur Marktreife mehr als zehn Jahre.

Keine Innovation ohne Risiken

Die Gentechnik ist in vielen Ländern streng reguliert. Für gentechnisch veränderte Organismen sind Zulassungsverfahren mit umfänglicher Risikobewertung vorgeschrieben. Das reicht von molekularen Analysen bis hin zu Kriterien für den möglichen Einfluss auf die Umwelt. Hinsichtlich genomeditierter Organismen jedoch ist die internationale Rechtslage uneinheitlich, unter anderem deshalb, weil die Kontrollierbarkeit der Verfahren unterschiedlich bewertet wird. In allen Züchtungsverfahren treten potenziell Nebeneffekte auf oder können unerwünschte Merkmalseigenschaften aus der Veränderung des Erbguts resultieren. Das gilt nicht nur für die neuen Methoden, sondern ebenso für klassische Züchtungsverfahren. Im Jahr 1967 beispielsweise wurde die Kartoffelsorte »Lenape« vom amerikanischen Markt genommen, weil sie infolge der klassischen Einkreuzung einer Wildart zu viele giftige Alkaloide bildete. Das Ziel dieser Züchtung war es gewesen, Krankheitsresistenzen aus der Wildkartoffel in die Kulturkartoffel einzubringen.

Die Kreuzungszüchtung kann das Erbgut der Pflanzen nur indirekt verändern, indem man die Kreuzungspartner auswählt und so beeinflusst, welche Erbanlagen im Tochterorganismus zusammenkommen. Sorten auf diesem Weg zu entwickeln, ist langwierig, und Züchter können dabei nur auf die gegebene natürliche Variationsbreite der Erbanlagen der Art selbst beziehungsweise kreuzbarer verwandter Arten zugreifen. Die klassische Mutagenese mithilfe ionisierender Strahlen oder aggressiver Chemikalien greift dagegen aktiv in die Erbanlagen ein und löst viele zufällige Mutationen in den Zielpflanzen aus. Sie erweitert damit deren genetische Diversität, erzeugt jedoch auch viele unbeabsichtigte und potenziell schädliche Veränderungen, die nachträglich wieder eliminiert werden müssen. Sie wird seit den 1930er Jahren praktiziert und bildete die verfahrenstechnische Basis für die Zucht zahlreicher Kulturpflanzensorten, die wir heute nutzen – beispielsweise Pink Grapefruit oder bestimmte Braugersten-Sorten. Mutagenese gilt als sicher handhabbares Verfahren.

Im Vergleich zu klassischen Mutationsverfahren verändert die Genomeditierung das Erbgut viel gezielter und punktueller. Unbeabsichtigte Modifikationen treten beim Genome Editing um Größenordnungen seltener auf als bei der Mutagenese mit Strahlen oder Chemikalien. Nebeneffekte lassen sich dennoch nicht ganz ausschließen: Gensequenzen, die dem Zielbereich stark ähneln, aber in anderen Regionen des Erbguts lokalisiert sind, werden bei der Genomeditierung manchmal ebenfalls verändert.

Unerlässliche Feldversuche

Die Genomeditierungsverfahren beruhen auf weitreichenden Kenntnissen der Gensequenzen, was es ermöglicht, bereits in der Planung solche Zielsequenzen zu wählen, die keine große Ähnlichkeit mit anderen Sequenzabschnitten des Erbguts aufweisen – was die Wahrscheinlichkeit einer ungewollten Modifikation stark verringert. Sequenzanalysen und Sequenzierungen der Genomeditierungsprodukte können den Auswahlprozess unterstützen und beschleunigen, indem sie es ermöglichen, erwünschte und unerwünschte Sequenzkombinationen direkt aufzuspüren. Die Molekulargenetik bietet zusammen mit der Bioinformatik also eine gute Grundlage, um Eingriffe ins Erbgut verlässlich zu planen und kontrolliert durchzuführen.

Die Qualität des Produkts hängt jedoch auch von den Wechselwirkungen der veränderten Gene und der Ausprägung der jeweiligen Merkmale ab. Erbanlagen, die an der Regulation des Stoffwechsels oder der Stressantwort mitwirken, sind oft Teil komplexerer Reaktionsketten. Entsprechend schwer sind die Folgen von Veränderungen in ihnen abzuschätzen. Das macht genetische Voruntersuchungen und spätere Feldversuche unerlässlich.

Streifenanbau | Streifenanbau von Raps und Weizen auf der Fläche eines Betriebs bei Schladen in Niedersachsen. Forscherinnen und Forscher testen diese Form des Mischanbaus als mögliche Maßnahme, um die Artenvielfalt in landwirtschaftlich genutzten Ökosystemen zu erhöhen. Auf den Versuchsflächen werden Insekten und Vögel gezählt und ihr Vorkommen mit denen in angrenzenden Reinkulturen verglichen.

