Beschleunigte Gesteinsverwitterung: Ein Feldversuch mit Klimawirkung

Die Szene, die sich an einem kalten Novembertag im Zentrum des US-amerikanischen Bundesstaats Illinois abspielt, erscheint zunächst alltäglich. Ein paar Kilometer südlich der Kleinstadt Urbana rollt ein Muldenkipper an kahlen Feldern vorbei, bevor er in ein angrenzendes Grundstück einbiegt. Dort lädt er einen haushohen Haufen graublauen Sand ab: 190 Tonnen zerkleinertes Vulkangestein namens Basalt. Was anschließend passiert, ist allerdings eher ungewöhnlich – Landwirte verteilen das Material auf ihren Feldern. Einige Monate später säen sie Mais darauf aus. All das ist Teil eines ehrgeizigen Plans: Eines Tages sollen auf diese Weise Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre gezogen werden.
Mit dem Feldversuch wollen Wissenschaftler herausfinden, ob die Ackerflächen der Welt genutzt werden können, um gleichzeitig drei globale Krisen zu bewältigen: die Klimaerwärmung, die Versauerung der Ozeane und die globale Nahrungsmittelknappheit. Und die Ergebnisse sind verblüffend. Felder, die mit fein gemahlenem Basalt versehen und abwechselnd mit Mais und Soja bepflanzt wurden, ziehen über einen Zeitraum von vier Jahren zehn Tonnen mehr CO2 pro Hektar aus der Luft als unbehandelte Parzellen. Und die Ernteerträge sind um 12 bis 16 Prozent höher.
Geleitet wird die Studie vom Biogeochemiker David Beerling von der englischen University of Sheffield und vom Pflanzenphysiologen Evan DeLucia von der US-amerikanischen University of Illinois Urbana-Champaign. »Das ist wirklich aufregend«, sagt Beerling. »Wir sind angenehm überrascht.« Die Erkenntnisse der beiden Forscher fügen sich in die positiven Ergebnisse anderer Experimente ein. Im Jahr 2020 berichteten kanadische Wissenschaftler, dass die Zugabe des Minerals Wollastonit auf Feldern mit Salat, Grünkohl, Kartoffeln und Soja bis zu zwei Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr im Boden bindet. Und im Frühjahr 2024 wies ein Team um die Geografin Kirstine Skov vom Start-up-Unternehmen UNDO Carbon in London nach, dass zerkleinertes Basaltgestein die Erträge von Hafer um 9 bis 20 Prozent steigert und gleichzeitig den Säuregehalt des Bodens verringert.
Der Menschheit zusätzliche Zeit verschaffen
Wissenschaftler, Start-ups und etablierte Konzerne experimentieren seit Längerem mit ausgeklügelten Technologien, um die globale Erwärmung zu verlangsamen: Flugzeuge verteilen Schwefeldioxid in der Stratosphäre, um einen Teil des einfallenden Sonnenlichts zu blockieren. Große Staubsauger ziehen CO2 aus der Atmosphäre und lagern es im Boden ein. Eisen im Meer fördert das Wachstum von Algen, die wiederum CO2 absorbieren. Und es wird mit bestimmten Mineralen der pH-Wert des Ozeans erhöht, damit er mehr Kohlendioxid aufnehmen kann als üblich.
Solche Maßnahmen könnten der Menschheit etwas zusätzliche Zeit verschaffen, um von fossilen Brennstoffen auf saubere Energie umzusteigen und gleichzeitig zu verhindern, dass das Klima dauerhaft gefährliche Schwellenwerte überschreitet. Aber all diese Ansätze des so genannten Geoengineerings erfordern Unmengen an Geld und Energie oder könnten im schlimmsten Fall sogar ganze Ökosysteme zerstören. Zerkleinertes Gestein auf Feldern zu verteilen – wie es Landwirte seit Jahrhunderten mit Kalk machen –, scheint dagegen erfrischend einfach zu sein. »Das ist Teil der Eleganz unseres Vorhabens«, sagt Beerling.
