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Geodynamik: Grönland steigt schneller als der Meeresspiegel

In den letzten Jahrzehnten hat Grönland große Mengen Gletschereis verloren. Das sorgt für zwei dramatische Effekte.
Ein in Schwarz gekleideter Forscher steht neben einem gelben Kuppelzelt und einer Messstation auf einem Berg nahe der Küste Grönlands. Die Landschaft ist mit Schnee und Eis bedeckt
Über 60 Messstationen dieser Art sind über Grönland verteilt. Sie erfassen, wie stark sich das Land hebt.

Seit Mitte der 1980er Jahre hat Grönland mindestens 1000 Gigatonnen Gletschereis verloren; der Eisschild der Insel ist um etwa 5000 Quadratkilometer geschrumpft. Gleichzeitig hat sich die Schmelze seit den 1990er Jahren beträchtlich beschleunigt. In den 2020er Jahren verläuft sie fünfmal so schnell wie damals. Allein dadurch stieg der Meeresspiegel im globalen Mittel um über einen Zentimeter, doch auf der Insel macht sich das noch nicht bemerkbar – im Gegenteil: Sie hebt sich stärker und schneller aus dem Meer, als das Wasser vorrücken kann, wie eine Studie von Danjal Longfors Berg von der Technischen Universität Dänemark (DTU) mit seinem Team in den »Geophysical Research Letters« feststellt.

Mit Hilfe von Satellitendaten und Messungen am Boden stellte die Arbeitsgruppe fest, dass Grönland allein zwischen 2013 und 2023 um bis zu 23 Zentimeter angestiegen ist. Hochgerechnet auf ein Jahrhundert würde sich die Insel damit um mehr als zwei Meter heben. »Dies sind ganz erhebliche Landhebungen, die wir jetzt nachweisen können. Sie zeigen, dass sich lokale Veränderungen in Grönland sehr schnell vollziehen und das Leben in Grönland beeinflussen. Sie wirken sich auch auf die Landkarten aus, da neues Land aus dem Meer auftaucht und im Laufe der Zeit neue kleine Inseln und Schären entstehen«, so Berg.

Dieser Vorgang ist eine natürliche geotektonische Veränderung und wird als isostatischer Aufstieg bezeichnet. Er findet in vielen Regionen seit Ende der letzten Eiszeit statt, nachdem sich dort die Gletscher zurückgezogen haben. Das auflastende Gewicht der Eismassen hatte die darunterliegende Erdkruste tiefer in den Erdmantel gedrückt. Durch die schwindende Belastung kommt es zu einer Ausgleichsbewegung und das Land hebt sich wieder. Dieser Prozess wird wiederum von einem Absinken in anderen Gebieten begleitet. Deutlich zu sehen ist dies beispielsweise im Bereich der Ostsee: Während Skandinavien seit dem letzten Glazial aufsteigt, sinkt die gegenüberliegende ostdeutsche Küste etwas ab.

»Die Landhebung, die wir in diesen Jahren in Grönland beobachten, lässt sich nicht allein durch die natürliche Entwicklung nach der Eiszeit erklären. Grönland hebt sich deutlich stärker. Mit unseren Daten können wir den Teil der Landhebung, der durch die aktuellen globalen Klimaveränderungen verursacht wird, genau eingrenzen«, sagt der an der Studie beteiligte Geophysiker Shfaqat Abbas Khan von der DTU.

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