Kritiker befürchten, dass infolge eines vermehrten Einsatzes der Genomeditierung – und damit einhergehend einer beschleunigten Pflanzenzucht – auch solche Erbfaktoren und Merkmale modifiziert werden, bei denen das bisher nicht geschah, womit ein zusätzliches Risiko entstehe. Allerdings ist bisher nicht erkennbar, dass sich die wesentlichen Züchtungsziele geändert hätten. Zudem ist eine schnellere Anpassung an die sich heute rasch ändernden Umweltbedingungen ja gerade erwünscht.

Die jahrzehntelange Sicherheitsforschung in Europa, aber auch die internationalen Erfahrungen beim Zulassen gentechnisch veränderter Pflanzen haben keine Hinweise darauf erkennen lassen, dass Grüne Gentechnik mit unvermeidbaren Risiken einherginge. Im Zuge der Diskussion über die Gentechnik haben die EU und nationale Forschungsförderer vor allem seit Beginn des Jahrhunderts eine Serie von Sicherheitsforschungsprojekten gefördert, die unter anderem Feldversuche und Fütterungsstudien an Nagern mit transgenen Pflanzen (insbesondere Mais) umfassten. Risiken werden aber regional auch unterschiedlich bewertet: So sieht man herbizidtolerante Pflanzen in Europa überwiegend kritisch, während sie beispielsweise in den USA geradezu Standard sind.

Regulierung europaweit und international

In den meisten Ländern, darunter Deutschland, ist Gentechnik gesetzlich reguliert. Da die Bundesrepublik Teil der Europäischen Union ist, gilt dafür der einheitliche Rechtsrahmen der EU, der durch nationale Regeln ergänzt wird. Nach einer Klarstellung des Europäischen Gerichtshofs im Juli 2018 gelten strenge Zulassungsregelungen derzeit sowohl für transgene als auch für genomeditierte Organismen und jeweils daraus hergestellte Produkte. Wegen politischer und rechtlicher Bedenken forderte der Europäische Rat die Kommission im November 2019 dazu auf, eine Studie über »neue genomische Techniken« (NGT) vorzulegen. Die Arbeit erschien im April 2021 und kam zu dem Schluss, dass die aktuelle Gesetzeslage veraltet und dem wissenschaftlichen Entwicklungsstand nicht mehr angemessen sei. Denn unter anderem führt das bestehende EU-Gentechnikrecht zu unterschiedlichen Regulierungsvorgaben bei ähnlichen oder sogar gleichen Produkten – abhängig von der jeweiligen Art der Züchtungstechnik. So sind gleichartige Mutationen in einer Pflanze rechtlich unterschiedlich zu behandeln, je nachdem ob sie zufällig (»natürlich«), durch Mutagenese mittels ionisierender Strahlung oder durch Genomeditierung entstanden sind. Das zieht erhebliche Probleme in der Rechtsdurchsetzung nach sich, weil eine Mutation in einer konkreten Pflanze zwar nachweisbar ist, dieser Nachweis aber keine Rückschlüsse auf ihre Entstehung zulässt.

Darüber hinaus betont die Studie von 2021, die neuen genomischen Techniken hätten das Potenzial, zu einer nachhaltigeren Agrar- und Lebensmittelwirtschaft im Sinn des »Green Deal« beizutragen. Basierend darauf hat die Europäische Kommission eine Gesetzesinitiative eingeleitet und im Juli 2023 einen Vorschlag für die Regulierung dieser Techniken gemacht. Demnach soll das Zulassungsverfahren für Pflanzen vereinfacht werden, die nur genetisches Material entweder von derselben Pflanze oder von kreuzbaren Arten enthalten. Fremd-DNA einzubringen (also solche von nichtkreuzbaren Arten), soll weiterhin den bestehenden strengen Gentechnikregelungen unterliegen.

Der Vorschlag sieht zwei Kategorien von Pflanzen vor, die mit neuen genomischen Techniken erzeugt worden sind. In die erste Kategorie kommen Pflanzen, die ebenso mittels konventioneller Züchtung hätten entstehen können, sofern sie nach einer Kriterienliste als gleichwertig eingeordnet werden. Enthalten die Produkte zwar keine Fremd-DNA – sind also keine transgenen Pflanzen – , erfüllen aber die Kriterien der Kategorie 1 nicht, gelten für sie reduzierte risikobezogene Auflagen. Gemäß diesem Vorschlag blieben Pflanzen der Kategorie 1 rechtlich gesehen zwar genetisch veränderte Organismen, würden aber weitgehend wie konventionell gezüchtete behandelt. Für Pflanzen der Kategorie 2 würden prinzipiell dieselben Vorschriften gelten wie für transgene GVO, doch je nach Fall wären Erleichterungen möglich, sofern es keine »plausiblen Hinweise« auf mögliche Risiken gäbe.