Der Basalt für den Feldversuch in Illinois stammt aus einem Steinbruch in Südpennsylvania, wo er für Dach- und Baumaterialien abgebaut wird. Basalt ist das am häufigsten vorkommende Gestein in der Erdkruste. Wenn er natürlich verwittert und sich langsam im Grundwasser auflöst, bindet er CO2 und wandelt es in Hydrogenkarbonationen um, die nicht so leicht wieder in die Atmosphäre gelangen. Bei dieser Reaktion werden auch Nährstoffe im Boden freigesetzt, die für die Pflanzengesundheit wichtig sind, darunter Kalzium, Magnesium und Silizium. Das Zerkleinern und Ausbringen von Basalt – ein Verfahren, das als beschleunigte Gesteinsverwitterung (englisch: enhanced rock weathering, kurz ERW) bezeichnet wird – verstärkt diese Prozesse erheblich. Die Methode könnte Landwirten auf der ganzen Welt zugutekommen, indem sie die Ernteerträge steigert, den Düngemitteleinsatz reduziert und möglicherweise den Verkauf von Emissionsgutschriften ermöglicht.
»Die ERW-Methode hat die Chance, wirklich etwas zu bewirken. Aber es gibt aktuell noch zu viele Stolperfallen«Noah Planavsky, Biogeochemiker
Würde ERW weltweit eingesetzt, könnten laut Beerling jedes Jahr bis zu zwei Milliarden Tonnen CO2 aus der Luft entfernt werden. Das wäre ein beträchtlicher Teil des Kohlenstoffs, den die Menschheit aus der Atmosphäre ziehen muss, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wie 2015 auf der Klimakonferenz in Paris vertraglich beschlossen. Andererseits müssten dafür Milliarden Tonnen Gestein pro Jahr abgebaut, gemahlen und zu den Bauernhöfen transportiert werden. Dabei würden wiederum viele Tonnen CO2 freigesetzt. Berechnungen legen jedoch nahe, dass diese Emissionen im Vergleich zu der CO2-Menge, die das Gestein über Jahrhunderte oder länger speichert, vernachlässigbar wären – und zudem wäre das CO2 dauerhafter gebunden als beispielsweise in einem Wald.
ERW ist allerdings noch eine vergleichsweise neue Methode; bisher wurden dazu nur wenige Versuche durchgeführt. Dennoch wollen Unternehmen bereits Emissionsgutschriften auf Basis dieser Technik verkaufen. Noah Planavsky, ein Biogeochemiker, der sich an der Yale University mit der beschleunigten Verwitterung beschäftigt, sieht darin zwar durchaus Potenzial. Er befürchtet jedoch, dass eine zu rasche Ausweitung der ERW-Methode zu enttäuschenden Ergebnissen führen und eine Kehrtwende auslösen könnte. »ERW hat die Chance, wirklich etwas zu bewirken«, sagt er. »Doch es gibt aktuell noch zu viele Stolperfallen.«
Die Idee basiert auf Erkenntnissen darüber, wie natürliche, grundlegende Prozesse auf unserem Planeten funktionieren. Im Lauf der Erdgeschichte schleuderten Vulkanausbrüche riesige Mengen Lava und CO2 empor und heizten so den Planeten auf. Verwitterte das Gestein anschließend über Millionen von Jahren, wurde das Gas der Atmosphäre entzogen und der Planet kühlte wieder ab. Heute sind weite Teile Nord- und Südamerikas, Afrikas und Asiens mit diesem erstarrten Lavagestein bedeckt.
Lange haben Wissenschaftler sich gefragt, ob der Mensch die natürliche Gesteinsverwitterung künstlich beschleunigen und damit den Prozess in kürzerer Zeit nachahmen kann. Im Jahr 1995 schlug Klaus Lackner, damals Physiker am Los Alamos National Laboratory in New Mexico, vor, Basalte zu erhitzen, um das klimaschädliche Gas schneller zu absorbieren. Mit der Zeit entwickelte sich die Grundidee weiter. Es wurde überlegt, konzentriertes Kohlendioxid in heiße Basaltschichten unter der Erde zu pressen, wo sich anschließend Karbonatminerale bilden würden, oder pulverisierten Basalt über den Ozeanen zu verstreuen, wo er CO2 absorbieren und den Kohlenstoff beim Absinken mitnehmen würde.
In den späten 2000er Jahren stellte Phil Renforth, damals Doktorand an der Newcastle University in England, fest, dass sich auf den Überresten von abgerissenen Stahlwerken in seiner Gegend weiße Krusten aus Karbonatmineralen bildeten. Fragmente von Stahlschlacke und Beton, die beide viel Kalzium enthalten, reagierten mit dem CO2 in der Luft. Im Jahr 2013 veröffentlichten er und Jens Hartmann, ein Geochemiker, der damals an der Universität Hamburg tätig war, einen Vorschlag. Diesem zufolge könnte kalziumreiches Gestein zerkleinert und auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden, um Kohlendioxid einzufangen und gleichzeitig die Böden zu verbessern.
