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News: Genomsequenzen am laufenden Band

Die Begeisterung über die nahezu vollständige beendete Sequenzierung des menschlichen Erbguts ist noch gar nicht ganz verhallt, da melden Forscher ein weiteres fertig entziffertes Genom. Zwar handelt es sich dabei 'nur' um einen Mikroorganismus, aber dafür um einen recht berüchtigten. Denn Pseudomonas aeruginosa genießt einen eher zweifelhaften Ruf als Erreger für schwere Lungenerkrankungen, die in manchen Fällen auch tödlich verlaufen. Und in der Reihe der bisher sequenzierten Genome von Bakterien gehört es zu den Schwergewichten: Mit über sechs Millionen Basenpaaren belegt es mit großem Vorsprung Platz eins.
Und wieder ist ein Genom fertig sequenziert, berichten Wissenschaftler um Maynard V. Olson vom Genome Center der University of Washington – heutzutage keine überraschende Neuigkeit mehr. Schon gar nicht für Mikrobiologen, denn sie liegen im weltweiten Sequenzierungs-Rennen um Längen vorn: Von 25 Bakterien haben sie inzwischen die gesamte Erbinformation entschlüsselt. Nein, das Besondere ist eher der bearbeitete Kandidat: Ein Stamm von Pseudomonas aeruginosa, des berüchtigten Erregers von schweren Lungeninfektionen, die für Patienten mit geschwächtem Immunsystem lebensbedrohlich sein können und bei Muskoviszidose-Kranken sogar die häufigste Todesursache darstellen (Nature vom 31. August 2000).

Aber es ist wenigstens auch ein neuer Rekord, denn das Genom von P. aeruginosa ist mit mehr als sechs Millionen Basenpaaren und vermutlich etwa 5500 Genen das größte Bakteriengenom, das Wissenschaftler bisher sequenziert haben. Damit verdrängt es das Erbgut des Darmbewohners Escherichia coli auf den zweiten Platz, das immerhin 4,6 Millionen Basenpaare und ungefähr 4200 Gene vorweisen konnte.

Die reiche Ausstattung mit Genen ermöglicht es P. aeruginosa wahrscheinlich, sich an so viele verschiedene Umweltbedingungen anzupassen und zu überleben. Darin ist es vielen anderen Mikroorganismen überlegen, die eher unflexibel auf eine Veränderung ihrer Lebensumstände reagieren und sich auf eine kleine Nische beschränken. So fühlt sich P. aeruginosa besonders in Wasserleitungen wohl und lässt sich auch kaum von gängigen Desinfektionsmitteln beeindrucken, weshalb es auf nahezu jedem Duschvorhang zu finden ist – von Zentralafrika bis Grönland. Und auch viele Antibiotika und die körpereigene Abwehr vermögen kaum etwas gegen ihn auszurichten, denn sie können die äußere Schutzschicht des Bakteriums nicht durchdringen, die es in der Lunge entwickelt.

Olson plant schon die nächsten Schritte: "Wir werden jetzt die Daten der Gensequenzen nehmen und versuchen, die molekularen Infektionsmechanismen von P. aeruginosa herauszufinden. Wir wollen sehen, welche Gene für das Überleben in dem menschlichen Wirt benötigt werden, und welche für die Medikamentenresistenz gebraucht werden." Außerdem vergleichen die Wissenschaftler im Moment Organismen verschiedener P. aeruginosa-Stämme, die sie aus Muskoviszidose-Kranken und anderen Patienten isolieren, um herauszufinden, wie sich der Erreger von einem zum anderen Infizierten unterscheidet und wie er sich im Krankheitsverlauf verändert. Denn je mehr Forscher über die biochemischen Prozesse und die Lebensweise des Bakteriums wissen, desto eher werden sie vielleicht doch noch eine Achillesferse entdecken, an der neue Behandlungsmethoden ansetzen können.

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