Im Dezember 2025 hat die EU tatsächlich in diesem Sinne entschieden, die Regeln im Umgang mit Lebensmitteln zu lockern, die mit neuen genomischen Techniken erzeugt worden sind. Lebensmittel auf Basis von Pflanzen, die gentechnisch nur geringfügig verändert worden sind, sollen demnach ohne spezielle Prüfung und ohne Kennzeichnung auf den Markt kommen dürfen. Bei größeren Änderungen, etwa wenn artfremde Gene in die Pflanze eingebracht wurden, sollen weiterhin die strengen Zulassungsregeln gelten.

Viele Länder in anderen Weltregionen setzen auf einen weniger strengen rechtlichen Umgang mit Pflanzen, die mittels neuer genomischer Techniken modifiziert wurden. Das betrifft vor allem Staaten in Nord- und Südamerika sowie in Asien. Erste Produkte sind dort bereits auf dem Markt. Auch mehrere afrikanische Länder haben vereinfachte Zulassungsverfahren für solche Pflanzen geschaffen, sofern diese keine Fremd-DNA enthalten. Die nationalen Regulierungen unterscheiden sich allerdings dahingehend, wie sie spezifische Verfahren der gezielten Mutagenese regulieren (siehe »Regulierung von genomeditierten Pflanzen«). Die Vorschriften in Nord- und Südamerika, in Japan und einigen anderen Ländern sind besonders locker, da sie nur die Art des genetischen Eingriffs betrachten und nicht die Zielmerkmale, die sich dadurch verändern.

Pflanzenzucht im Wandel

Die Perspektiven des Einsatzes der Genomeditierung in der Pflanzenzucht sind aufgrund der Flexibilität und Präzision vielfältig. Allerdings zeigt sich auch, dass die Technik nicht die anderen Züchtungsverfahren ersetzen kann und wird. Insgesamt stellen molekulargenetische Züchtungsverfahren dem Züchter mehr Werkzeuge zur Verfügung, die aktuellen und zukünftige Züchtungsziele zu verfolgen und schneller zu erreichen. Eine Garantie für den Markterfolg ist damit nicht verbunden.

Die heutigen Anwendungen der Genomeditierung zielen in über 90 Prozent der Fälle auf das Ausschalten »unerwünschter« Gene ab, was vergleichsweise einfach zu erreichen ist. Mittel- und langfristig werden funktionale Genvarianten an Bedeutung gewinnen. Verschiedene dazu notwendige Verfahrensverbesserungen befinden sich derzeit in der Entwicklung.

Weltweit unterliegen transgene Organismen strikten rechtlichen Regelungen und durchlaufen mehrjährige, kostspielige Zulassungsverfahren, bevor sie vermarktet werden können. Für nichttransgene, genomeditierte Organismen sind die Regelungen international uneinheitlich. In der EU unterliegen sie zurzeit auch vollumfänglich dem strengen Gentechnikrecht. In Europa und in anderen Staaten wird aktuell die rechtliche Einordnung diskutiert, während bereits viele Staaten eine liberalere Rechtspraxis etabliert haben.

Verfahrenstechnisch bedingte Unsicherheiten zu den Effekten des Einsatzes der klassischen Gentechnik oder Genomeditierung lassen sich mit den Methoden der Molekularbiologie und Bioinformatik abschätzen und überprüfen. Unabhängig davon bleibt zu bewerten, welche Gene und Merkmale von den Eingriffen (wie weitreichend) betroffen sind und wie sie sich in der Pflanze und auf die Umwelt auswirken. Feldversuche sind daher – wie bei jeglicher Züchtung – unerlässlich. In transgenen Organismen werden neuartige, artfremde Eigenschaften übertragen, bei mutagenisierten beziehungsweise genomeditierten Organismen bewegen sich dagegen die Veränderungen im Rahmen der potenziellen Variabilität der Erbanlagen. Zukünftige Anwendungen werden stärker im Gesamtsystem einer nachhaltigen Pflanzenproduktion zu beurteilen sein.

Hinweis der Redaktion: Der Text wurde am 04.12.2025 an einer Stelle aktualisiert, um eine EU-Entscheidung zum Umgang mit neuen genomischen Techniken aufzunehmen.

  • Quellen

Europäische Kommission, Study on the status of new genomic techniques under Union law and in light of the Court of Justice ruling in Case C-528/16. Brüssel, 2021

Europäische Kommission, Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on plants obtained by certain new genomic techniques and their food and feed, and amending Regulation (EU) 2017/625. Brüssel, 2023

Valentine, M. et al., aBIOTECH 10.1007/s42994–024–00173–5, 2024

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