Gängige Klimaszenarien sagen voraus, dass wir bis 2050 jährlich fünf bis zehn Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen müssen
Ungefähr zu dieser Zeit untersuchte Beerling, wie Grasland die Verwitterung von Gestein und die natürliche Bindung von CO2 beeinflusst. Als er die Arbeit von Renforth und Hartmann las, wurde ihm klar, dass er sein Modell ebenso auf Ackerland anwenden könnte. Im Jahr 2016 publizierte Beerling Berechnungen, die vorhersagen, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre bis zum Jahr 2100 um 30 bis 300 Teile pro Million (ppm) gesenkt werden könnte, wenn jährlich ein bis zwei Millimeter Basaltstaub über tropischen Gebieten verteilt würde. Auf Grund der warmen, feuchten Bedingungen verwittert Gestein dort besonders schnell.
Gängige Klimaszenarien sagen voraus, dass wir bis 2050 jährlich fünf bis zehn Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen müssen, wenn wir die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzen wollen. Derzeit liegt der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre bei etwa 425 ppm und wird bis zum Jahr 2100 voraussichtlich auf 500 bis 1200 ppm ansteigen – je nachdem, wie die Menschheit weitermacht. Die Modellierung legt nahe, dass ERW bis zu diesem Zeitpunkt eine Erwärmung um 0,2 bis 2,2 Grad Celsius verhindern könnte.
Ein risikoarmes Geoengineering
Im Jahr 2018 veröffentlichte Beerlings Team aktualisierte Berechnungen, nach denen jährlich 0,2 bis 1,1 Gigatonnen Kohlendioxid gebunden werden könnten, wenn gemahlener Basalt auf 700 000 Quadratkilometern Mais- und Sojaanbauflächen in den USA ausgebracht würde.
Eine abermals verfeinerte Analyse veröffentlichten Beerling und seine Mitarbeiter zusammen mit Renforth im Jahr 2020 im Fachmagazin »Nature«. Unter der Annahme, dass weltweit jedes Jahr zwei Gigatonnen CO2 allein durch ERW abgetrennt werden sollen, schätzen die Forscher, dass China, Indien, die USA und Brasilien zusammen 80 Prozent dieser Menge abdecken könnten – selbst dann, wenn man die Emissionen für Abbau, Zerkleinern und Transport des Gesteins berücksichtigt. Um auf zehn Gigatonnen pro Jahr zu kommen, wäre zwar eine Kombination von diversen Methoden zur Kohlenstoffabscheidung erforderlich. Aber, sagt Beerling, »wenn man zwei Gigatonnen mit der Methode der beschleunigten Verwitterung erreichen kann und zeitgleich die Ernährungssicherheit sowie die Bodengesundheit damit verbessert, sind das schon 20 Prozent des Weges«.
Der Versuch in Illinois lieferte eine eindrucksvolle Bestätigung. Beim Anbau von Mais und Soja entsteht in der Regel CO2, doch die mit Basalt behandelten Felder setzten 23 bis 42 Prozent weniger des klimaschädlichen Gases frei. Hochgerechnet auf die gesamte USA sind das 260 Millionen Tonnen CO2, die jedes Jahr vermieden werden könnten.
»Es war wichtig für uns zu sehen, wie dies in der Öffentlichkeit und in der Presse ankam. Die Reaktionen bestärkten uns in unserer Überzeugung, dass dies der richtige Weg ist«David Beerling, Biogeochemiker
Im Gegensatz zu anderen Geoengineering-Ansätzen, die von den Menschen oft als riskante Eingriffe in die Natur angesehen werden, sei ERW bei der Veröffentlichung der Forschungsarbeiten gut aufgenommen worden, resümiert Beerling. »Es war wichtig für uns zu sehen, wie dies in der Öffentlichkeit und in der Presse ankam«, sagt er. Die Reaktionen »bestärkten uns in unserer Überzeugung, dass dies der richtige Weg ist«.
ERW unterscheidet sich grundlegend von zwei anderen Strategien zur terrestrischen Kohlenstoffeinlagerung, die es schon länger gibt. Bei der einen Methode, Biokohle genannt, verbrennen Landwirte Pflanzenreste bei sehr hohen Temperaturen unter Ausschluss von Sauerstoff – und verwandeln sie so in Holzkohle. Die wird zur langfristigen Speicherung in den Boden eingepflügt. Bei der zweiten Methode werden unverkohlte Pflanzenreste in den Boden eingebracht. Auf diese Weise wird Kohlenstoff zwar zunächst dort gespeichert, er kann aber auch recht leicht wieder umgewandelt werden und in die Atmosphäre gelangen.
Bei der Methode der beschleunigten Verwitterung dagegen wird CO2 zunächst als gelöstes Hydrogenkarbonat im Grundwasser gebunden. Schließlich, wenn es von den Feldern in die Bäche und später ins Meer geflossen ist, wird es als festes Karbonatmineral am Meeresboden eingelagert (siehe »Wie die beschleunigte Verwitterung funktioniert«). Studien gehen davon aus, dass das Kohlendioxid auf diese Weise 100 bis 1000 Jahre lang zuverlässig im Meer gespeichert bleibt. Das könnte zusätzlich dazu beitragen, die klimawandelbedingte Versauerung der Ozeane zu verringern.
Eines der eindrucksvollsten Beispiele dafür, wie die Gesteinsverwitterung im Lauf der Äonen den CO2-Gehalt in der Atmosphäre reguliert hat, findet sich an der Westküste Indiens. Die mit Reisfeldern und unzähligen Dörfern übersäte Küstenebene Indiens steigt durch ein chaotisches Labyrinth aus scharfen Bergrücken, v-förmigen Schluchten, reißenden Flüssen und Wasserfällen abrupt 1000 Meter zu einem Hochplateau an. Die Schluchtenwände sind abwechselnd von gelben und braunen Basaltschichten durchzogen und markieren den Rand des Dekkan-Basaltgebirges. Es entstand aus einer gewaltigen Serie von Lavaströmen, die vor etwa 66 Millionen Jahren ihren Anfang nahmen.
Vor rund 50 Millionen Jahren war es auf der Erde ungewöhnlich warm, und der CO2-Gehalt war fast viermal so hoch wie heute. Etwa zu dieser Zeit begannen die Dekkan-Basalte das Klima des Planeten langsam, aber nachhaltig zu verändern. Durch die Kontinentaldrift wurden sie in den Äquatorialgürtel getragen, wo ergiebige Niederschläge und warme Temperaturen die Verwitterung des Gesteins beschleunigten. Die verwitternden Minerale zogen Kohlendioxid aus der Luft und schwemmten es über Flüsse ins Meer, wo es sich ablagerte.
Schätzungen zufolge wurden der Atmosphäre auf diese Weise im Verlauf der folgenden 30 Millionen Jahren mehr als eine Million Gigatonnen CO2 entzogen. Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre sank und mit ihm die Temperaturen, und ein Eisschild begann sich über der Antarktis auszubreiten.
Hoffnung für indische Böden
Das Dorf Sarekha Khurd im zentralindischen Bundesstaat Madhya Pradesh liegt am östlichen Rand des Dekkan-Plateaus im Landesinneren. Die Menschen dort betreiben seit Jahrhunderten Reisanbau. Viele der Landwirte leben in ärmlichen Verhältnissen und bearbeiten kleine Parzellen von der Größe von ein bis zwei Fußballfeldern. Sie verdienen durchschnittlich 1500 Dollar im Jahr und geben bis zu 30 Prozent davon für Dünge- und Pflanzenschutzmittel aus. Und sie sind zahlreichen Risiken ausgesetzt.
Hitzewellen mit Temperaturen von bis zu 48 Grad Celsius können die notwendigen Monsunregenfälle unterbrechen und die Ernte gefährden. Die intensive Landwirtschaft hat die dunklen, nährstoffreichen Böden langsam versauern lassen und ihre Kalzium- und Magnesiumvorräte erschöpft. Die Landwirte entfernen die Pflanzenreste, statt sie verrotten zu lassen und ihre Minerale so dem Boden zurückzugeben. Der durchschnittliche pH-Wert der Böden in dem Gebiet ist leicht sauer und liegt bei etwa 6,4 (7,0 ist neutral). Das ist für den Reisanbau nicht ideal, denn die Versauerung beeinträchtigt die Aufnahme von Nährstoffen wie Phosphor durch die Pflanzen. Sie kann sogar die Zusammensetzung der Bodenmikroben verändern. Dann können pathogene Bakterien oder Pilze eher Krankheitsausbrüche hervorrufen und die Kulturen schädigen.
Landwirte auf der ganzen Welt haben sich bereits mit der Übersäuerung des Bodens auseinandergesetzt, lange bevor die dahinterliegenden Prozesse überhaupt verstanden waren. So deuten etwa dutzende Schürfstellen, die in den Wäldern nördlich von Paris gefunden wurden, darauf hin, dass die Bauern dort bereits vor 6000 Jahren Stücke aus den Kalksteinfelsen brachen und auf die Äcker streuten, auf denen sie Weizen, Gerste und Erbsen anbauten. Später verteilten die Römer kalkhaltiges Kalziumkarbonatgestein auf ihren Feldern, um den sauren Boden zu verbessern.
Doch in vielen Gebieten, darunter in Indien, haben die Menschen keinen einfachen Zugang zu Kalkstein. Und saure Böden mit Kalk zu neutralisieren, kann CO2 freisetzen. In solchen Fällen ist ERW besonders interessant, weil es diese Dynamik umkehrt, indem es das CO2 aus der Luft einfängt und im Boden in Hydrogenkarbonat umwandelt.
Im Mai 2024 brachten Landwirte in Sarekha Khurd erstmals Basalt auf ihren Feldern aus. Ein Team von Mati Carbon, einem ERW-Start-up mit Sitz im texanischen Houston, karrte 1250 Tonnen zerkleinertes Gestein aus nahe gelegenen Steinbrüchen heran. Das Unternehmen liefert derzeit kostenlos Basalt an mehr als 180 Bauerndörfer in Madhya Pradesh und dem benachbarten Bundesstaat Chhattisgarh. Es ist geplant, die Menge von Jahr zu Jahr zu erhöhen. Und es zeigt sich: Die Reiserträge sind im Durchschnitt um 15 bis 20 Prozent gestiegen, in einigen Fällen sogar um bis zu 70 Prozent.
Mati Carbon hat seine Geschäftsaktivitäten auf Dörfer in Tansania und Sambia ausgeweitet. »Die Landwirte sind unser Fokus«, sagt Mati-Gründer Shantanu Agarwal, vor allem »kleine, vom Klimawandel geplagte Betriebe«. Das Unternehmen hofft, schon bald durch den Verkauf von Emissionsgutschriften Geld zu verdienen. Agarwal und Jacob Jordan, leitender Wissenschaftler bei Mati, schätzen, dass verbesserte Böden, höhere Ernteerträge und geringere Ausgaben für Düngemittel das Einkommen armer Bauern um 10 bis 30 Prozent steigern und sie damit weniger krisenanfällig machen könnten.
So viel versprechend die ersten Versuche auch waren, für eine groß angelegte Einführung von ERW müssten einige gravierende Hürden überwunden werden. Das fängt bei der enormen Gesteinsmenge an, die dafür benötigt würde. Beerlings Berechnungen legen nahe, dass zur Abscheidung von zwei Gigatonnen CO2 pro Jahr jährlich 13 Gigatonnen Basalt gebraucht würden. Das sind etwa 4,5 Kubikkilometer Gestein, in etwa das Volumen des Matterhorns. Das entspricht zirka einem Drittel der rund 40 Gigatonnen Sand, Kies und Schotter, die bereits heute weltweit jährlich für die Industrie abgebaut werden. Bei einigen Gesteinsarten wäre eine solche Steigerung vielleicht schon rein mengenmäßig unrealistisch. Doch die Basaltreserven der Welt sind enorm und weit über den Planeten verteilt.
Basaltschotter, der in Steinbrüchen als ungenutztes Nebenprodukt anfällt, könnte ohne größeren Aufwand genutzt werden. Das Gleiche gilt für kalziumreiche industrielle Nebenprodukte wie zerkleinerten Beton, Abraum aus Bergwerken, Asche aus der Zuckerrohrverarbeitung und Kohleverbrennung sowie Abfälle aus der Zement-, Aluminium- und Stahlproduktion. Viele dieser Nebenprodukte enthalten jedoch zusätzlich Chrom, Nickel, Kadmium und andere giftige Stoffe. Daher kämen sie möglicherweise lediglich zur CO2-Abscheidung auf Fabrikhöfen oder Abraumhalden in Frage und könnten nicht auf Ackerflächen verwendet werden. Jede zusätzliche Tonne Basalt, die abgebaut und zerkleinert werden muss, kostet etwa zehn Dollar und verursacht einen CO2-Ausstoß von rund 30 Kilogramm. Das Team von Beerling hat diese Faktoren berücksichtigt, als es schätzte, dass ERW nach Abzug der anfallenden Emissionen 80 bis 180 Dollar pro Tonne abgeschiedenem CO2 kosten würde.
Aber das Ganze hätte noch einen anderen Preis. Die florierende Bergbaubranche in China und Indien – zwei Länder mit dem größten Potenzial für ERW – wurde wegen Menschenrechtsverstößen vielfach kritisiert. In der indischen Sandsteinindustrie zum Beispiel sind mehr als drei Millionen Menschen beschäftigt. In einem Bericht des Center for Human Rights mit Sitz in Washington D.C. aus dem Jahr 2020 wurde festgestellt, dass viele von ihnen Zwangsarbeiter sind. Sie schuften zu niedrigen Löhnen, um Kredite mit jährlichen Zinssätzen von bis zu 20 Prozent zurückzuzahlen. Es ist unwahrscheinlich, dass sie diese Schulden jemals werden begleichen können, und daher sind sie ihren Arbeitgebern ausgeliefert. Noch dazu sind sie hohen Temperaturen und lungenschädigendem Mineralstaub ausgesetzt. Gegen gefährliche Felsstürze haben sie keinen Schutz.
Bislang gingen viele Wissenschaftler davon aus, dass ERW am effizientesten in den warmen, feuchten Tropen wirkt
In einer Studie aus dem Jahr 2022 kamen Forscher zu dem Schluss, dass Steinbrucharbeiter im Nordosten Indiens vielfach unter Lungen- und Herzerkrankungen leiden. Sie haben niedrige Sauerstoffwerte im Blut, hohen Puls und schlecht durchlüftete Lungen. Wenn ein Arbeiter verletzt wird, stirbt oder erkrankt, wird die Ehefrau zur Arbeit gezwungen – oder die Kinder müssen in den Steinbruch, um die Schulden zu begleichen. Diese Probleme seien jedoch nicht auf Indien beschränkt, sagt Bhoomika Choudhury, Juristin und Arbeitsforscherin beim Business & Human Rights Resource Center in Dubai, die die an dem Bericht beteiligt war: »Wir sehen diese Muster auch in anderen Ländern in Asien, Afrika und Südamerika.«
Noch viele offene Fragen
Und selbst wenn all die Herausforderungen beim Basaltabbau überwunden werden, kann es immer noch sein, dass ERW in großem Maßstab weltweit nicht so gut funktioniert wie in den kleinen Versuchen, die bisher durchgeführt wurden. So gingen bislang viele Wissenschaftler davon aus, dass ERW am effizientesten in den warmen, feuchten Tropen wirkt, wo Basalt schneller verwittert. Zwei neuere Studien verkomplizieren dieses Bild jedoch.
Eine von Beerlings Gruppe unterstützte Arbeit aus dem Jahr 2022 in Malaysia, bei der Basaltstaub über Teile einer Palmölplantage gestreut wurde, ergab keine eindeutigen Ergebnisse. Beerling vermutet, dass die Effekte durch die örtlichen Gegebenheiten überlagert werden. Die dunklen, schweren Böden enthalten mehr verrottendes organisches Material und mehr Ton als die Böden in Illinois; das könnte den gewünschten Abbau des Basalts und die Umwandlung von CO2 in Hydrogenkarbonat verhindern. »Es gibt eine Verzögerung bei der Bindung des Kohlendioxids«, sagt Beerling. Dies geschehe nicht, solange der Boden damit beschäftigt sei, die sich auflösenden Minerale zu binden, »was ein oder auch fünf Jahre dauern kann«. Man müsse daher zunächst abwarten.
Der Säuregehalt ist der andere erschwerende Faktor, wie ein Versuch auf Zuckerrohrfeldern im Nordosten Australiens ergab. Der dortige Boden ist sehr sauer, so dass er den Basalt möglicherweise aufzehrt, bevor dieser die Chance hat, mit atmosphärischem CO2 zu reagieren. Erste Ergebnisse, die im Oktober 2024 veröffentlicht wurden, zeigen, dass die CO2-Abscheidungsrate nur etwa ein Prozent derjenigen in Illinois beträgt. Paul Nelson, ein Bodenkundler an der James Cook University in Cairns, meint, dass es schwierig sein könnte, das Problem zu lösen. Will man nämlich saure Böden vorab neutralisieren, muss man berücksichtigen, dass der niedrige pH-Wert in feuchten tropischen Gebieten noch viele Meter tief feststellbar sein kann, bis hinab zum Grundgestein.
Im Moment vertrauen die Forschenden einfach darauf, dass überall dort, wo ERW angewandt wird – von Illinois bis Australien –, das abgeschiedene CO2 in Form von gelöstem Hydrogenkarbonat über Bäche und Flüsse in den Ozean fließt, ohne auf eine stark saure Umgebung zu treffen. Sollte es dennoch solche Bereiche passieren, so Nelson, könnte ein Teil davon »unterwegs wieder in CO2 umgewandelt werden und in die Atmosphäre zurückkehren«.
»Landwirte haben dann nicht mehr bloß den Auftrag, die Menschheit mit Lebensmitteln zu versorgen, sondern sie helfen gleichzeitig dabei, Kohlendioxid zu beseitigen«Noah Planavsky, Biogeochemiker
Trotz der Ungewissheit haben sich etwa zwei Dutzend Unternehmen gegründet, die versuchen, ERW zu nutzen. Einige davon verkaufen bereits Emissionsgutschriften an Unternehmen wie Microsoft, die hoffen, ihren CO2-Fußabdruck auf null zu reduzieren. Diese Aktivitäten bereiten dem Yale-Biogeochemiker Planavsky Unbehagen. Er weiß um die Lehren aus einer anderen Art des Emissionshandels, der zu schnell gewachsen ist. In den vergangenen Jahren haben Unternehmen zunehmend »freiwillige Kohlenstoffkompensationen« im Ausgleich für den Schutz von Wäldern verkauft. Einige der Projekte erwiesen sich jedoch später für das Klima als wertlos. ERW dagegen sei »eine potenziell wirkungsvolle und damit wertvolle Möglichkeit«, CO2 zu entfernen, sagt Planavsky, »aber es wird nicht überall gleich gut funktionieren«. Wenn Unternehmen an der falschen Stelle sparen, so befürchtet Planavsky, könnte ERW »auf der Startrampe explodieren«.
Doch damit ERW bis 2050 überhaupt eine nennenswerte Wirkung entfalten kann, muss es sich schnell verbreiten, meint Gregory Nemet, Energie- und Klimawissenschaftler an der University of Wisconsin-Madison. Im Mai 2024 veröffentlichten er und seine Kollegen eine Studie, in der sie das kombinierte Potenzial neuartiger CO2-Entfernungsmethoden analysierten, darunter ERW, Luftabscheidungsanlagen sowie Biokraftstoffe, die mit CO2 aus Industrieabgasen hergestellt wurden. »Bis zum Jahr 2050 muss der Einsatz diese Methoden jedes Jahr um etwa 40 Prozent zunehmen«, sagt Nemet. Das klingt extrem, doch die Zahl der Elektroautos und Solarpaneele ist innerhalb der zurückliegenden 20 Jahre noch schneller gewachsen. Und wenn ERW am Ende 80 bis 180 Dollar pro Tonne CO2 kostet, wie Beerlings Gruppe vorausgesagt hat, könnte das billiger sein als die direkte Abscheidung aus der Luft (derzeit 400 bis 1000 Dollar pro Tonne) und vergleichbar teuer wie Biokraftstoffe mit Schornsteinabscheidung (100 bis 300 Dollar pro Tonne).
Sollte sich ERW tatsächlich in großem Maßstab durchsetzen, sieht Planavsky, dessen Familie Landwirtschaft betreibt, zahlreiche gesellschaftliche Vorteile, die über die Bindung von CO2 hinausgehen. Während industrielle Maschinen, die CO2 aus der Luft oder aus Schornsteinen abscheiden, nur großen Unternehmen Gewinne einbringen, kann ein Low-Tech-Ansatz wie ERW auch kleinen Landwirten die Möglichkeit geben, Emissionsgutschriften zu verkaufen. »Stellen Sie sich den Bauernhof der Zukunft vor«, führt er aus. »Landwirte haben dann nicht mehr bloß den Auftrag, die Menschheit mit Lebensmitteln zu versorgen, sondern sie helfen gleichzeitig dabei, Kohlendioxid zu beseitigen.« Und würden damit zu Klimarettern.

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